Irgendwie spürt man es. Im schattigen Waldstück, wo eine Quelle sprudelt. Hier wohnen die Najaden, die Quellnymphen. Wir Heutigen wissen natürlich: die Griechen haben das erfunden. Sie habe aus ihrer Empfindung eine Person gemacht. Der kühle Hauch, der wiegende Farn, der herbe Duft – da muss doch ein Etwas sein! Also gaben sie dem Etwas einen Namen um darüber sprechen zu können: die Najade.
Nach den Griechen taten es die Römer und Etrusker. Später, im Christentum verlor sich lediglich die Vielfalt. Nun waren es allesamt „Dämonen“. So verwandelte sich der Hirtengott Pan, der mit der Panflöte und den Ziegenfüßen, in den Teufel, der nun Panik verbreitet.
All das glaubt heute natürlich keiner mehr. Wir sind aufgeklärt und wissenschaftlich. Wir brauchen solche Wesen nicht mehr, um die Welt zu verstehen. Aber stimmt das? Vielleicht sind wir Menschen einfach so gestrickt, dass wir auf Schritt und Tritt so tun, als wären wir von Wesen umgeben.
Schauen wir morgens aus dem Fenster, dann sagen wir: «Oh, der Winter ist zurückgekehrt» – als wäre das ein Mann, der römische Wintergott Uller vielleicht. Auf dem Weg zur Arbeit hören wir, der Orkan „Chantal“ hätte die Karibik heimgesucht – also eine Frau. Ein Windgeist wohl? Bei der Arbeit sitzt uns ein schwieriger Auftrag im Nacken. Wer sitzt da im Genick? Ist es eine Art Berggeist, gar der Rübezahl persönlich? Und dann hören wir, dass der Chef unser Projekt abgeschossen hätte. Auf was für ein Wesen hat er geschossen? War das Projekt eine luftige Sylphe?
Wir mögen uns damit verteidigen, dass man das nur so sagt, ein Vergleich sei es. Wir sind überzeugt, dass alles nur blumige Sprache ist, dass wir das keineswegs für echt halten. Aber warum sprechen dann alle so, als würden sie es glauben?
Wir sind auch heute noch bis zum Rand gefüllt mit den Bildern der Urzeit, mit der Welt unserer Ahnen. Und vielleicht, vielleicht gibt es sie ja doch, die Naturgeister, Elementarwesen, Halbgötter und Götterwelten. Dann war unsere Rede gar nicht so falsch.
Bild oben: Quell-Tochter / 45cm x 65cm / Acryl auf Aquarellpapier / 2005, Nr.05-032