"Als wir träumten": Krawall und Remmidemmi in der Nachwendezeit

Erstellt am 4. Oktober 2015 von Bandrix @cityofcinema1

©Pandora Film

„Wenn man was Kaputtes kaputt macht, ist das dann Sachbeschädigung?“ Andreas Dresen stellt mal wieder die richtigen Fragen. Auch in seinem aktuellsten Werk „Als wir träumten“ macht er da keine Ausnahme. In den Vordergrund von Clemens Meyers Roman-Verfilmung stellt er diesmal einmal mehr seine Charaktere als die Geschichte.
Es geht um fünf Jugendliche, die kurz nach der Wende in Leipzig aufwachsen. Dresen verfolgt das Leben von Rico (Julius Nitschkoff), dem Boxer, Mark (Joel Basman), dem Junkie, Pitbull (Marcel Heuperman), dem Dealer, Paul (Frederic Haselon), dem Mauerblümchen, und besonders Daniel (Merlin Rose). Letzter ist derjenige, aus dessen Perspektive der Regisseur alles erzählt. Wenn man Dresen jedoch etwas Böses möchte, dann kann man das Ganze getrost ganz kurz zusammenfassen: Eine Jungen-Clique randaliert, trinkt, feiert, nimmt Drogen und bekommt sonst nichts auf die Kette. Keine gänzlich falsche, aber sicherlich dann doch eine dem Werk etwas zu kurz kommende Sichtweise.

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Auf dem Weg ins berühmte Erwachsenwerden erzählt die Geschichte mal abwechselnd aus dem Leben der 13-jährigen Jugendlichen, noch vor der Wende, über vier Jahre hinweg, bis sie fast erwachsen sind. Zu Zeiten der DDR haben sie sich mit reichlich blöden Maßnahmen der Mächtigen auseinanderzusetzen. Wehe, man trägt im Unterricht kein Halstuch. Dann gibt’s zur Folge einen Besuch vorm „Schulgericht“, wo man sich erklären muss.
Nach der Wende haben die Jugendlichen Träume. Rico hätte das Zeug, als Boxer Geld zu verdienen, die Jungs eröffnen eine Underground-Discothek, aber scheitern gnadenlos – einem Haufen Nazis sei Dank. Mit denen legen sie sich fortan an, statt sich um das eigene Leben zu kümmern. Danis Mutter stinkt nach ihren Arbeitstagen nach Fisch, um ihren Sohn eine gute Zukunft zu ermöglichen. Der widerrum wird abends von der Polizei nach Hause gebracht. Zwischendurch schlagen sich die fünf Protagonisten ihre Augen blau und blutig. „Als wir träumten“ hat tatsächlich größtenteils die Tiefe eines Boxkampfes, aber weniger die, die man von einem Andreas Dresen gewohnt ist. Immerhin: Sein berühmter wahrhaftiger Realismus ist auch hier wiederzuerkennen.

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Filmisch bekommt man ebenfalls den üblichen Dresen-Eindruck, mit wummernden Techno-Beats unterlegt unterteilt er die einzelnen Kapitel aus Meyers Buch mit passenden Bildtexten. Besonders seine jungen Darsteller explodieren und bringen Leistungen, die sich gewaschen haben, was man auch im netten und ausführlichen Making-Of schön erkennen kann. Ansonsten langweilt seine diesmal etwas magere Geschichte zu keinem Zeitpunkt und zeigt schön, wie es so ist, in den DDR-Trümmern aufzuwachsen. Vielleicht hatte man damals wirklich bloß Flausen im Kopf? Und im End-Drittel faltet der Streifen das Potenzial seiner Freundschafts-Geschichte dann mit tiefgründigen Momenten endlich aus.

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„Als wir träumten“ ist schlussendlich sehenswertes, modern gemachtes Bewegtbild. Nicht mehr ganz so intensiv wie seine bisherigen Werke, nicht mehr ganz so großes Tennis, aber weiterhin noch überzeugendes Tischtennis. Oder um es mit der eingangs erwähnten Frage zu sagen: Sachbeschädigung an seinem eigenen Tun sind die 117 Minuten keineswegs.  
BEWERTUNG: 7,0/10Titel: Als wir träumtenFSK: ab 12Laufzeit: 117 MinutenGenre: DramaErscheinungsjahr: Deutschland 2015, auf DVD, Blu-Ray & VoD erhältlich seit 18.09.2015Regisseur: Andreas DresenDarsteller: Julius Nitschkoff, Merlin Rose, Joel Basman u.v.m.