Als wir unsterblich waren von Charlotte Roth – Rezension

Als wir unsterblich warenDiese seltsame, wilde, überbordende Zeit!

November 1989. »Willkommen in Westberlin«, dröhnt es aus einem Lautsprecher, als die Ostberliner Studentin Alexandra von der Menschenmenge in die Arme eines jungen Mannes gedrängt wird. Liebe auf den ersten Blick!

Berlin vor dem Ersten Weltkrieg. Die junge und mutige Paula setzt sich leidenschaftlich für Frauen- und Arbeiterrechte ein. Ihre Träume von einer neuen, gerechteren Welt teilt sie mit dem charismatischen Studentenführer Clemens, mit dem sie Seite an Seite kämpft.

Damals, als sie unsterblich waren, beginnt ihre dramatische Geschichte, die auch die Geschichte unseres Landes ist und die Jahrzehnte später Alexandras Welt für immer verändern wird. (Klappentext)

Als wir unsterblich waren … das klingt nach Jugend, nach Träumen, nach Veränderung und nach Liebe. All das habe ich bekommen und noch so viel mehr. Es ist die Geschichte von Paula und Clemens, von der Arbeiterbewegung und dem Aufstieg der Sozialdemokraten, von der Frauenbewegung und von starken Frauen, die so viel aushalten mussten und vom Krieg, der so viel verändert hat.

Ich habe mich schon auf den ersten Seiten verliebt in die Geschichte von Paula, die Charlotte Roth auf ihre ganz eigene Art erzählt. Und diese Art zu erzählen ist es auch, die dieses Buch so besonders macht. Es gibt kaum jemanden, der so viel Atmosphäre schafft, der so schöne Sätze schreibt, die ich mir alle bewahren möchte. Charlotte Roth schreibt die Geschichte von Paula nicht einfach auf. Nein, sie lebt diese Geschichte mit Worten, so lebendig, so nah und macht mich zu einem Teil davon. Sie hat mich abgeholt und mit genommen auf die Reise in eine Zeit, die ich nur aus Erzählungen kenne und die so wichtig ist. Sie hat mich berührt, mich zum Lächeln und zum Weinen gebracht und mich immer wieder aufgefangen. Ich habe mich so wohl gefühlt mit diesem Buch, selbst wenn ich traurige oder schreckliche Dinge gelesen habe.

Der Schreibstil von Charlotte Roth ist so besonders. Sie hat die Atmosphäre im damaligen Berlin genau so gut eingefangen wie zum Zeitpunkt des Mauerfalls. Sie hat Figuren mit Ecken und Kanten geschaffen. Nichts ist rosarot, nichts ist tiefschwarz. Ihre Figuren sind genau so facettenreich wie das, was damals und 1989 passiert ist.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt und diese beiden Ebenen werden auf wunderbare Weise verbunden. Der letzte Satz wird bei jedem Zeitenwechsel zum ersten Satz. Das hat mich jedes mal aufs Neue begeistert und Charlotte Roth festigt damit immer wieder die Verbundenheit zwischen Paula und ihrer Enkelin Alexandra. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Vergangenheit, die Erlebnisse von Alexandra bieten dabei die perfekte Rahmenhandlung. Und am Ende, da läuft dann alles zusammen, was mir eine weitere heftige Gänsehaut beschert hat.

So emotional und so atmosphärisch geschrieben, ich habe mich direkt auf den ersten Seiten in dieses Buch verliebt!

Eine kleine Auswahl meiner Lieblingssätze:

„Wenn man sich in keine Geschichte von anderen Leuten mehr flüchten kann, wird die Stille im Kopf so laut“ (S. 14)

„Ihm hatte sie all ihre Liebe gegeben und weil er ihr nichts davon zurück gab, glich ihr Gesicht einer ausgewrungenen Hülle.“ (S. 114)

„Es höhlte einen Menschen aus, wen er getötet hatte, es machte ihn im Inneren taub und zog alles, was er tat, ins Lächerliche.“ (S. 335)

„Oliver nahm das Leben ernst und lachte dabei über sich selbst“ (S. 401)

„Wir müssen die Zeit gewaltig erschreckt haben, dass sie uns so davon gerannt ist“ (S. 456)

„Als wir unsterblich waren“ ist im Droemer Knaur Verlag erschienen. Vielen Dank für mein Rezensionsexemplar, das mir über Vorablesen zur Verfügung gestellt wurde.

Die Autorin:

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit diesem Roman, der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, hat sie sich einen langgehegten Traum erfüllt. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest. (Quelle: Verlagsseite)

Charlotte Roth ist ein weiteres Pseudonym von Charlotte Lyne und hier geht es zu ihrem wunderbaren Blog.

Interview mit Charlotte Roth zu „Als wir unsterblich waren“

Leseprobe

Meine Rezension bei Amazon und weitere Infos zum Buch findet ihr hier.


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