Als Buddha mit Rassisten sprach…

Von Rangdroldorje

Rassismus und Buddhismus - geht das überhaupt zusammen? Grundsätzlich ist Rassismus eine Gesinnung, die Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale - z.B. Abstammung, Hautfarbe, Körpergröße, Sprache etc. - als „Rasse" benennt und gleichzeitig bewertet. Manchmal werden auch noch bestimmte kulturelle Merkmale und Bräuche herangezogen und als bestimmende Faktoren festgeschrieben. Rassisten betrachten alle Menschen, die ihnen ähnlich sind, als hochwertig und jene anderen, die sie von sich unterscheiden, als minderwertig. Rassismus braucht distanzierende Differenz, Wertung und Verallgemeinerung. Wie der französische Soziologe Albert Memmi schreibt:

Ein beliebtes Konstrukt für Rassismus rankt sich um helle Hautfarbe, Reinheit und einem Mythos von erhabener Geburt oder Abstammung. Wichtig für das Funktionieren von Rassismus ist, dass dieses Konstrukt als „inhärent existent" verstanden wird, und wodurch Vorherrschaft und Unterdrückung erklärt und als unverrückbar definiert werden.

Obwohl der Rassismus vom 18. bis zum 20. Jhdt. eine Hochblüte in Europa erlebte, die in Konstrukten einer „völkischen Bewegung" und „Herrenrasse" gipfelten, gibt es ihn auch heute noch und gab es ihn auch auf anderen Kontinenten. In Indien, China und Japan kennt man auch lange rassistische Traditionen. Besonders in Indien mit seinen Kasten und den Unberührbaren ist ein klassisches Beispiel für Rassismus. Soweit nun die Theorie. Da es das Kastenschema schon zu Buddhas Zeit gab, betrachten wir nun, wie er damit umging.

Buddha selbst stammte als Königssohn aus der Kaste der Kshatriyas - der Krieger. Neben den Brahmanen waren die Kshatriyas als herrschaftssichernde Klasse federführend. Indem der Prinz Siddhartha sein königliches Leben aufgab, trat er auch aus diesem System aus. Dennoch musste er sich immer wieder mit allen möglichen Kasten und gesellschaftlichen Klassen auseinandersetzen, insbesondere den Brahmanen, die direkte Mitbewerber am spirituellen Sektor waren. Im Assalayana Sutta - einer Schrift aus dem Pali-Kanon - finden wir eine interessante Herausforderung einiger Brahmanen.

Die Rahmenhandlung bildet der Aufenthalt des Buddha im Jeta-Hain bei Sravasti. Dort hatte der Laienanhänger Anathapindika ihm ein ausgedehntes Grundstück zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig waren zu dieser Zeit 500 Brahmanen aus verschiedenen Gegenden in Sravasti und waren an einem religiösen Disput interessiert, da sie es nicht hinnehmen mochten, dass Buddha die Befreiung für alle vier Kasten - Priester, Krieger, Händler und Handwerker - und sogar für die Unberührbaren lehrte. Also sandten sie den jungen Brahmanen Assalayana aus, um Buddha herauszufordern. Assalayana war in allen Wissensgebieten äußerst bewandert. Dieser lehnte zunächst dreimal ab, aber dann willigte er ein und begann das Streitgespräch mit dem Buddha.

Assalayana eröffente das Streitgespräch mit dem Hinweis darauf, dass Brahmanen die höchste Kaste seien und alle anderen niedriger. Brahmanen seien hellhäutig, während andere dunkelhäutig sind. Daher seien Brahmanen rein, andere hingegen nicht. Da sie Söhne Brahmas seien, aus seinem Mund geboren seien, schließt er, dass sie eben die höchsten wären.

Daraufhin erwiderte der Buddha:

Assalayana kann es nicht ganz glauben und wiederholt seine Aussage. Der Buddha verweist dann auf die Griechen und Perser - hier als Yona und Kamboja bezeichnet.

„Hast du gehört, dass es in Yona und Kamboja und in anderen entlegenen Ländern nur zwei Kasten gibt, Herren und Sklaven, und dass Herren zu Sklaven werden und Sklaven zu Herren?" [...]
Welches Argument stärkt dann den Brahmanen den Rücken, oder welche Autorität gibt ihnen Recht, wenn sie sagen: ‚Brahmanen sind die höchste Kaste, die Angehörigen anderer Kasten sind von niedrigerem Stand; Brahmanen sind die hellhäutigste Kaste, die Angehörigen anderer Kasten sind dunkel; nur Brahmanen sind rein, Nicht-Brahmanen sind es nicht; allein die Brahmanen sind die Söhne von Brahma, die Abkömmlinge von Brahma, aus seinem Mund geboren, von Brahma geboren, von Brahma erschaffen, Erben von Brahma?"
Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung; M. 93. Assalayana Sutta

Der Brahmane Assalayana wiederholt daraufhin nur noch ein drittes Mal seine erste Aussage, dass die Brahmanen die überlegene Kaste wären, weil sie hellhäutig, rein und Söhne Brahmas wären.

