Hurrikan Matthew ist schon wieder weitergezogen, er hat Nicaragua am Freitag im Norden an der Atlantikküste Richtung Honduras überquert, die Ausläufer sorgen bei uns immer noch für Dauerregen. Aus Managua kommen ständig Berichte von Überflutungen, auch überall sonst im Land wird davon berichtet. (Satellitenbilder, CNN, alles andere ist spanisch …)
Am Samstag zeigte der lokale Fernsehsender Canal 15 Bilder von der Brücke nach Venecia gezeigt, die nur noch durch den von ihr erzeugten Strömungsunterschied zu erkennen war. Nach den Bildern und den, durch technische Schwierigkeiten und rasender Sprechgeschwindigkeit unverständlichen Kommentaren des Reporters, kam dann zwei Minuten lang eine sich drehende Weltkugel, unter der immer wieder die Wörter „ULTIMA HORA“ eingeblendet wurden. Dazu hat die Hälfte der Zeit eine energische Stimme „ULTIMA HORA“ verkündet. Und das, obwohl sogar ich nach einer Minute verstanden hatte, dass es sich um eine Eilmeldung handelt, die da jetzt dann irgendwann vielleicht einmal daherkommen könnte
Aufgrund dieser Bilder haben wir dann die Sachen gepackt und sind zu der nächsten Brücke Hochwasser schaun gegangen. Das Wetter ist ja sowieso schon deprimierendes Dauergrau, da kommt ein bisschen Action genau richtig. Gesehen haben wir dann einen total niedlichen Bach, dem noch nicht gesagt wurde, dass grad total viel Wasser vom Himmel fällt, das er abtransportieren sollte. Das hat sogar meine zwei Guides verwirrt. Lange sind wir aber nicht dort gestanden, weil der „Gehsteig“ weniger als ein Meter breit und die Brüstung nur bis zum Oberschenkel reicht, was die vorbeirasenden Riesenlaster (Marke USA) eher unangenehm macht. Außerdem verschwand der Referenzpunkt „Berg in 5km Entfernung“ immer mehr hinter einer gewaltigen Regenwand.
Es wird schon eine Stechmückenwelle erwartet, die sich jetzt in dem reichlich vorhandenem Wasser eng formieren können. Die Vorboten sind schon zahlreich am nerven. Schon seit Beginn Matthews wird eine Krankheitswelle erwartet, die sich auf Durchfall und Grippe spezialisieren wird. Auch mich hat ein bisschen Schnupfen gleich zum Opfer von Durchfall gemacht, jetzt beruhigt sich alles wieder ein bisschen. Eneri hingegen ist so richtig arm, kann nichts machen, hat zu nichts Lust und alles was sie isst, nimmt sofort wieder den Notausgang nach oben
Jetzt kommen wieder etwas erfreulichere Nachrichten. Donnerstag Abend bin ich zum ersten Mal mit zum Cancha, dem Sportplatz, gegangen um mal zu sehen, was die da so machen. Um 5 fängt Volleyball an. Zwar auf Beton, aber dafür ganz schön flott und unerwartet gut. Es gibt hier nämlich auch eine Mannschaft, die sich jedes Wochenende Mannschaften aus anderen Städten stellt. Und die spielen auch unter der Woche noch so regelgetreu, dass ich gleich zu Anfang ein paar Punkte auf das Gegnerkonto verfrachtet habe. Bei ein paar Wörtern des „Anführers“ unserer Mannschaft hab ich dann wohl etwas zu verwirrt dreingeschaut, drum hat er auf Babysprache umgeschalten und nur noch mit Händen und Füßen zu verstehen gegeben, was er von mir will … hat trotzdem Spaß gemacht, weil ja auch andere Leute Dummheiten und Fehler machen, da war ich dann nicht das schwarze Schaf
Indessen läuft es im Projekt einfach super. Inzwischen entsteht auch ein bisschen mehr Kontakt zu anderen Jugendlichen, nicht ganz unschuldig dabei sind natürlich die immer weiter fortschreitenden Spanischkenntnisse, die schon beinahe normalen Smalltalk erlauben. Lina steht da manchmal noch etwas verwirrt daneben, aber sie packt das schon. Sie hat zum Beispiel einen kulinarischen Kulturschock vorgeschlagen, bei dem jede Gruppe Spezialitäten des jeweiligen Herkunftslandes kocht. Defacto sind das natürlich nur Nicaragua und Deutschland/Österreich, aber ich erwarte schon einen gewaltig vollen Bauch und jede Menge Spaß. Die Österdeutsche Gruppe wird vermutlich mit einer noch nicht näher definierten Form von Knödeln (kommt auch drauf an, ob es hier Speck gibt) und Kaiserscharrn aufwarten, die Nicas haben allerhand dahergeredet, von dem ich die Hälfte nicht verstanden und die andere Hälfte definitiv noch nicht probiert habe.
