Als Elvis in die Jahre kam

Als ich hörte, dass die hessischen Grünen mit Bouffier ins Bett steigen wollen, habe ich mich zunächst aufgeregt. Die Grünen wollten ja eigentlich den Wechsel. So stand es auf vielen Wahlplakaten. Nach einer Weile habe ich mir gedacht: Was ist denn schon passiert? Dieses Arrangement mag zwar für Spötter lustig sein, aber eine Zäsur ist es ganz sicher nicht.
Als Elvis in die Jahre kamDer grüne Landesverband in Hessen hat ja immer schon suspekte Gestalten in seinen Reihen gehabt. An oberster Stelle Joschka Fischer oder Otto Schily. Tarek Al-Wazir ist nur die Fortführung dieser Realos mit geschmeidigeren Mitteln. Besonders im hessischen Teil der Partei wurde der historische Richtungsstreit zwischen Fundis und Realos ausgetragen. Seitdem die Ökosozialisten ausgemerzt wurden, gelten die hessischen Grünen als Hochburg des Realotums.

Jutta Ditfurth schrieb mal, dass die hessischen Grünen der Achtzigerjahre die linke Bastion der Gesamtpartei waren. Im Norden funkten teilweise rechtslastige Naturburschen in die Partei. Und in Baden-Württemberg schimmerte schon der KuK-Konservatismus (Kretschmann und Kuhn) durch. Aber in Hessen wollte man den linken Kurs aufrechterhalten. Bis man eben gegen die Realos verlor. Die hessischen Grünen waren also immer extrem zur Gesamtpartei gestellt, entweder linker oder rechter als die allgemeine Tendenz. Sagt das etwas über die hessische Mentalität aus?
Oder aber man wirkte ins Bundespolitische hinein. So wie es der Fischer-Clan von Mitte der Neunziger bis Mitte der Zweitausender tat. Man trug frech den Karrierismus und die seichte Inhaltslosigkeit als Programm voran und diente sich so als leicht zu befriedigender Koalitionspartner der Sozialdemokratie an. Spätestens seit 1998 ist die Bundespartei aus dem Hessischen heraus so sehr dem Mainstream angepasst, dass sie jederzeit als Alternative und Mehrheitsbeschaffer für den Konservatismus vorstellbar wurde.
Natürlich schimpfen nun die Leute. Sie befinden das für unglaubwürdig, dass die Grünen in Hessen mit der Union koalieren wollen. Aber das ist keine Sensation. Ist nur konsequent und liegt ganz im Wesen dieses Landesverbandes, dessen Opportunismus der gesamten Partei im Land trauriges Beispiel stand. Aus irgendeiner alten Achtziger-Romantik heraus glauben die Menschen, diese Partei sei eine Art soziales und ökologisches Gewissen. Das ist wie mit dem späten Elvis, den man immer noch als King of Rock 'n' Roll ankündigte, obgleich er nur noch Schmonzetten trällerte. Trotzdem verband man ihn auf immer und ewig mit dem Rock 'n' Roll. Doch nur der frühe Elvis machte in Hound Dog sexuelle Anspielungen. Später sang er brav und angepasst: "And you're always there to lend a hand/ In everything I doooo!" Er war nicht mehr derselbe.

Ich habe sogar von jemanden gehört, dass er glaube, diese Liebschaft zwischen Bouffier und den Grünen würde letzteren bei der nächsten Landtagswahl alle Sitze kosten. Und in meiner Empörung, so kurz nach Bekanntwerden des Koalitionsvorhabens, schrieb ich andernorts, dass die Grünen in vier Jahren dafür Scheiße fressen würden. Alles Quatsch! Nichts wird passieren. Die Grünen haben keinen Tabubruch begangen. Ein Begriff, den man diesbezüglich derzeit oft liest. Nach Hartz IV und der Absegnung von Kriegseinsätzen im Ausland, die sie im Bund mittrugen, ist die Stützung des reaktionärsten Landesverbandes der CDU nur konsequent. Nach allem, was man unter Schröder mittrug, kann man jetzt auch mal die Anrainer des Frankfurter Flughafens verraten und für Wohlstand und Wachstum auch mal den Fluglärm tolerieren, ohne gleich unglaubwürdig zu werden.
Nein, gar nichts wird passieren. Dass eine konservative Partei voller Karrieristen und Opportunisten mit einer anderen konservativen Partei voller Karrieristen und Opportunisten anbändelt, die überdies Posten in Aussicht stellt, ist das normalste von der Demokratie. Einige Wähler werden sie bei der nächsten Landtagswahl abstrafen, andere Wähler belohnen. Man sollte endlich aufhören, die Grünen als eine Partei anzusehen, die sie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr sind. Elvis war letztlich auch nur ein Schmusesänger, der zufällig eine rockige Vergangenheit hatte.
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