Buddha fragt nun Assalayana, was mit einem Adeligen (skt., arya; edel, rein) - hier als Hinweis auf die Kaste der Kshatriya verwendet - ist, der Lebewesen tötet, nimmt, was ihm nicht gegeben wurde, Fehlverhalten in Sinnesvergnügungen ausübt, der falsche Rede führt, gehässig redet, grobe Worte verwendet, geschwätzig ist, der habgierig ist, dessen Geist voller Übelwollen und falscher Ansichten ist. Hier erkennen wir, dass Buddha die zehn unheilsamen Handlungen als Maß heranzieht und im Hinterkopf das Wissen um „Handlungen, aber keinen Handelnden" mit spielt. Er führt den Bogen nun weiter, was mit diesem Menschen von adeligem Stand beim Sterben wohl geschehen würde.

Sein Diskussionspartner Assalayana bestätigt, dass auch Brahmanen dasselbe Schicksal aufgrund derselben Handlungen erleiden würden wie der Adelige. Sogar Händler und Arbeiter würden dasselbe Schicksal erleiden und an einem unglücklichen Bestimmungsort erscheinen.

Auf die Frage, welches Argument den Brahmanen den Rücken stärkt oder ihnen Autorität gibt, sich als überlegen zu fühlen, kann Assalayana nur seine zuvor getätigte Behauptung wiederholen und verweist wieder auf hellhäutig, rein und den Geburtsmythos.

Im nächsten Schritt spricht Buddha nun davon, was geschehen würde, wenn...

Wie man sieht, spricht er nun von den zehn heilsamen Handlungen. Und wieder stimmt Assalayana zu, dass ausnahmslos alle - egal ob Brahmane, Adeliger, Händler oder Arbeiter - in die himmlische Welt eingehen würden.

Da Assalayana auch hier kein Argument für die Überlegenheit der Brahmanen hat, fährt Buddha nun mit der Geisteshaltung fort.

Mittlerweile ist es absehbar, dass Assalayana auch hier kein Argument einfällt und eingesteht, dass alle dazu fähig sind.

Assalayana kann nur seine Behauptung der White Supremacy ein weiteres Mal wiederholen und wird in einer weiteren Überlegung von Buddha befragt:

Auch hier muss Assalayana eingestehen, dass sowohl Brahmanen, wie auch Adelige, Händler oder Arbeiter dazu fähig sind. Nun beginnt Buddha den Boten der Argumentation noch weiter zu spannen und bezieht die Unberührbaren ein.

„Angenommen, ein kopfgesalbter adeliger König würde hundert Männer von unterschiedlicher Geburt versammeln und zu ihnen sagen: ‚Kommt, meine Herren, all jene, die in eine adelige Familie oder eine brahmanische Familie oder eine königliche Familie geboren wurden, sollen einen Reibestock aus Sala-Holz, Salaḷa-Holz, Sandel-Holz oder aus dem Holz des Granatapfelbaums nehmen und damit ein Feuer entfachen und Hitze hervorbringen. Und all jene, die in eine Familie von Unberührbaren geboren wurden, eine Familie von Fallenstellern, eine Familie von Korbflechtern, eine Familie von Stellmachern oder eine Familie von Straßenkehrern, sollen einen Reibestock nehmen, der aus dem Holz von einem Wassernapf für Hunde, einem Schweinetrog, einem Abfalleimer oder aus Rizinusöl-Holz hergestellt wurde und damit ein Feuer entfachen und Hitze hervorbringen.'
[...] Wenn von jemandem aus der ersten Gruppe ein Feuer entfacht und Hitze hervorgebracht wird, würde jenes Feuer eine Flamme haben, Farbe und Schein, und wäre es möglich, es für Zwecke zu verwenden, für die Feuer geeignet ist, dagegen, wenn von jemandem aus der zweiten Gruppe ein Feuer entfacht und Hitze hervorgebracht wird, würde jenes Feuer keine Flamme haben, keine Farbe und keinen Schein, und wäre es nicht möglich, es für Zwecke zu verwenden, für die Feuer geeignet ist?
Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung; M. 93. Assalayana Sutta

Nachdem es zwischen den verschiedenen Kasten [und Rassen] auf der Ebene von Handlung und Geisteshaltung keinen Unterschied gibt, fragt der Buddha nun auf der Ebene der Herkunft weiter. Was wäre also, wenn ein brahmanischer Jugendlicher mit einem adligen Mädchen verkehren und ein Kind zeugen würde? Wäre das Kind nun von adeliger Abstammung oder von brahmanischer Herkunft? Da Assalayana das Kind als beiden zugehörig bezeichnet, nimmt der Buddha das Beispiel von Pferd und Esel. Wäre das Fohlen nun ein Pferd oder ein Esel? Assalayana bezeichnet es als Maultier und sieht es weder einem Pferd, noch einem Esel zugehörig.