Auch abseits von Essensfantasien tut sich inzwischen einiges. Die Kinder haben inzwischen herausgefunden, dass wir (Lina und ich) fast immer bereit sind irgendwas zu spielen. Zur Zeit müssen wird dabei aber noch auf einfache Spiele, wie Fußball oder Fangen zurückgreifen, weil uns für Erklärungen neuer Spiele aus dem Stehgreif einfach noch der Wortschatz und – in Folge dessen – den Kindern die Geduld fehlt. Diese Woche ist allerdings ganz spontan eine beinahe regellose Mischung aus Rugby und Handball entstanden, die zwar gewaltig agressiv gespielt wurde, aber bis auf kleinere Aufschürfungen bei Stürzen keine Verletzten zur Folge hatte. Es wurde natürlich auch gestritten und gebrüllt, aber nicht geschlagen, was ein Fortschritt ist, wenn man an diverse eskalierende Fußballspiele denkt
Ein Hit sind hier auch die Spiele Halli Galli und Uno. Halli Galli wird vor allem von den Mädchen gespielt, die Jungs die schnell genug sind, sind sich zu alt dafür oder dürfen nicht mitspielen. Es gibt nur zwei Spielboxen hier, man erkennt auch auf den ersten Blick, welche der beiden schon am längsten hier in Verwendung ist. Uno wird hingegen von jedem gespielt, auch von manchen Promotores und ist in jedem Kurs – Ausnahme Tanzkurs – mit mindestens einem Kartendeck vertreten. Im Computer- und im Zeichenkurs sind auch Schachbretter anzutreffen, allerdings bietet nur das Exemplar des Zeichenkurses echte Schachfiguren an, da die Regeln von Schach nur sehr wenigen bekannt sind. Da wird schon eher tablero gespielt, bei dem ich sogar gegen 10-Jährige verliere, weil es nur diagonal gespielt wird und dadurch eine völlig andere Spieldynamik aufweist.
Und: Wer vorhat Spiele hierher mit zu nehmen, sollte sie eventuell am Flughafen in Madrid kaufen, oder sicherstellen, dass die Spielerklärung zumindest im Internet auf Spanisch zu finden und auszudrucken ist. Generell kommen Kartenspiele hier sehr gut an, mit Puzzles haben sie noch gewaltige Probleme (Comicbilder mit 300 Teilen werden manchmal einfach Teil für Teil durchprobiert, ohne über Farbe oder Form nachzudenken), die drei vorhandenen wurden aber zumindest einen Tag lang ein paar Mal neu zusammengesetzt. Spiele mit vielen Teilen (Siedler, Risiko, Monopoly, …) sind eher nicht zu empfehlen, weil sicher Teile verschwinden werden.
Inzwischen bin ich in der näheren Umgebung zum Computerguru aufgestiegen. Ich bin froh, dass nicht allzu viele Computer in der Nähe sind, ich verliere schon jetzt beinahe den Überblick, wer noch was und wann von mir will . Angeblich soll ich in nächster Zeit ein kleines Programm für ein Geschäft in Condega basteln, was mir ein paar Stunden Beschäftigung beschaffen und aufkeimende Langeweile an verregneten Tagen perfekt bekämpfen könnte. Allerdings ist der potenzielle Kunde bisher nicht aufgetaucht und es wurde mir zugetragen, dass eine der vielen Stromschwankungen den zu verwendenden PC vernichtet haben soll … die Erklärung, der Strom sei in eine Karte des Computers eingedrungen und hätte selbige vernichtet klingt allerdings reichlich verdreht, weil definitiv kein Modem oder LAN-Anschluss verwendet werden.
So, jetzt hab ich mir genug aus den Fingern gesaugt, damit endlich ein neuer Eintrag entsteht
Da ich zurzeit etwas an Schreib- und Fotofaulheit leide bitte ich alle um Mithilfe: Worüber soll ich denn schreiben? Was soll ich fotografieren? Was interessiert die Welt da draußen am ehesten, was hier passiert und noch nicht geschrieben wurde?
Schon jetzt danke an die zahlreichen Hinweise und Anregungen
Bis dann