Alltag und Eifersucht

Von Momstagebuch

Gerd Altmann/Shapes: AllSilhouettes.com  / pixelio.de

Der Alltag kam machte sich in unserer Liebesbeziehung breit. Er schlich sich ein, unbemerkt. Auch in einer Beziehung zwischen einem verheiratetem Mann und seiner Geliebten gibt es so etwas.
Es pendelte sich ein, dass wir so gut wie jeden Abend miteinander telefonierten (Dreju rief mich an, ich durfte ihn zuhause nicht anrufen). Nur noch ein bis zwei Abende die Woche kam Dreju zu mir, meist verließ er mich in den frühen Morgenstunden wieder. Die Nächte von Samstag auf Sonntag gehörten mir, die verbrachte er regelmäßig bei mir, doch am Sonntag nach dem Frühstück ging er dann wieder - zurück zu seiner Familie.
So ging das. Jahrelang.
An den Abenden, die er bei mir war, kam er meist erst, wenn Bianca und Marco bereits im Bett waren. Die ersten Monate gingen wir jeden Samstag in den Club, doch das wurde immer weniger und irgendwann saßen wir jeden Samstag wie ein altes Ehepaar vor dem Fernseher.
Unzufriedenheit machte sich in mir breit. Ich liebte ihn nach wie vor, hielt an meinem Traum, eine Familie mit Dreju zu gründen, fest. Doch der Preis, den ich dafür zahlte, war hoch, sehr hoch.
Außerhalb meiner vier Wände wusste ich nichts von seinem Leben. Er hielt sich bedeckt, sagte mir immer wieder, wenn ich nachfragte:"Es ist besser, wenn Du nicht alles weißt, ich möchte Dich doch nur schützen!"
Heute ist es mir ein Rätsel, warum ich mir das alles gefallen ließ. Er, Dreju, durfte sich alles erlauben, doch mich betrachtete er mit eifersüchtigen Blicken. Einmal erzählte er mir, dass er nebenher eine Ausbildung zum Privatdetektiv mache. Ich dachte mir nichts dabei. Später sollte ich erfahren, dass ich sein Übungsobjekt war, er beobachtete mich heimlich. Beim Einkaufen, beim zur Arbeit gehen,...er vertraute mir nicht.
Einmal hatte ich einen Bekannten an der Bushaltestelle zum Abschied umarmt... während ich unwissentlich von Dreju beobachtet wurde. Er machte mir eine riesen Szene deswegen.
"Was hast Du gestern und heute gemacht?" fragte er mich liebevoll am nächsten Abend, doch irgendetwas war anders wie sonst, ich sah es in seinem Blick.
"Na, das Übliche!" erwiderte ich. "Ich war arbeiten, hab um 17.30 Uhr Feierabend gemacht und bin dann nach Hause gefahren." Das entsprach absolut der Wahrheit, dass ich meinen Bekannten einen Tag zuvor  getroffen hatte, erwähnte ich nicht, ich hatte es schon wieder vergessen.
"Bist Du sicher? Verschweigst Du mir nicht irgend etwas?" fragte Dreju lauernd. Irritiert schaute ich ihn an.
"Nein! Wie kommst Du denn darauf?"
"Ach, es ist nur so ein Gefühl. Und Du verschweigst mir wirklich nichts?" fragte er schon etwas eindringlicher.
"Nein Cheri, ich hab nichts, was ich Dir gegenüber zu verschweigen hätte! Was soll die Fragerei?"
Mit zusammen gekniffenen Augen schaute mich Dreju an, fixierte mich mit seinem Blick, sagte aber nichts weiter.
"Was hat er bloß?" dachte ich, nicht ahnend, was er von mir wollte.
"Cheri, was ist nur mit Dir los heute abend, Du bist so anders! Was bedrückt Dich denn so? Willst Du darüber sprechen?" fragte ich ihn.
Erst antwortete Dreju nicht. Dann, ein paar Minuten später, griff er in seine Hosentasche und holte ein Foto heraus, ein Foto, auf dem ich zu sehen war, wie ich an der Bushaltestelle meinen Bekannten zum Abschied umarmte.
Dreju zeigte mir das Foto und fragte mich mit gefährlich leiser Stimme:"Wer ist das?"
