Zur Erinnung, bevor sich die Deutschen wieder für sie entscheiden.
Am Sonntagabend wird Merkel erneut mit voller Wucht auf die deutsche Erde aufschlagen und die Erschütterung wird auch den Rest Europas erfassen. Die Kollision wird kein Weltuntergang sein, wird aber die Welt, wie wir sie kennen, weiter demontieren. Die klammheimliche Entdemokratisierung wird weitergehen.
Richtlinieninkompetenz
Merkels optimale Bürger: Müde
nicht mündig
Die Regierungszeit dieser Frau hat gezeigt, dass sie eine Freundin hohler Worte ist. Sie wackelte orientierungslos durch ihre Amtszeit. War mal für etwas, mal dagegen. Besonders spektakulär war dieser Wackelmut, als sie ihre geliebte Brückentechnologie aufgab, um hernach der Atomenergie doch ein Ende zu bereiten. Ging es um Aufklärung, tauchte sie im Ozean von Worthülsen und schaler Phrasen ab. Sie interpretierte Kanzlerschaft neu: Unter ihr ging es stets nur darum, wie sie am geschicktesten ihre Richtlinieninkompetenz vertuschen und verbergen kann. Die Suggestion der Empathie beherrschte sie makellos. Sie spielte die Kümmerin, wenn es opportunistisch war und machte doch deutlich, dass sozialer Ausgleich nur bedingt mit ihr machbar sei.
Machen wir uns jedoch nichts vor: Sie ist nicht der Teufel. Kein Generalangriff auf die Demokratie. Keine potenzielle Despotin, auch wenn sie sich in Europa hin und wieder so aufführte. Sie wird nicht einfach mal flott das Grundgesetz auflösen und den Notstand zur Grundlage einer weiteren Amtszeit erheben. Trotzdem ist sie eine elementare Gefahr für diese Demokratie. Eine schleichende Gefahr. Ihr Postulat von der "marktkonformen Demokratie" ist ein indirektes Ermächtigungsgesetz im Schneckentempo: Nicht brutal durchgesetzt, sondern langsam und betulich installiert, mit Rationalität schmackhaft gemacht. Sie wirkt als Evoluzzerin, als Entdemokratisiererin der kleinen Schritte, als eine Mama Humanitas, die rücksichtsvoll und ohne Eile, dafür aber ohne falschen Trost und nachdrücklich die Sachzwänge der Märkte exekutiert.
Speziell dieser Wahlkampf hat nochmals verdeutlicht, auf welche Weise sie gefährlich für uns ist - und eigentlich für jedes demokratische Gemeinwesen wäre. Der aktuelle Wahlkampf war in nuce das, was ihren Regierungsstil ausmachte: Ein gezieltes Anästhetikum.
Opiat wider dem Volk
Sie sediert die res publica, sie narkotisiert das Interesse und facht dieses ohnehin vorhandene Phänomen unserer Epoche, die so genannte Politikverdrossenheit, weiter an. Ihr Wahlkampf baute darauf, möglichst wenige Protest- und Wechselstimmungswähler an die Urnen zu holen. Je geringer die Wahlquote, desto mehr Chancen rechnete sie sich aus. Sie spekuliert stets darauf, die Gesellschaft möglichst zu entpolitisieren. Der optimale Bürger ist in ihrem Weltbild ein apolitischer Eigenbrötler, der sein privates Umfeld prägt, sich ansonsten aber möglichst wenig Gedanken um Allgemeines und die Allgemeinheit macht.
Merkel ist die Narkoseärztin der Demokratie. Bedingt auch Chirurgin, die gewisse antidemokratische Eingriffe befürwortet und auch unterstützt. Die dreckige Arbeit mit dem Skalpell überlässt sie aber lieber anderen. Sie ist für die Anästhesie zuständig, schaltet das bürgerliche Bewusstsein und das öffentliche Schmerzempfinden aus, indem sie rhetorische Mittel verabreicht, die im zentralen Nervensystem des Gemeinwesens wirken. Auch als Lokalanästhesistin ist sie dabei tätig, setzt nur bestimmte Teile unter Lähmung, um den Chirurgen der autoritären Postdemokratie die Arbeit zu ermöglichen. Sie fungiert während der schmerzhaften Eingriffe gerne als Opiat, das die Schmerzen nimmt, ein wohliges Gefühl verbreitet und die Amputation mit einem kleinen Rauschzustand versetzt.
Alles schläft, einsam wacht
Für Merkel kommt mündig von müde. Der mündige Bürger ist für sie ein müder Bürger, ein politikmüder Zeitgenosse, der sich als Privatier begreift, nicht als einer, der sich in die Belange des Gesamtgesellschaft einmischen sollte. Kant würde deshalb heute vielleicht schreiben: Aufklärung über Merkel ist der Ausgang des Wählers aus seiner von oben verschuldeten Müdigkeit.
Es ist fast ein bisschen wie bei Dornröschen und Merkel ist darin die dreizehnte Fee, die den Hofstaat in einen tiefen Schlaf versetzt. Vielleicht keine hundert Jahre, auch wenn sich die Zeitspanne mittlerweile ewig anfühlt - aber doch lange genug, um der "neuen Ordnung der Märkte" in die Schuhe zu helfen. Wie die dreizehnte Fee nach ihrem Fluch nicht mehr im Märchen gesehen wurde, so wird eines Tages Merkel entrücken und alle werden annehmen, dass diese postdemokratische Dornenhecke, die sie uns als Wunder der Gartenkunst zurückgelassen hat, immer schon da war. Ob irgendwann ein Prinz kommt, der den Hofstaat wachküsst, bleibt abzuwarten.
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