Während bei Stuttgart 21 aufgebrachte Demonstranten unter größtem Einsatz versuchten, einige alte Bäume im Schlosspark zu retten, werden ganz ohne öffentlichen Widerstand und ohne die große mediale Empörung in den ländlichen Regionen die Wälder regelrecht geplündert.
Buchen-Ausverkauf – gefällte Bäume bis zum Horizont – Foto: © politropolis.de
Wer in den ländlichen Räumen, beispielsweise des Spessarts, Taunus, des Vogelsbergs oder des Westerwaldes wohnt, stellt schon seit einigen Jahren fest, dass die Wälder immer lichter werden. Baumaßnahmen, Straßenverbreiterungen und übertriebenes Sicherheitsdenken sorgten dafür, dass viel “Unterholz” am Rande der Landstraßen ersatzlos verschwand und damit Stürmen Angriffsflächen mit teils verheerenden Auswirkungen geboten wurde. Die Zersiedelung der Landschaft durch nachträgliche, teilweise wundersame Legalisierungen von ganzen Siedlungen mit wohnhausähnlichen, massiven Gebäuden in Waldrandlagen an Talsperren oder reizvollen Gegenden dürfen zusätzlich beklagt werden.
Doch das alles scheint nichts im Vergleich jetzigen Ausverkauf zu sein. Alleine 2012 wurde ein Areal von 2.400 Fußballfeldern Buchenwald geschlagen. Das meiste davon geht nach China und was übrig bleibt, wird in deutschen Öfen verheizt.
Blick aus dem Wald 2014: Nicht etwa Bäume, dafür große Zwischenräume – Foto: © politropolis.de
“Besonders viele Buchen sollen aus staatlichen Wäldern in Hessen kommen. Im Internet finden wir ein eigenes Label der Landesforsten für die Vermarktung mit dem Namen Lionlogs.” (1) stellt das ARD-Magazin Plusminus in seinem Beitrag “Ausverkauf des Waldes” fest. Der knappe Landeshaushalt soll mit diesen Maßnahmen “entlastet” werden, sagt die hessische Landesregierung. Von Aufforstung und Neuanpflanzungen ist bisher kaum etwas zu sehen, während die Holzlaster bei Nacht und Nebel die Buchen containerweise aus den Wäldern karren. Nachhaltigkeit geht anders, dazu braucht man keine wissenschaftlichen Untersuchungen anzustellen, sondern nur mit offenen Augen durch die Wälder zu gehen.
Da wo noch ein paar Buchen stehen, ist der nächste Kahlschlag schon geplant. Eine Markierung wie ein Omen: Die “13″. – Foto: © politropolis.de
Wegen der sich ständig verteuernden Strom- und Ölpreise steigen zudem viele Hausbesitzer auf feste Brennstoffe um. Holzöfen erleben im industrialisierten Deutschland eine Rennaissance. Die Brennholzpreise stiegen infolge dessen in den letzten Jahren um mehr als das Doppelte an. Der Deutsche ist gründlich und so werden riesige Mengen Holz ofenfertig vorbereitet und gelagert. Auf dem Land steht bei vielen Eigenheimbesitzern ein Traktor im Garten und der Kettensägen-Führerschein gehört genauso zur persönlichen Infrastruktur wie der Besitz von Kreissägen, die nun in der Freizeit nicht nur das Holz, sondern auch die ländliche Ruhe kreischend zerlegen. In den “Flächenländern” von Hessen bis Bayern und auch in Baden-Württemberg mahnen bereits die Förster und Forstbetriebe zum sparsamen und fachkundigen Umgang mit den Holzresrven: “Brennholz wird zum knappen Gut”. (2) Doch gerade heute, in dieser Situation exportiert Deutschland seine Wälder – man kann schon sagen – beinahe bedenkenlos nach China. In ein Land, das selbst wegen der extremen Umweltfolgen beschloss, die eigenen Wälder nicht mehr zu roden und ab sofort zu schonen.
Windbruch schon bei leichten Stürmen – im ausgedünnten Mischwald, nicht nur bei den Fichten-Monokulturen – Foto: © politropolis.de
Der Import von Bau- und Möbelhölzern ist für den asiatischen Riesen nicht nur deswegen preiswert, weil die deutschen Bundesländer wegen ihrer finanziellen Sorgen den wertvollen Rohstoff im Sonderangebot verschleudern, sondern auch weil es viele leere Überseecontainer gibt. Der Transport kostet so knapp 30Euro pro Festmeter, wenn die Container nicht leer nach China zurückkommen sollen. Dafür kann man in Deutschland per Bahn oder LKW nicht einmal 500km weit transportieren.
Auch die Besitzer mittelständischer Sägewerke bringt die Situation zum Verzweifeln. “Wegen des massenhaften Exports von Rundholz, können wir hier kaum noch unsere Kunden bedienen. Wir bekommen keine Ware, oder wenn, können wir kaum noch rentabel verarbeiten. Oft wechseln wir nur Geld, um unsere Abnehmer nicht zu verlieren” beschwert sich ein Sägewerksbesitzer in Hessen, der nicht namentlich genannt werden wollte. “Und die rasante Konzentration des Holzmarktes auf einige Großunternehmen -teilweise staatlich subventioniert- betrachte ich mit großer Sorge und auch Empörung. Es bilden sich geradezu mafiöse Strukturen im Bereich der Holzverarbeitung und Vermarktung in Europa.”
