ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 673 • 11. April 2015
von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen
Lothar Fischer hat sich als Kunsthistoriker mit kenntnisreichen Monographien über Max Ernst (1969), George Grosz (1976) und Heinrich Zille (1979) sowie mit Büchern über eine der ersten Nackttänzerinnen der 20er Jahre, der Tanzlegende Anita Berber (1899-1928), einen Namen gemacht. Ende Dezember 2014 erschien sein jüngster Berber-Band Ein getanztes Leben, der dem exzessiven Werdegang der Tänzerin, Bühnen- und Filmschauspielerin nachspürt, die so gesehen über ein Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts die Verkörperung des weiblichen Bohèmiens darstellte.
Otto Dix, über den Lothar Fischer 1981 das Buch Ein Malerleben in Deutschland verfasste, malte Anita Berber 1925 komplett nackt in aufreizender Pose und schuf damit ein für seine Zeit stimmiges Sinn-Bild bewusster Konfrontation und Freizügigkeit, die den verklemmten Biedermann (fast) um den so schon inkrustierten Verstand brachte.
Für die ROTKLEE-Protagonisten wäre allein das Grund genug gewesen den Dix-Kenner Lothar Fischer zu einer Lesung einzuladen, gäbe es da nicht noch den die Schreibkünste ergänzenden Akteur, den »Collageur und Arrangeur zwischen Dada und Surrealismus« (Heinz Ohff), der auch als Künstler mit seinen Objekten, den Bildmontagen und Zeichnungen »frisch, unkonventionell, temperamentvoll, zuweilen frech« (Jürgen Beckmann) Aufmerksamkeit bis heute erregt und sich damit in die Liste der aktuellen Ausstellung fügt, wie der passende Deckel auf den Topf der ROTKLEE-Künstler.
Im Circus 2b sind insgesamt fünf Collagen von Lothar Fischer zu sehr moderaten Preisen ausgestellt, eine Federzeichnung »Momente der Lust« aus dem frühen Jahr 1968 sowie eine Assemblage von 2003, die mit der doppelbödigen Bezeichnung »Garten der Lüste / Le Violiniste« aufwartet, in der diverse Materialfunde zu einem surrealen Kabinettstück mutieren.
Lothar Fischer, so Helen Adkins 1994, »beschreitet immer neue Wege, um – wie er selbst sagt – seine Position zwischen Tageslicht und Dunkel zu definieren. Das Material, das Gegenständliche, der Bezug zur realen Welt stehen oft in kontrastierendem Zusammenhang mit der Harmonie und der Lyrik des Traumes.«
Dieses aufregende Zusammenspiel kann man im Atelier ROTKLEE bis zum 25. Mai sehen und durchaus lus(s)tvoll weiter träumen. ARTus
Der Berliner Lothar Fischer (*1932) ist noch bis zum 25. Mai Gastkünstler der Ausstellung »LUSST« in Putbus.
Zeichnung: ARTus