Verständnislos schaute ich auf das Foto. Doch anstatt ihn zu fragen, warum und woher er das Foto hatte, lachte ich erleichtert auf und sagte:"Ach, deswegen bist Du so komisch drauf! Das ist Markus, ein langjähriger Bekannter! Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen und zufällig an der Bushaltestelle getroffen. Wir haben uns beide so gefreut, uns so unverhofft wieder zu sehen, haben miteinander geplaudert, bis der Bus kam und zum Abschied haben wir uns umarmt, das ist alles!"
Für mich war die Sache damit erledigt. Nicht so für Dreju.
"Umarmst Du öfters andere Männer? In der Öffentlichkeit?" wurde ich gefragt.
"Ich umarme nicht einfach so fremde Männer!" antwortete ich. "Ich sagte doch bereits, das ist Markus, den kenne ich schon seit vielen Jahren, ein Bekannter, nichts weiter!" Dann fügte ich mit einem Lächeln hinzu: "Kann es sein, dass Du etwas eifersüchtig bist?"
Diese Frage war die Initialzündung für einen riesen Zoff zwischen Dreju und mir.
"Ich bin nicht eifersüchtig! Das habe ich nicht nötig!" erwiderte Dreju beleidigt.
Erstaunt horchte ich auf. "Wie meinst Du das, Du hättest das nicht nötig?" hakte ich nach.
"Ich muss nicht eifersüchtig werden. Wenn ich merke, dass eine Frau mir gegenüber nicht loyal genug ist, mich nicht genug liebt und mich als ihren Freund mit einer Umarmung mit einem fremden Mann in aller Öffentlichkeit demütigt, dann gehe ich einfach. So etwas lasse ich mit mir nicht machen!"
Ungläubig und wütend geworden schaute ich ihn an. Was bildete sich Dreju eigentlich ein? Unwirsch antwortete ich:  "Diese Umarmung ist eine Demütigung für Dich? Was soll ich dann sagen? Weißt Du, was demütigend ist? Wenn Du jeden Abend von mir weggehst und ich weiß, Dass Du zu Deiner Frau und zu Deiner Tochter zurück kehrst. Wenn Du mir auf meine Fragen keine Antworten gibst. Was machst Du mit Deiner Frau zuhause? Lebst Du wirklich in Scheidung? Deine Antworten auf meine Fragen, nämlich dass Du mir nichts von Dir erzählen willst, um mich zu schützen, das ist demütigend! Und überhaupt: wie kommst Du eigentlich zu diesem Foto?"
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass mich jemand beobachtet haben musste, um dieses Foto zu schießen. Doch wer? Dreju lächelte süffisant und gab mir die Antwort: "Beloti, Du hast einen Fehler gemacht, Du hast mich unterschätzt!" Stolz lächelnd fuhr er fort: "Sei Dir immer im Klaren darüber, bei allem, was Du machst, dass ich es sehen könnte. Du bist mit einem angehenden Privatdetektiv zusammen. Mich hintergeht niemand! Auch Du nicht!"
Ich kann hier nicht beschreiben, wie wütend ich auf ihn war. Er, der verheiratete Mann, der eine - seinen eigenen Aussagen nach -  NOCH heimliche Geliebte hatte, der seine Frau hinterging und mich wahrscheinlich auch - ausgerechnet er machte eine Staatsaffäre aus einer harmlosen Umarmung mit einem Bekannten!
Ich konnte und wollte mich nicht beruhigen - und bat ihn aufgebracht zu gehen. Er kam dieser Aufforderung mit stolzgeschwellter Brust nach, jedoch nicht ohne das letzte Wort zu haben. Wieder gefährlich leise, fast zischend, sagte er:
"Das wirst Du noch bereuen!"
Damit verabschiedete er sich und ging.
Seine Ungerechtigkeit, sein Unvermögen einzusehen, dass er zu weit gegangen war, sich alles erlaubte, mich jedoch wegen harmlosen Selbstverständlichkeiten wie ein kleines Kind maßregelte, das machte mich wahnsinnig. Und seine letzten Worte! Was meinte er damit?
Ich kam nicht zur Ruhe, bekam es etwas mit der Angst zu tun. Plötzlich fühlte ich mich von ihm bedroht. So ging das nicht. Ich musste eine Nacht darüber schlafen, um am nächsten Tag dann zu versuchen, vernünftig mit ihm darüber zu reden.
Doch ich konnte nicht einschlafen. Aus lauter Verzweiflung und um mich zu beruhigen, griff ich nach der halb vollen Flasche Bordeaux, die einsam auf dem Tisch stand.
Der Alkohol verfehlte seine Wirkung nicht. Bald fiel ich in einen unruhigen Schlaf.