Existenzsorgen der kleinen Sägewerke: “Wir können kaum noch rentabel arbeiten, während Großbetriebe staatlich subventioniert werden” – Foto: © politopolis.de
Der Sägewerksbetreiber zeigt uns einige Artikel aus seiner Verbandszeitschrift, dem “Holz-Zentralblatt”. Nicht nur diese belegen, wie ein beispielsweise ein riesiges Palettenwerke mit Hilfe des mittlerweile insolventen Unternehmens “Prokon” aufgebaut wurde. Man setzte noch im Jahr 2011 stolz “zum Sprung in die Spitze der Holzindustriebetriebe Deutschlands an” (4) und gründete gleich noch eine Tochterfirma mit dem Ziel des massenhaften Einschlags in rumänischen Waldbeständen. Mit-Geschäftsführer der “Prokon Hit Timber” war Carsten Rodbertus. Dem wird nachgesagt, dass er mit dem Kapital aus “Genussrechten” deutscher Prokon-Anleger genau über jene Tochterfirma ein riesiges Wald-Areal zu kaufen beabsichtigte und in Verhandlungen stand. Eine Fläche, die 43.000 Fußballfeldern entspricht sollte “verwertet” werden, im Gespräch waren dafür 80-140 Millionen Euro und undurchsichtige Verhandlungen mit höchsten rumänsichen Regierungskreisen. Ob und wieviel Geld bereits geflossen ist und wofür genau, ist nicht klar. Klar ist jedoch, dass die rumänische Regierung unter erheblichen Korrupitonsvorwürfen steht und die Bürger des EU-Landes gegen den hemmungslosen Ausverkauf der Natur, gegen Fracking, Waldrodung, Umsiedlungen und extreme Umweltschädigungen durch Goldabbau seit Monaten auf die Straße gehen. Nicht unberechtigt scheint ihr Gefühl, sie seien eine Kolonie Europas geworden, anstelle eines gleichberechtigten Mitgliedslandes.
Wo die Kettensägen wüten – Kein größerer Baum bleibt stehen. – Foto: © politropolis.de
Dass “Forstwirtschaft” als Teil der Okonomie mit Geld zu tun hat, ist jedem klar. Dass der Wald über rein monetäre Interessen hinaus als unsere Existenzgrundlage und Lebensraum betrachtet werden muss und daher nicht beliebig aus wirtschaftlichen Grunden über ihn verfügt werden darf, muss wieder in Erinnerung gerufen werden und dringend verantwortliches Handeln angemahnt werden.
Der Wald hat wichtige Funktionen im Wasser-/Grundwasser-, Luft- und Klima-, im Bodenschutz, er dient als Immissions- und Lärmschutz, er hält Lawinen und Hangrutschungen auf, schützt vor Wind- und Wasser-Erosion und vermindert Stürme. Er ist der Lebensraum für Tiere und unser Naherholungsraum, er ist Teil unserer Kultur und prägendes Element unserer Landschaften.
Das lernt jeder in der Schule ( siehe auch (5) ). Zumindest dort, wo Geographie noch Unterrichtsfach ist. Welche Folgekosten die gravierende Ausdünnung unserer Wälder alleine im Bezug auf Quellen, Grundwasser und Bodenerosion nach sich ziehen wird, scheint bei der Nachhaltigkeits-Rechnung sträflich unbeachtet zu bleiben.
Auch diese letzten 4 waren Weihnachten 2013 zur Abholzung markiert und sind heute vermutlich schon in China. – Foto: © politropolis.de
Wir setzen uns für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes ein, für seltene Tiere und weinen, wenn eine Giraffe oder ein Eisbär im Zoo stirbt. Aber wenn der Wald vor unserer Haustüre wegen ein paar Groschen als Bauholz nach China verscherbelt wird, unsere eigenen Wildtiere ihren Lebens- und Rückzugsraum verlieren, dann scheint das nur sehr wenige zu kratzen. Unseren Wald in diesen selbstzerstörenden Ausmaßen zu verkaufen, bringt kurzfristig ein wenig Geld, aber macht uns dabei nachhaltig sehr viel ärmer.
von Hans-Udo Sattler
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Auch diese beiden sind markiert – es sind die letzten “dickeren” Bäume auf hunderten von Quadratmetern. Drumherum ist schon alles weg – Foto: © politropolis.de
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Quellen – weiterführende Links
Fotos: Wald-Kahlschlag – Foto: © politropolis.de, aufgenommen Dezember 2013-Feb. 2014 in den Gemarkungen Driedorf, Greifenstein und Herborn.
(1) ARD-Plusminus: Alte Buchen nach China – Ausverkauf des deutschen Waldes
(2) Badische Zeitung: Brennholz wird zum knappen Gut
(3) Die Welt: Finsterer Wald
(4) Holz-Zentralblatt, Nummer 28 (2011), Seite 687 f.
(5) Wald und Schule: Die Bedeutung des Waldes
Video: Alte Buchen nach China, ARD Plusminus vom 18.12.2013