Meine Tochter sitzt in meinem Büro, hat alle Stifte aus meiner Schreibtischschublade vereinnahmt, den Klammeraffen leer geklammert und nicht etwa ein Kita-Streik ist daran schuld. Unsere heutige vierstündige Bürogemeinschaft ist das Ergebnis beständiger Nachfragen meiner Fünfjährigen, wann sie denn endlich mal wieder gucken dürfte, was Mama „auf der Arbeit“ eigentlich so macht.
Schon lange lag sie mir mit einem Tag bei Mama im Büro in den Ohren und wir fanden schließlich einen Kompromiss: Ich hole sie in meiner Pause als „Mittagskind“ aus dem Kindergarten und sie darf am Nachmittag meine Kollegin sein.
Ein Besuch bei Mama im Büro. Wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen, die Freude meiner Tochter wäre nicht größer gewesen.
Der Mama-Büro-Tag ist da! Sie packt am Morgen ihren Rucksack mit allerlei Utensilien, als gelte es, eine unerforschte Höhle zu entdecken. Auf dem Weg in den Kindergarten geht sie mit mir noch einmal den Ablauf durch und vergewissert sich, dass sie sich die U-Bahn-Stationen, an denen wir ein- und aussteigen, auch richtig gemerkt hat. Außerdem muss ich ihr noch einmal bestätigen, dass sie all meine Büroutensilien inklusive Locher und Klammeraffe benutzen darf. Sie wäre sonst womöglich auf dem Absatz umgekehrt, um auch diese Dinge noch in ihren Rucksack zu packen. Die letzten Meter zum Kindergarten legt sie hüpfend zurück, so wie auch den Weg zu U-Bahn, als ich sie dann nach dem Mittagessen abhole.
Ist mein Beruf so aufregend? Wohl eher nicht. Von meinem Dasein als Pressereferentin weiß sie, dass ich viel am Computer schreiben und telefonieren muss und manchmal erwachsenen Menschen erkläre, was meine Tochter längst weiß – dass Spielen nämlich schlau macht. Ich trage normale Klamotten und fahre auch kein besonders auffälliges Auto, das macht zum Beispiel Angestellte der städtischen Müllabfuhr und Polizistinnen als berufliches Vorbild deutlich attraktiver als mich.
Tatsächlich bin ich für meine Fünfjährige als berufstätige Mutter quasi unsichtbar. Im Normalfall sieht sie mich nur außerhalb meiner Arbeitszeit.
Ich möchte aber für meine Kinder nicht in einem schwarzen Loch namens „Berufstätigkeit“ verschwinden, während sie im Kindergarten und in der Schule sind. Das ist natürlich mein ganz persönlicher Wunsch, denn meiner Tochter reicht es schon, wenn sie ab uns zu einen Nachmittag lang am leeren Schreibtisch meiner Kollegin Platz nehmen kann, weil diese gerade im Urlaub ist. Sie wird dann ihre Zeit mit Malen, Schneiden, Kleben, Kopieren und Stempeln verbringen oder in Rezensionsexemplaren von Kinderbüchern blättern, die für den monatlichen Vorlesetipp im Regal stehen.
Es wird sicher nichts daran ändern, dass alle Berufsbilder, die das Tragen von Arbeitskleidung erfordern, immer noch sehr attraktiv für sie sind. Und sie wird weiterhin über meine Arbeit sagen, dass es irgendwas mit Telefonieren, Tippen und Drucken zu tun hat.