Am Ende der Welt traf ich Noah
Irmgard Kramer
Loewe, 2015
9783785581278
17,95€
Es war so verlockend: Die Möglichkeit, in eine fremde Rolle zu schlüpfen, lag direkt vor mir. Ich brauchte nur zuzugreifen. Ein fremder roter Koffer zieht Marlene wie magisch an und ehe sie wirklich weiß, was sie tut, hat sie sich schon als dessen Besitzerin ausgegeben und ist in ein neues Leben abgetaucht. Als Irina Pawlowa verbringt sie ihren Sommer fernab der Zivilisation in einer alten Villa zusammen mit einer Nonne, einem Gärtner und einem Koch. Und Noah. Noah ist faszinierend, blind und in der Villa gefangen, denn irgendetwas außerhalb ihrer schützenden Mauern macht ihn schwer krank. Doch er möchte frei sein, und als Marlene sich in ihn verliebt, willigt sie ein, mit ihm zu fliehen. Was daraufhin passiert, konnte jedoch niemand vorhersehen. Ein Roman mit viel Atmosphäre, Spannung und einer unerwarteten Wendung am Ende. Diese atemberaubende Liebesgeschichte von Irmgard Kramer wird jugendliche und auch erwachsene Leser begeistern und in ihren Bann ziehen.
Marlene fackelt nicht lange. Mit ihrem Leben ist sie nicht direkt unzufrieden, aber spannender könnte es schon sein. Sie packt den Koffer, vermutet ein Geheimnis und findet die Zeit ihres Lebens. Auf eine besondere Art ist diese Figur bemerkenswert. Völlig naiv geht sie an die Sache heran und wundert sich, dass sie manche Dinge nicht wissen kann, überspielt Patzer sehr schlecht und merkt sehr offensichtliche Tatsache nicht einmal. Ich glaube, sie hat mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt, denn ich dachte, sie wäre eine nette, neugierige junge Frau.
Noah ist von Anfang an der sagenumwobene “Held” – das passte gerade so schön. Ich nenne ihn eher eine “tragische Figur”, die für mich fast keinen Reiz entwickelt. Ein Mensch hat immer Geheimnisse, aber an Noah lockte mich nichts, diese zu entdecken.
In der Villa wohnt noch eine resolute Nonne, die in vagen Halbsätzen Wissen vermittelt und ein Koch.
Es ist fast eine verwunschene Villa mit eigenartigen Charakteren, die der Leser antrifft. Es ist eine andere Welt, die Marlene dort antrifft. Sie versucht sich einzufinden, ihr Nicht-Wissen zu verbergen und lernt alles mit anderen Augen kennen – dieser Ausdruck hat bei Irmgard Kramer wirklich eine besondere Verwendung.
Ab in ein fremdes Leben! Ein streunender Koffer, ist immer einen Blick wert. Findet auch Marlene und sie kann gar nicht schnell genug reagieren, als sie mit “Irina” angesprochen wird. Wer ist diese Frau? Was soll sie in der Villa? Und warum gibt es hier keinen Handyempfang?
Über viele Dinge hat sich die Protagonistin gar keine Gedanken gemacht und gerade das, hat mich im Verlauf der Geschichte immer wieder gestört. Viel zu spät erkennt sie, dass der Menschen mal fragen muss, wenn er etwas verstehen will. Sie treibt auf einer Welle der Euphorie nachdem sie Noah sieht und die vielen Geheimnisse muss sie unbedingt entdecken. Vielleicht hatte ich meine Probleme mit dem Buch, weil ich mit der Erzählweise nicht zu recht kam. Mir war das Geschriebene zu hölzern, mir fehlten Emotionen, die ich hätte spüren können. Es gibt wirklich schöne Sätze und als die Villa auftaucht, bin auch ich erst einmal verzaubert. Leider hält dies nicht lange an.
Der Abenteuergedanke, der damit einhergeht jemand anderes zu sein, geht für mich im Laufe des Buches verloren, wenn es immer mehr zu entdecken gibt, Wendungen auftauchen und Geheimnisse gelüftet werden. Damit verschwindet für mich der Kern des Ganzen etwas im Hintergrund, was ich sehr schade finde.
Der rote Koffer wirkte für mich wie eine Verheißung, Marlene macht in schnell zu dem, was er ist: ein Koffer.
Das Cover spiegelt etwas Verlorenes, Sehnsucht aber auch Abenteuer wider. Der rote Koffer kommt sehr schön zur Geltung und auch die verschiedenen Schriften des Titels ergeben etwas besonderes.
Die Idee: “Ich bin jemand anderes und erlebe endlich ein Abenteuer.”, war gut. Leider konnte mich der Schreibstil der Autorin, der mir etwas hölzern vorkam und die Protagonisten, die sehr naiv ist, nicht begeistern.