Alltagsausbruch als Geschenk

Von Geradine @GeradineMcC

Einmal einfach aus dem Alltag ausbrechen, das “richtige Leben” hinter sich lassen und etwas ganz anderes machen. Einmal weg von dem ganzen Muss und Soll und einfach in das Kann und Will eintauchen. Die meisten Menschen verbinden diesen Gedanken mit einem kompletten Ausruch, mit einer Weltreise, mit dem Verkauf allen Eigentums und dem Umzug in ein anderes Land. Es gibt so viele Blogs und Berichte im Internet von Menschen, die diesen Schritt gewagt haben – viele nach dem Studium oder kurz vor einem Jobwechsel, einige wenige auch mittendrin. Ich glaube, viele von uns, sicher viel mehr als wir denken, sehnen sich nach einem solchen Ausbruch, nach der großen Veränderung, nach etwas Neuem. Den eigentlichen ersten Schritt zu machen, wagen aber die wenigsten, dafür ist uns die emotionale und materiale Sicherheit einfach zu wichtig. Wir haben alle zu große Angst vor dieser möglichen Entscheidung, die ja eigentlich eine große Chance ist. Gesellschaftliche und persönliche, anerzogene Paradigmen halten uns davon ab, einfach auszubrechen. Sie halten uns vor dem großen Ausbruch ab. Aber wir können immerhin einen kleinen Ausbruch wagen. Und der Camino ist die ideale Wahl dafür.

In der vergangenen Woche habe ich das Blog von Elissa von SometimesSheTravels.com entdeckt und habe es sehr genossen, die Einträge zu ihrem Camino 2014 und ihre Gedanken zu dieser Reise zu lesen. Sie hat zudem Mitpilger in Gastbeiträgen zu Wort kommen lassen, interessant fand ich vor allem den Text zur Frage “What is real life?” – ist der Camino wirklich unser Ausbruch aus dem richtigen Leben, oder ist unser Leben auf dem Camino das eigentlich richtige? Die Frage ist ja, was sich mehr nach Leben anfühlt: der Alltag, der aus Aufwachen, Essen, Arbeiten, Stress und dem Bewegen in eingefahrenen Kreisen, Essen, Schlafen besteht – oder der Rhythmus des Caminos, der aus Aufwachen, Essen, einem Schritt nach dem nächsten, dem Zugehen auf andere Menschen und auf uns selbst, Essen und Schlafen besteht? In welchem Kreislauf fühlen wir uns wohler und vor allem lebendiger?

Die Frage, weshalb der eine oder der andere auf dem Camino unterwegs ist, lässt sich nicht pauschalisiert beantworten. Die Frage wird tatsächlich auch gar nicht so oft, vor allem nicht so schnell auf dem Camino gestellt. Die Antwort ist oft eben eine überaus persönliche und in den meisten Fällen mit vielen starken Emotionen verbunden. Auch wenn man sicher sein kann, auf dem Camino zum Großteil Menschen des gleichen Schlags, zumindest aber mit der gleichen Wellenlänge zu treffen, sind die Beweggründe für den Weg unterschiedlich: Sportliches Beweisen, Abnehmen und Fitter werden, Buße tun, als Versprechen einem anderen Menschen gegenüber, als Versprechen Gott gegenüber, auf der Suche nach Gott, auf der Suche nach sich selbst, als Trauerbewältigung, als Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt oder vielleicht einfach nur so…

Und da hat Yeni in ihrem Gastbeitrag ganz recht: die Frage nach dem “Warum” wird nicht einfach so gestellt, sondern wohl überlegt und oft erst nach einigen gemeinsamen Abenden oder geteilten Kaffees. Manchmal dann aber doch viel früher, wie ich es mit dem alten Franzosen erfahren habe, mit dem ich in Nájera ein schlechtes Abendessen teile und der mich währenddessen fragte, auf welcher Suche ich sei – eine Frage, die zu beantworten ich nicht imstande war. Und die mich auch Tage danach noch beschäftigt hat.

Letztendlich ist aber jeder Camino, ganz gleich ob 10 Tage oder 4 Monate, ein Ausbruch, eine einzigartige Reise und schenkt uns Momente, Erfahrungen und Emotionen, die in unserem Alltag so nicht stattfinden können.

Diese zu erfahren und zu fühlen, ist wie ein Urlaub.
Ein Wellness-Urlaub für die Seele.

Kennt ihr schon meine Info-Beiträge zur Camino-Vorbereitung?

  1. Vorbereitung auf den Jakobsweg: Die Ausrüstung.
  2. Vorbereitung auf den Jakobsweg: Das Training.
  3. Vorbereitung auf den Jakobsweg: Die Planung und der Kopf.

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