Alt werden im Westen und anderswo

Von Lesyi

Gestern feierten wir den fünfzigsten Geburtstag einer Bekannten. Eine der Anwesenden beklagte den Umstand, dass sie in wenigen Wochen das gleiche Schicksal ereilen werde. Als ich am gleichen Anlass einem wesentlich jüngeren Mann sagte, ich hätte die 50-er-Grenze schon letztes Jahr überschritten, meinte er, das sähe man mir aber nicht an. Das war wohl als Aufmunterung gedacht, worauf ich ihm folgendes sagte:

Auf der ganzen Welt gibt es nur eine Kultur, die Alter als Problem anschaut, nämlich die westliche. Überall sonst wird das Alter gewürdigt. Je älter, desto besser! Je mehr weisse Haare und je faltiger das Gesicht, desto schöner. Alten Menschen begegnet man mit Respekt, weil sie weise sind, weil man als Jüngerer auf ihren Schultern steht und von dem lebt, was sie aufgebaut und vermittelt haben. Wenn es um die wirklich schwierigen Probleme geht, dann werden die Alten zu Rate gezogen, denn sie haben schätzungsweise etwas Ähnliches auch schon mal erlebt und dabei von den damals Alten gelernt, wie man die Sache löst.

Bei uns dagegen kann man Anti-Aging-Lotions für 300 Franken kaufen und lässt sich mit Botox und Lifting den Anschein von Jugendlichkeit anheften. Man bemüht sich aktiv und intensiv darum, jünger zu scheinen, als man gemüss Geburtsschein ist. Wem macht man da eigentlich etwas vor…?

Es ist mir bewusst, dass das Alter nicht nur Sonnenseiten hat. Mit meinen fünfzig Jahren spüre ich die Jahrringe noch kaum, empfinde mich noch als produktiv und bin gesund. Beides dürfte sich mit der Zeit ändern. Ich hoffe einfach, dass in diesem Bereich meine Selbstwahrnehmung nie allzu weit hinter der Realität / Fremdwahrnehmung hinterherhinkt… Und dass ich (jüngere?) Menschen in meinenm Leben haben, die mir zu sagen wagen, wie alte ich wirklich geworden bin…