und “Scheiden tut weh”.. Diese Volksweisheiten bringen es doch immer wieder knapp auf den Punkt.
Nun heißt es also Abschied nehmen von den Lieben. Das fällt erstmal nicht schwer, doch schon die ersten Meter des Weges machen mich betrübt und traurig. Das ist ja kein schneller Weg zum Bäcker sondern fast ein halbes Jahr Abwesenheit – keine Kleinigkeit! Schon hat sich eine erste Träne in die Augen geschlichen. Ich werde jetzt einfach los gehen. So vieles ist noch ungesagt geblieben. Emotionen nehmen mich ganz und gar in Anspruch. Ich merke, dass solche Sprüche wie ¨Schau mal was der Weg mit dir macht!¨ nicht nur inhaltsleere Floskeln sind. Das ganze Vorhaben nimmt einen in Beschlag. Was werden die nächsten Monate für mich und meine Lieben bringen? Was wird sich verändern? Trotz des fantastischen Wetters legen sich schwere Gedanken auf die Seele.
Das Wetter ist heute wie aus dem Bilderbuch. Wo es gestern noch geregnet hat wachsen nun die Blütenpflanzen. Fast könnte man ihnen beim Wachsen zusehen. Insekten sind unterwegs. Da ich auf einer gut befahrenen Radroute unterwegs bin, begegnen mir immer wieder radelnde Menschen, die den Frühlingstag genießen. Ich merke, dass jeder seinen eigenen ¨Orbit¨ hat, in dem er ¨kreist¨: da drüben die Motorradfahrer, die PS-protzend in die Sonne brausen. Hier die flotte MTB-Truppe im Einheitsdress, da die Eltern mit ihren Kleinkindern. Sie alle haben ihr Tempo, ihre Strecke, ihren Kurs. Selbst die Ameisen auf dem Weg gehen ihren Weg. Wenn ich mein Vorhaben so betrachte, komme ich mir wirklich wie eine Ameise vor, die das wahre Ausmaß der Strecke nicht im geringsten abschätzen oder gar überblicken kann. Immerhin werde ich heute Abend etwa 1 Prozent des Weges hinter mich gebracht haben. Mit dem ersten Schritt fängt es bekanntlich an.
Der Weg führt ansteigend an Althengstett vorbei, überquert die Straße von Ostelsheim. Ein Autofahrer muntert mich spontan hupend auf. Es geht flott voran, mein Durchschnitt liegt anfangs zwischen 5 und 6 km/h. Später sinkt er auf einen Schnitt von 4,1 kmh. 14-15 Minuten brauche ich für einen Kilometer. In den Wanderschuhen befinden sich Meindl-Einlegesohlen, die dem Fuß noch mehr Halt und Schwung geben sollen. Allerdings verringern die Einleger auch den für die Zehen verfügbaren Raum im Schuh. Als es dann hinter Calw-Stammheim 18 Prozent steil hinunter geht ins Nagoldtal, drücken die Zehen gewaltig gegen die Schuhe. Abstieg ist grausam.
Am Bahnhof Bad Teinach stehen Jana und Brigitte und wollen mich ein Stückchen begleiten. Klasse, dass man sich so schnell wieder sieht! Über Neubulach und Unterhaugstett führt mein Weg. Schon ist wieder ein Abschied fällig, diesmal nicht besser gefasst. Machts gut! Wir bleiben in Kontakt, WhatsApp, E-Mail und SMS sei Dank. Nun wandere ich auf dem Ostweg, einem der drei Hauptfernwege des Schwarzwaldvereins. Der Ostweg wird mich bis hinter Villingen-Schwenningen führen.
Lange Abschnitte zieht sich der Weg durch grüne Tannenwälder, an Wart vorbei und später krass absteigend nach Berneck hinunter. Da schmerzen die großen Zehen aber gewaltig!! Schon weist mich ein Schild auf das Gasthaus Rößle in 200 Metern hin – Erlösung! Als ich dort die Schuhe ausziehe erfreut mich der Anblick meiner Füße nicht wirklich. Umsomehr das Abendessen, das aus einer Bärlauchcremesuppe, einem Spargel-Toast und einer weiß-braunen Dessertcreme besteht. Das muntert mental gewaltig auf. Nun gönne ich mir eine Mütze Schlaf und Erholung!
31,8 km. 7:45 Stunden Wanderzeit. 718 m Aufstiege, 694 m Abstiege.
Www.roessle-berneck.de