Altweiber und die Kirche


Altweiber wird der heutige Donnerstag genannt. Aber der Name ist irreführend. Denn heute sind nicht nur alte Frauen auf der Straße. Altweiber ist der Übergang vom Sitzungskarneval zum Straßenkarneval. So wird über den Kölner Altweiber vor 1823 berichtet: „Die Vorfeier des Carnevals begann mit demsogenannten Weiberfastnacht am Donnerstag vor demselben. Dann herrschte dieganz eigentümliche Sitte, daß Frauen und Mädchen sich untereinander die Haubenabrissen, was man Mötzenbestohl nannte. Nachmittags bewegte sich der Bellegeck,eine echt kölnische Maske, mit vielen Schellen behängt, in den Straßen herum.“ Und so manches Treiben am heutigen Donnerstag schlug wohl über die Strenge. Denn Karneval spaltet die Gemüter. Von übereifrigen Befürwortern bis hin zu militanten Gegnern ist die Bandbreite groß. Vieler Orten gibt es über die Karnevalstage das vierzigstündige Gebet. Die verbreitete Annahme ist, daß das vierzigstündige Gebet über die Karnevalstage aus einer Protesthaltung gegen das überzogene Feiern des Faschings entstanden sei. Dabei liegen die Ursprünge dieser Gebetsform in Mailand. 1556 führte der Kapuziner Joseph das Gebet zum Gedächtnis an die Grabesruhe Jesu Christi ein, der vierzig Stunden im Grab ruhte. Von Mailand aus verbreitete sich diese Gebetsform vor allem in Italien und Frankreich. Da das Faschingstreiben zu einem reinen Saufgelage verkommen war, setzte man Mitte des neunzehnten Jahrhunderts das vierzigstündige Gebet ein, um die Menschen in der Tugend zu stärken. Den Ursprung hat also das vierzigstündige Gebet nicht im Karneval.  Dabei hat der Fasching als „Fest der verkehrten Welt“ eine unverrückbare Stellung im christlichen Kalender. Unlösbar ist er mit dem Aschermittwoch und der folgenden Fastenzeit verbunden. Ohne diesen Hintergrund wäre der Fasching gar nicht denkbar. Das närrische Treiben und zahlreiche damit verbundene Faschingsbräuche können sich nachweislich auf das Zweistaatenmodell des hl. Augustinus berufen: Das „Reich Gottes“ (civitas dei) gegenüber dem „Reich Satans“ (civitas diaboli). In einer kurzen Zeit, eben im Fasching, kann das vergängliche „Reich Satans“ sich in aller Flüchtigkeit, Farbigkeit, mit drastischer Übertreibung und Narrenprunk entfalten. So war die Sicht im  Mittelalter. Und dabei konnte der Fasching damals dementsprechend deftiger ausfallen, als wir es uns heute auszudenken wagen. Es gab sogar Päpstliche Empfehlungen, so die von Martin IV. im Jahre 1284. Die Gläubigen sollten „etliche Tage Fastnacht halten und fröhlich sein“. Oder Franziskaner Johann Geiler von Kayserberg (1445-1510), Prediger am Straßburger Münster, meinte im 15. Jahrhundert: „Die Christliche Catholische Kirche erlaubet eine ehrliche recreation und Fröhlichkeit, damit ihre geistliche Kinder desto williger seyn, die heilige Fasten zu halten.“ Und am Collegium Germanicum, dem ältesten Priesterseminar der Welt in Rom, wurde jährlich ein „Narrenkönig“ gewählt. Er führte während des Karnevals das Regiment im Seminar. 1993 empfahl der Münchner Erzbischof, Friedrich Kardinal Wetter, den Fasching als „heitere Revolte gegen niederdrückenden, auslaugenden Streß“. Er verschaffe „gesunden Realismus, damit wir uns nicht wichtiger nehmen, als wir tatsächlich sind“. So lange das Faschingstreiben in einem gesunden Rahmen bleibt, ist dagegen nichts einzuwenden. Und wenn die vielen Karnevalisten die Fastenzeit dann genauso ernst nehmen wie die tollen Tage, dann wären manche Beichtstühle nicht so verstaubt. Zum Karneval hat jeder seine je eigene Sicht, die auch Wandlungen erleben kann, von begeistert bis ablehnend und umgekehrt. Ihn von vorne herein zu verteufeln, wird ihm nicht gerecht. Wer feiern will, sollte es in einem gebührenden Rahmen tun können. Wer überhaupt nichts von Karneval hält, sollte die feiern lassen, die feiern wollen. Gemeinsam sollten wir für alle beten, damit wir uns nicht in einer vergänglichen Fröhlichkeit verlieren, sondern die unvergängliche Freude in Gott finden.

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