Am stumpfsinnigsten ist es, etwas Sinnvolles tun zu wollen

Erstellt am 3. Juli 2011 von Andramas

(http://sophiamandelbaum.de/)

Ich lese ZE ZURREALISM ITZELF mit dem einladenden Untertitel “ICH MÖCHTE DIR DAS WIR ANBIETEN”.

“…

Vielleicht bin ich Bäcker und sorge dafür, dass die Normalen ihren Tag wie gewohnt beginnen können. Die Normalen, mit ihren Brötchen und beruhigenden Frisuren, die ein Leben ohne Mobiltelefon für kompliziert halten, die für einen Strauß Blumen vier Wochen Rückgaberecht erwarten, die Normalen, die glücklich vor sich hin leben wollen, für eine bessere Statistik. Die Normalen, die ihren Kick durch Reflexion bekommen, aber verdammt noch mal, Alufolie reflektiert auch.

…”

Doch leider fehlt mir heute die Ruhe für schöne Texte. Die Maus krabbelt bereits weiter, ist schon auf der nächsten Page. Wie schade!

Das Internet bietet Fünfsterne-Speis am virtuellen Imbissstand, (die Maus|den Finger auf dem Touchpad) kriegt man nicht zur Ruhe. Wahllos liefert es einen Satz nach dem anderen:

“Ich glaube noch an die große Liebe. Alle drei Wochen wieder…” (@intothewordless)

“Man sollte sich in der Kennenlernphase von seiner schlechtesten Seite zeigen. Wer einen dann immer noch will, mag einen wirklich” (@anelinja)

Gags Sprüche im Fünfminutentakt – aber die Maus bleibt unruhig. Sage mir, wem du folgst und ich sage dir, wer du bist. Oder was du gern liest.

Kurz vorm Schließ-Kreuz hält die Maus noch einmal kurz inne – …

“Wieso twittern Männer, die einfach nur untervögelt sind, dass sie einsam sind? Und Frauen, die einsam sind, von Untervögelung?”

… – und ich nehme mir drei Sekunden Zeit, mental eine Antwort zu formulieren – irgendwas mit Lüge und Mathematik – die ich aber nicht abschicke, die ich nicht abschicken kann, weil ich erneut dem Cursor hinterherjage, der sich bereits eine Seiter weiter aufhält.

Bei Judetta nämlich, bei “Mein Berlin ist anders”

“…verwaschene T-Shirts mit V-Ausschnitt, weiße Feinripphemden und Hornbrillen vom Flohmarkt, verranzte Jutebeutel und bloß keine Chucks mehr. Untergrundige Partys in stillgelegten U-Bahnschächten, Tatort-Events auf Dachterrassen, Zuhause unzähliger Schwaben und Eifeler. Rast- und ruhelose Dauerbaustelle, unbedingtes Sehen und Gesehen werden, Schnauz- oder Dreitagebärte an Jungs, die viel zu jung für Schnauz- oder Dreitagebärte sind, Wodka Mate und Aperol Spritz. Brakeless Fixies oder klapprige Diamant-Räder. Einheitliche Individualität oder individuelle Einheitlichkeit. Minztee trinkende Mütter mit Ray Ban Sonnenbrillen und Hesba Kinderwagen. Fashionblogs und Nachwuchslabels. Pepe oder American Spirit Tabak, Helvetica statt Arial, Apfel statt Fenster, Sternburg statt Becks. Mauerpark Karaoke, Diana F und (original) Polaroid. Orte und Attribute, die mit Berlin verwachsen sind. Die mit dem heutigen Berlin verwachsen si…”

Man sollte sich – denke ich nun – solche Texte ausdrucken und einbinden, um sie mit ins Bett nehmen zu können. Leselampe an und alles andere aus. Nur solche Texte, ausreichend Licht und bequemes Bett.

Ich bin dabei, das Buch zu erfinden.


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