Dann nimmt Buddha Bezug auf das Begräbniszeremoniell und wem zuerst zu essen gegeben wird.

Woraufhin Assalayana meint:

Weiterführend behandelt Buddha noch das Beispiel über die Sittlichkeit. Auch hier stimmt ihm Assalayana zu, dass jene Person, die sich sittlich verhält, der anderen überlegen ist - egal wie klug oder fleißig jemand ist.

Nun fasst der Buddha zusammen:

Zuerst, Assalayana, hast du einen Standpunkt eingenommen, der auf Abstammung beruht, und danach hast du einen Standpunkt eingenommen, der auf Schriftgelehrtentum beruht, und danach bist du dazu übergegangen, einen Standpunkt einzunehmen, der auf genau der Grundlage beruht, nach der Läuterung für alle vier Kasten existiert, so wie ich sie beschreibe. Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung; M. 93. Assalayana Sutta

Angesichts dieser Zusammenfassung ist Assalayana sprachlos. Im Anschluss erzählt der Buddha eine Geschichte von sieben brahmanischen Sehern und dem Rishi Devala.

Devala und die sieben Brahmanen

Diese sieben brahmanischen Seher vertraten denselben Standpunkt wie Assalayana und der Rishi Devala konfrontierte sie damit. Sie verfluchten ihn mit den Worten: „Werde zu Asche, Abscheulicher!" Doch egal wie sehr sie sich anstrengten, der Rishi Devala wurde umso anmutiger, schöner und stattlicher. Die Seher waren deshalb über ihre Praxis entmutigt. Der Rishi Devala sprach ihnen Mut zu und meinte, dass ihre Askese, ihr heiliges Leben nicht fruchtlos wäre. Doch sollten sie ihren Hass gegenüber ihn aufgeben und darüber nachdenken, ob ihre Mütter immer nur mit Brahmanen verkehrte oder nicht doch auch mit Nicht-Brahmanen. Sie sollten darüber nachdenken, ob ihre Väter immer mit Brahmaninnen verkehrten oder nicht doch auch mit Nicht-Brahmaninnen.

Auf die Frage, wie Empfängnis zustande kommt, antworten die Seher, dass die Vereinigung von Mutter und Vater, und die Mutter hat ihre fruchtbaren Tage, und das Wesen, das wiedergeboren wird, zusammentreffen müssen. Die Seher wissen jedoch nicht mit Sicherheit, ob das wiedergeborene Wesen ein Adeliger, ein Brahmane, ein Händler oder ein Arbeiter ist und sie müssen eingestehen, dass sie deshalb auch nicht wissen, was sie wirklich sind.

Nachdem Assalayana einsah, dass weder die brahmanischen Seher - denen er nicht einmal das Wasser reichen konnte - ihre Weiße Rassenherrschaft zweifelsfrei belegen konnten, noch seine Lehrmeinungen den Fragen des Buddha standhielten, rief er folgende Worte aus:

Schlussfolgerung

Wie man sieht, sind Buddhismus und Rassismus nicht miteinander vereinbar. Robe, Titel, Herkunft oder Aussehen machen einen weder zu einem Feindbezwinger (Arhat), noch zu einem „Kind der Siegreichen". Anhand der Gesichte von Devala und den sieben brahmanischen Sehern ist ersichtlich, dass Rassismus ein Konstrukt ist, bei dem der andere als Projektionsfläche für den eigenen Hass dient.

Daher aus den 37 Übungen der Bodhisattvas von Togme Zangpo:

Solange ihr euren inneren Feind, den Hass, nicht überwunden habt, werden sich eure äußeren Feinde - auch wenn ihr sie besiegt - immer wieder erheben. Zähmt daher euren Charakter mit der ganzen Macht von Liebe und Mitgefühl! So üben Bodhisattvas sich! 37 Übungen der Bodhisattvas; Vers 20.

Dies ist allen jenen gewidmet, die am Geistesgift Hass leiden und dies aufgrund seiner Unerträglichkeit im Ichwahn auf andere projizieren. Mögen sie alle Erscheinungen als ungetrennt von ihrem Geist erkennen! Nachdem das Antlitz der spiegelgleichen Weisheit offenbar wurde, möge der ungehinderte Ausdruck ihres Geistes zu einem unaufhörlichen Strom an Liebe und Mitgefühl für ausnahmslos alle fühlenden Wesen werden! Mögen sie in diesem Leben einen Lehrer und in diesem Augenblick Befreiung erlangen!

Vom Ngak'chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus). Möge es nützlich sein! Sarwa Mangalam!