Aller Anfang fällt vom Himmel
Veronika Peters
Goldmann, 2015
978-3442313211
19,99 €
Korbinian Gerhard ist Lehrer und seit dem Tod seiner Frau allein lebend. Er ist kauzig, pedantisch und legt Wert darauf, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Billa ist siebzehn, freiheitsliebend und rebellisch – und ohne Dach über dem Kopf, denn sie ist von zu Hause abgehauen. Als Korbinian sie an einem kalten Winterabend hungrig und krank auffindet, nimmt er sie widerwillig mit zu sich nach Hause. Dass seine sorgsam gehütete Ordnung damit bedrohlich ins Wanken gerät, bekommt er bald zu spüren: Billa fegt – nebst ihrer Entourage – wie ein Wirbelwind durch sein Leben und scheut sich nicht, alle vermeintlichen Gewissheiten auf den Kopf zu stellen. Und Korbinian staunt nicht wenig, als er sich plötzlich wiederfindet in dem großen Abenteuer, das man Freundschaft nennt …
Der Protagonist ist ein verbitterter, mittelalter Mann, dem eigentlich alles egal ist. Irgendwie. Ganz durchschaut habe ich Korbinian immer noch nicht. Ist er jetzt traurig? Wütend? Einfach nur allein? Ich kann ihn nicht wirklich beschreiben, da er vieles vereinen soll, aber nichts wirklich zu 100 % zu ihm zu gehören zu scheint. Er ist seine Welt, die ihn macht, treibt und ihn glauben lässt, von ihm selbst kommt da wenig.
Billa ist als Gegensatz konzipiert: jung, wild, irgendwie unberechenbar und unhaltbar. Zwar hat sie ihre Gründe, die sie auf die Straße treiben, aber so ganz unglücklich ist sie darüber nun auch nicht. Sie sieht es bald als selbstverständlich an, Korbinian gefunden zu haben. Oder er sie?
Eine Großstadt, eine große Wohnung – das arme Leben des Korbinian ohne Frau. Billa, Problemkind: ihr Lebensraum: gerade die Straße. Seine Schwester: ein Blumenladen. Später noch der Stadtrand, aber weglaufen kann Korbinian einfach nicht.
Korbinian ist einsam, eingefahren und hat, rein theoretisch, nur sich im Sinn. Er hat eine Schwester, die er nie sieht, seine Frau ist plötzlich (vor sieben Jahren) gestorben und seitdem läuft alles streng nach Plan. Erst als Korbinian einem Mädchen hilft, das auf der Straße lebt, kommt Leben in die Bude und mit ihr auch seine Schwester, Freunde und ein Leben, das sich Leben nennen darf.
Tatsächlich passiert auch nicht mehr. Billa ist stürmisch, zynisch und sehr wankelmütig. Sie bringt alles durcheinander, was Korbinian für Leben hält: Regeln, sich selbst und seine Wohnung. Es ist reiner Zufall, dass er sich für Billa interessiert, reiner Zufall, dass ihm dann sein Leben komisch vorkommt und er Stück für Stück alles über Bord wirft. Was sich interessant anhört, wird von der Autorin aber kaum beschrieben. Der Leser folgt dem Protagonisten bei allen seinen Gedanken, die zumeist sperrig sind und einen normalen Menschen dazu bringen, den Kopf zu schütteln. Warum?
Er ist Lehrer und hört den Eltern nicht wirklich zu. Warum? Er kennt die Probleme alle schon – es sind nicht seine. Billa könnte auch arbeiten gehen. Und warum seine Schwester fragen, wie es ihr geht. Immerhin ist seine Frau gestorben und er wohnt in einer sechs Zimmer Wohnung. Oh, Graus. Er ist so eingefahren, alt und verbissen, dass er nicht einmal bemerkt, dass es Freunde in seinem Leben geben könnte.
Der Schreibstil ist locker und leicht, sodass er ein Gegensatz zu den trüben und langsamen Gedanken von Korbinian bildet. Ein Gesamtbild will sich für mich einfach nicht ergeben, wenn ich fünf Seiten über einen Gedanken lesen muss, der damit zu tun hat, ob er auf dem Gästesofa schläft oder jetzt seine “Männerdomäne-Kneipe” verloren hat, weil seine Schwester und Billa ihn dort fanden.
Das Cover ist hübsch. Es strahlt eine gewisse Melancholie auf, symbolisiert aber durch die aufbrechenden Blüten einen zarten Wandel, einen Neubeginn. Ich finde, dass der Titel nicht hundertprozentig den Inhalt widerspiegelt. Er ist mir zu sehr an das Schicksal und den Zufall angelehnt.
Die Weiterentwicklung der Charaktere ist minimal vorhanden. Dass, das Schicksal eingreifen muss, um ein Leben zu verändern, ist keine neue Idee, die auch hier nicht neuartig aufgepeppt wird. Ein anderes Buch von der Autorin kann ich aber wärmstens empfehlen: “Was in zwei Koffer passt”