Altbacken, konventionell und dennoch gelungen: Das Ländle überzeugt mit "Tatort: Preis des Lebens"

Altbacken, konventionell dennoch gelungen: Ländle überzeugt

©ARD

Roland Suso Richter ist ein Mann für die ganz großen Events. Ein Blick auf seine Vita verrät das. „Die Spiegel-Affäre“ verfilmte er, ebenso wagte er sich beispielsweise sehr erfolgreich an die Verfilmung des Terror-Dramas „Mogadischu“. Daher ist es schon ziemlich verwunderlich, dass er sich für einen Tatort aus der Baden-Württembergischen Hauptstadt hergibt. Der Stuttgarter Tatort ist zwar zweifelsohne einer der besseren der Reihe, aber fürs ganz große Event sind sonntagabends eher andere zuständig. Das bewahrheitet sich auch bei „Preis des Lebens“.
Denn die Story ist eigentlich gar nicht so cool, geschweige denn taugt sie für aufregende 90 Minuten Krimi-Unterhaltung. Doch: Glücklicherweise stammt das Buch von Holger Karsten Schmidt, sozusagen der Erfinder des Tatorts mit Richy Müller und Felix Klare und auch ansonsten ein erfahrener Kriminalfilm-Erschaffer. Hinnerk Schönemann schrieb er gleich mehrfach ausgezeichnete Krimikomödien auf den Leib, „12 Winter“ mit Axel Prahl und Jürgen Vogel in den Rollen als zwei Bankräuber bereitet mir noch immer bei jeder Ausstrahlung ein feuchtes Höschen. So weit möchte ich beim neusten Tatort nun nicht unbedingt gehen, aber man merkt: Hier steckt viel Schmidt, ein anderer Suso Richter und altbackenes, aber durchaus gelungenes Handwerk drin.

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©SWR/Alexander Kluge


Der Balanceakt, auf dem sich „Preis des Lebens“ bewegt, ist nicht zu verachten. Er hat nach dem Mord an dem in einer Mülltonne aufgefundenen Ex-Häftling Jörg Albrecht (David Bredin) kaum Verdächtige parat. Der saß 15 Jahre lang im Kittchen wegen einer Vergewaltigung mit Todesfolge an Mareike, der Tochter der Mendts (Michaela Caspar, Robert Hunger-Bühler); sein Wärter wünschte ihm noch, dass er da draußen gut zurecht kommen sollte. Die Mendts passen ihn ab, ermorden ihn alsbald („Sie haben Mareike getötet und drei Leben zerstört“), vorher aber pressen sie aus ihm noch den Namen seines damaligen, nicht verknackten Komplizen heraus...
Die Ermittlungen von Kommissar Sebastian Bootz (Klare) und Thorsten Lannert (Müller) geben sich keine Mühe, auch andere Verdächtige für die Tat in Betracht zu ziehen, der Tatort gibt sich ebenfalls keine Mühe, weitaus mehr Verdächtige oder Personen in den Fall zu integrieren. Sowas ist immer gefährlich. Es kann sich positiv auf den Fall auswirken, wenn der Zuschauer sofort weiß: Die waren's. Das kann auch nach hinten losgehen, vor allem, wenn es eigentlich gar keine alternativen Verdächtigen oder Figuren im Fall gibt. Die Gratwanderung zwischen einem Totalversagen und einem gelungenen Kriminalfilm ist bei solchen Konstellationen immer eine besondere. Aber es funktioniert zumindest diesmal hervorragend.

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Und das, obwohl der Tatort den Kardinalfehler begeht und nach einer guten Dreiviertelstunde einen der beiden Ermittler persönlich in den Fall involviert. Bootz, wie wir schon seit den letzten Fällen wissen, ist frisch getrennt von Frau und Tochter. Seine Tochter Maja (Miriam Joy Jung) wird langsam flügge, darf ein paar Tage beim Vater nächtigen und möchte zum ersten Mal überhaupt Gast einer Übernachtungsparty sein. Sie überredet den Vater mithilfe eines Abendessens, der freut sich wie Bolle darüber – um am nächsten Morgen am Boden zerstört zu sein. Als er sie abholen möchte, haben die Mendts sie entführt, um den mittlerweile von der Polizei dingfest gemachten Albrecht-Komplizen gegen Maja auszutauschen. Leben gegen Leben. Und jetzt fesselt der Film erst recht.

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Denn dann beginnt es im Präsidium zu explodieren. Bootz möchte den Komplizen wirklich mit der Tochter austauschen, Kollege Lannert ist dagegen. Es kommt zum Super-Streit („Es war der größte Fehler, dass ich Thorsten vertraut habe.“) mit bösen gegenseitigen Anfeindungen. Besonders Klare spielt sich dabei um Kopf und Kragen. Die zweite Hälfte ist zwar vorhersehbar, aber gespickt mit vielen Wendungen und atemberaubendem Tempo. Ein Wettlauf um die Zeit beginnt.
Aber auch vorher überzeugt der Streifen. Mit einer langen, erfolglosen Observations-Sequenz, die klar macht: Observationen können auch spannend inszeniert werden, wenn man sich nur Mühe gibt. Überhaupt: Zu Beginn zeigt demonstrativ Lannert an der Ampel seine Waffe, als halbstarke Jugendliche meinen, dort Faxen machen zu müssen. Bootz joggt zeitgleich mit der Tochter durch dichtes Stuttgarts Schneetreiben. Aus dem Off ertönt Madonna. Und wenig später zitiert der Gerichtsmediziner beim Leichenfundort wieder Goethe.

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Das war auch schon im letzten Fall so, auch im Ländle werden die Ermittler-Schicksale wieder aufgegriffen und weitergesponnen. Selbst in jeder noch so kleinen Nebenrolle. Zuletzt hieß es, Stuttgart sei eine hässliche Stadt. Nach „Preis des Lebens“ kann man, trotz aller unspektakulärer Bauteile, konstatieren: Stuttgart ist vielleicht immer noch hässlich, aber dafür langsam Tatort-Champions League. Selbst ohne das ganz große Event.  
BEWERTUNG: 8,5/10Titel: Tatort: Preis des LebensErstausstrahlung: 25.10.2015Genre: KrimiRegisseur: Roland Suso Richter
Darsteller: u.a. Felix Klare, Richy Müller, Robert Hunger-Bühler, Michaela Caspar

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