Heute war also der Tag der Tage. Wir waren voller Erwartungen und jetzt war es soweit, der erste Tritt in die Pedale.
Die erste Etappe verläuft von Oberstdorf bis nach St. Anton, Das bedeutete 54 km, wobei der höchste Punkt auf fast 1.800 m lag, dem Flexenpass (auf 1.773 m).
Bei einem unglaublich wolkenlosen Himmel sattelten wir die Bikes zum Start. Wir kontrollierten noch mal, ob wir auch alles dabei hatten, der Rucksack richtig sitzt und die Fahrräder in Ordnung waren. Ja, alles klar. Unser Anreisegepäck steht beim Hotelchef in Verwahrung, bis wir wieder zurück sind, zusammen mit dem Autoschlüssel – Vertrauen ist hier alles. Unser Zielgepäck war auf dem Postweg nach Italien und würde uns – hoffentlich – in 6 Tagen am Ziel erreichen.
Dann sind wir unterwegs. Hoch motiviert, wie wir nun mal waren, liefen die ersten Kilometer ganz einfach. Wir fuhren noch mal in den Ort hinein bis zu den Skiflugschanzen und folgten ab da einem Radwanderweg, direkt an der Stillach entlang. Es waren meist gut befestigte Wege, denen wir folgten, Schotterwege und Mountainbike – Wanderwege.
In der Vorbereitungszeit hatten wir immer Informationen, Bilder und Berichte zu markanten Stellen auf dieser Tour gesucht. Neben dem bekannten Stilfzer Joch und seinen Serpentinen sind wir natürlich auch auf den Schrofenpass mit seiner berühmt berüchtigten ALU-Leiter gestoßen. Ein schmaler Steg, der über einen tiefen Abgrund führt. Gefährlich und unwegsam, so die Erzählungen. Der Schrofenpass steht heute auf dem Programm und ist direkt zu Beginn dieser Etappe zu bezwingen. Bis dahin galt es aber noch ein paar Höhenmeter zu bewältigen. Da der Einstieg relativ leicht zu fahren war, konnten wir uns wunderbar warm fahren, und der Rücken durfte sich an die zusätzliche Last gewöhnen. Nicht, dass wir das nicht im Vorfeld trainiert hatten, aber in der Realität sieht es dann oft anders aus. Dieser leichte Einstieg ließ uns doch glatt für kurze Zeit vergessen, dass es in den Alpen doch manchmal bergauf geht. Die erste Steigung, und damit auch die erste Zurechtweisung, ließ nicht lange auf sich warten. Der Anstieg zum Schrofenpass wurde mit einem Mal so steil, dass ein Fahren nur noch in der kleinsten Übersetzung möglich war. Ich konnte mich nicht erinnern, je eine solche Steigung raufgefahren zu sein. Natürlich war das weder die letzte noch die steilste. Dieser Weg, der noch PKW-Breite hatte, endete irgendwann an einer kleinen Holzhütte, an der, man glaubt es kaum, auch ein Auto stand. Von hier aus wurde es dann schmaler und der Fahrweg war nicht mehr breiter als ein Trampelpfad, der begann, sich in endlosen Windungen den Berg raufzuschlängeln. Irgendwo da oben auf dem zerklüfteten Berg lag der Pass. Wir merkten schon bald, dass wir uns der Baumgrenze näherten, denn die Vegetation nahm merklich ab. Irgendwann war der Punkt gekommen, an dem ein Fahren auch nicht mehr möglich war. Aus dem Trampelpfad wurde ein Geröllweg, der zur Seite auch nicht befestigt war.
Das bedeutete, wir steigen ab und schieben. Aus dem Schieben wurde schnell ein Tragen, denn der Geröllweg sah jetzt aus, als ob hier im Frühjahr das Schmelzwasser ins Tal gestürzt war.
Diesen ersten Pass zu bezwingen schien, als erster Eindruck, schon sehr anstrengend und ließ nur erahnen, was noch alles auf uns zukommen sollte. In der Sonne lief uns der Schweiß in Bächen das Gesicht herunter. Ausreichend Wasser und / oder isotonische Getränke waren bei diesen heißen Temperaturen ein absolutes Muss.
Die Sonne, die Berge und diese Tour entschädigten uns aber an jeder Ecke und hinter jeder Kurve für die Strapazen. Es war so unglaublich befreiend. Der Alltagsstress machte dem Gefühl von Freiheit Platz und wir fühlten uns in dieser Umgebung einfach nur wohl. So steil und auch so anstrengend es war, einen Pass zu überwinden, nachher oben zu stehen, war ein absoluter Triumph. Der Blick zurück auf den Weg, den man gekommen ist, die Tatsache, dass wir es geschafft hatten und jetzt ganz oben standen, machten uns stolz. Auf dem Schrofenpass war es ganz still, nur Naturerlebnis, diese Aussicht und ein kurzes Innehalten, bevor es weiter ging.
Die Abfahrt begann zwar wieder mit einer Trageetappe, wurde aber später zunehmend besser befahrbar, bis sie dann doch auf Wegen und letztlich Straßen endete.
In dem kleinen Ort „Warth“ war Pause … oh man, wir hatten unseren ersten Pass geschafft. Was für ein Erfolgserlebnis. Die weitere Route führte über den Ort „Lesch“ nach St. Anton. Auf diesem Weg sollte es noch einige Abfahrten geben, aber auch noch 2 Pässe. Einer davon war der Flexenpass, mit seinen 1.773 m der höchste Punkt der heutigen Etappe.
Wenn es irgendwie gegangen wäre, hätte ich an jeder Ecke und an jeder Kehre anhalten und ein Foto gemacht, so beeindruckend war diese Landschaft.
Die letzten km nach St. Anton liefen dann ganz einfach, das Schlimmste war geschafft. Diesem Ort ergeht es scheinbar ähnlich wie Oberstdorf. Im Winter bekommt man hier kein Zimmer mehr, im Sommer dagegen hat man schon fast freie Auswahl. Wir mieteten uns also in einer kleinen Pension ein.
Die imposanten Eindrücke diese Tages waren kaum in Worte zu fassen, genauso wenig das Gefühl, ganz oben gestanden zu haben, aus eigener Kraft. Die Alpen hielten also, was sie uns versprochen hatten.
Wir fühlten uns gut, alle drei. Heute war der erste Fahrtag und der Anspruch an unsere Kraft und Kondition war schon recht ordentlichen, aber morgen, spätestens übermorgen würde es richtig schwer werden. Der dritte Fahrtag versprach uns 2.500 Hm.
Aber das würde noch früh genug kommen. Dieser erste Abend gehörte uns und wir feierten ihn hier in St. Anton am Arlberg, einem der bekanntesten Wintersportorte in den österreichischen Alpen und unserem ersten Etappenziel.
Kommende Woche werden wir über den zweiten Fahrtag berichten, die zweite Etappe…
Lesen Sie hier, wie alles begann.
Lesen Sie über die Vorbereitung.
Lesen Sie hier über unsere ersten Eindrücke.