Mir gegenüber ist in einem Hinterhof ein Kaufhaus für “GebrauchtWaren”. Getragen wird das Ganze von einer caritativen Vereinigung. Es ist sowas wie ein Second Hand-Laden für alles mögliche. Ich wurde darauf aufmerksam, weil ich eine alte Couch dort abladen konnte, genau wie ein paar Klamotten, die ich nicht mehr getragen habe. Die Sachen werden als Spende entgegen genommen und dann dort verkauft. Ich war froh, dass ich ein wenig alten Ramsch loswerden konnte, und dort freute man sich, dass es wieder was zum Verkaufen gab. Und hoffentlich freut sich auch irgendwer, wenn er meine alte Couch für wenig Geld kaufen kann. Einkaufen kann dort natürlich jeder. Ich schlenderte also, nachdem ich eine Kiste mit Klamotten dort abgeliefert hatte, durch das Haus und sah mir die Auslagen an. Dabei kam ich an einem Regal mit Schuhen vorbei. Ein Paar gefiel mir. Ich probierte die Schuhe an, sie passten. Die Qualität war ausgezeichnet und die Schuhe waren vom Vorbesitzer sicher nicht oft getragen worden. Ich schätzte den Neuwert auf 60 – 80 Euro. Dann drehte ich den Schuh um und sah auf das handgeschriebene Preisschild. Das Paar sollte 8 Euro kosten.
Ich drehte und wendete den Schuh eine Weile. Mir kamen dabei verschiedene Gedanken. Brauche ich den Schuh? Natürlich nicht, ich habe genug Schuhe. Aber er kostet ja fast nichts und ist so gut wie neu. Und das ist jetzt genau der Punkt… könnte ich mir diesen Schuh auch für den Originalpreis kaufen? Natürlich. Würde mir das weh tun? Nein, sicherlich nicht. Einerseits… Aber vielleicht läuft ja irgendwo da draußen eine junge Frau herum, die sich dieses Paar Schuhe nicht für den Neupreis kaufen kann. Vielleicht möchte die auch ein Paar schöner Schuhe haben. Vielleicht kommt die genau fünf Minuten nach mir und freut sich, wenn sie die Schuhe kaufen kann.
Andererseits… ich habe dem Laden gerade Klamotten im Wert von etwa 200 Euro geschenkt, da wird für mich ja ein Paar Schuhe drin sein. Ich hätte die Sachen auch bei Ebay verscherbeln können, dann hätte ich dafür noch etwas Geld bekommen (okay, ich hätte das Zeug zur Post tragen müssen und darauf habe ich normalerweise echt keinen Bock). Auch unterstütze ich durch den Kauf ja das Projekt an sich, und das kann ja nur weiter finanziert werden, wenn auch jemand die Sachen kauft (die Leute, die da arbeiten, kommen ja auch direkt aus der Gosse und nicht vom Arbeitsamt, für die ist das Projekt jetzt DIE Chance zur Rückkehr in die Mitte der Gesellschaft). Und der Laden ist für ALLE da und nicht nur für Bedürftige.
So überlegte ich und überlegte… ich drehte und wendete den Schuh und probierte ihn noch drei mal an. Dann stellte ich ihn ins Regal zurück und ging. Und ich weiß noch immer nicht, ob das für mein Selbstverständnis jetzt richtig oder falsch war.