Llafranc, 1484: Bei einem Piratenangriff verliert der zwölfjährige Joan fast die ganze Familie. Dem Jungen gelingt die Flucht nach Barcelona. Im Schatten der prächtigen Kirchen und Paläste findet er Anstellung als Schreiber in einer Buchhandlung. Hier trifft er seine große Liebe Anna, Tochter eines jüdischen Goldschmieds. Als die Inquisition in der Stadt wütet, muss Anna nach Italien fliehen. Die Inhaber der Buchhandlung werden gefangen genommen und als Ketzer verbrannt. Joan entgeht zwar dem Tod, doch gerät er in Ketten an Bord einer Galeere. Zwischen Sizilien, Neapel, Rom und Genua kämpft er um seine Freiheit – und darum, seine Familie und seine große Liebe wiederzufinden. (Kurzbeschreibung Amazon)
Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, bei dem ich so hin und her gerissen war. Es fing so gut und so schön an. Jorge Molist schreibt sehr detailliert und genau, so dass viele Dinge vor meinem inneren Auge zum Leben erwacht sind. Dann aber schreibt er so detailverliebt, dass es mir an einigen Stellen zu viel war. So viele Einzelheiten möchte ich manchmal gar nicht wissen, egal ob es um das Binden eines Buches, das Gießen einer Glocke oder den Aufbau einer Galeere geht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Zu viel Ausführlichkeit kann schnell zur Langatmigkeit führen und das ist mir an einigen Stellen so ergangen. Dann wiederum habe ich mich über wunderschöne Szenen gefreut, die mir Jorge Molist eben durch seine eingehenden und emotionalen Schilderungen so nahe gebracht hat. Dabei hat er mich mit Sätzen verzaubert, die ich so schön fand, dass ich sie am liebsten genau wie seine Hauptperson Joan in ein kleines Buch geschrieben hätte. Anderes, sehr brutale Szenen hat er wiederum sehr zurückhaltend beschrieben und darüber war ich einfach nur froh.
Joan hat bei mir sehr gemischte Gefühle hervor gerufen. Ich habe ihn bewundert für seinen Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit. Ganz am Anfang sagt sein Vater zu ihm: „Versprich mir, dass du frei sein wirst“ und der Wunsch, dieses Versprechen zu erfüllen, zieht sich durch das ganze Buch. Aber ich lerne auch einen überheblichen und arroganten Joan kennen, der von Hass zerfressen ist und den mochte ich überhaupt nicht. Auf seinem Weg begegnen ihm sehr interessante Menschen, die seine positiven Eigenschaften zum Vorschein bringen und von denen er sehr viel lernt. Wunderschön fand ich die Idee, dass er ein ganz besonderes Tagebuch führt, in das er nur die für ihn wichtigen Erkenntnisse meistens in einem Satz fest hält. Seine Liebe zu den Büchern hat mich natürlich mit einigem wieder versöhnt.
Joan sucht seine verschleppte Familie und einen Weg, mit seiner großen Liebe Anna glücklich zu werden. Dabei verliert er sein Lebensziel, Buchhändler zu werden nicht aus den Augen. Jorge Molist legt ihm auf über 650 Seiten viele Steine in den Weg. Und während er sich immer wieder in Nebensächlichkeiten verliert, legt er gegen Ende so ein Tempo vor, dass ich fast das Gefühl hatte, dass hier ein anderer weiter geschrieben hat.
Jorge Molist hat sehr ausgiebig recherchiert und mich mit enorm vielen Informationen versorgt. Aber … dabei blieb sehr oft die Lebendigkeit auf der Strecke und ich war versucht, einige Abschnitte quer zu lesen. Ich finde nicht, dass man seinen Schreibstil mit Ken Follett vergleichen kann. Mich hat dieses Buch eher an „Die Brückenbauer“ von Jan Guillou erinnert.
Trotz aller Kritikpunkte ist es ein lesenswertes Buch, an manchen Stellen vielleicht ein „Männerbuch“, das mir einen guten und detaillierten Einblick in das spanische Mittelalter verschafft hat.
Das Buch ist im Fischerverlag erschienen. Vielen Dank für mein Rezensionsexemplar und die Leserunde bei Lovelybooks!
Homepage von Jorge Molist
Leseprobe
Meine Rezension bei Amazon und weitere Infos zum Buch findet ihr hier.