Es ist kühl im Schlafzimmer. Das Ehebett ist leer. Die Polster sind verdrückt und die Decken sind zurückgeschlagen.
In der Ecke steht ein Gitterbett. Ein Kind ist darin. Eine Stubenfliege dreht ihre wirren Runden im Zimmer. Es ist schon eine ältere Fliege. Sie ist recht groß und ihr Körper leuchtet blauschwarz. Ein leiser Schwirrton lässt sich vernehmen. Nun fliegt sie in Richtung Kinderbett. Das Kind im Bett ist Amelie. Es bewegt leicht im Schlaf ihre Ärmchen. Frech und angezogen von der vom Bett ausgehenden Wärme setzt sich die Fliege an den Rand der Decke, nur um schnell wieder abzuheben und sich unvermittelt auf die Stirn Amelies zu setzen. Schlaftrunken wischt das Kind mit dem einen Ärmchen die Fliege weg. Doch so schnell gibt die Fliege nicht auf.
Die Stirn der Kleinen fühlt sich warm an im Gegensatz zur kalten Luft im Raum. Ein weiterer Sturzflug der Fliege und eine unsanfte Landung auf der Wange des Kindes, lässt das Kind wach werden. Es öffnet langsam die vom tiefen Schlaf noch schweren Augenlider. Die Fliege prallt inzwischen gegen das Fensterglas und purzelt auf das Sims, landet dort am Rücken. Mit viel Anstrengung und etwas benommen schafft sie es wieder auf den Beinen zu landen und bleibt dann ruhig sitzen.
Amelie wacht nun richtig auf. Es ist kuschelig unter der Decke. Aber ihr Spieltrieb ist schon erwacht und sie hebt ihre Beinchen und Ärmchen in die Höhe und räkelt sich. Mit den Fingern erreicht sie das über ihr hängende Herz und stupst es an. Lustig schwingt es hin und her, zur Freude des Kindes. Es gluckst vor Wohlempfinden. Es widerholt sein Spiel.
Während des Spiels rutscht die Decke vom Körper des Kindes. Es hat zwar einen anziehbaren Schlafsack an, die Kälte kriecht trotzdem langsam unter den Stoff.
Hunger meldet sich im Kind. Es ist schon Zeit für eine Mahlzeit. Amelie fängt an zu wimmern. Erst nur ganz leise, dann, als niemand kommt, immer lauter.
Im ganzen Haus ist es still. Der Urgroßvater, der den ersten Stock bewohnt schläft noch. Er hat am Vorabend, wie so oft, ein bisschen über den Durst getrunken. Deshalb hört er auch nichts. Tief schlummert er vor sich hin und schnarcht laut.
Amelie spürt nun die Kälte und spürt auch, dass sie allein ist. Sie dreht sich auf den Bauch und hantelt sich an den Gitterstäben des Bettes hoch. Angst kommt in ihr hoch. Sie möchte gerne in den Arm genommen werden, sie möchte die Wärme der Mutter spüren und endlich an dem ersehnten Fläschchen mit dem wärmenden Inhalt saugen können.
Mit aller Kraft, stehend und sich am Gitter haltend, schreit und weint sie nun nach der Mutter. Richtige Tränen rollen aus ihren Augen. Die blanke Angst lässt ihr Schreien immer mehr anschwellen. Ganz rot ist sie schon im Gesicht.
Der Urgroßvater schläft seelenruhig weiter. Von weit her hört er etwas, realisiert aber nicht, dass er eigentlich gebraucht würde.
Da … endlich öffnet sich die Türe. Die Mutter, im Mantel und noch in den Schuhen, stürzt zum Kind. Sie ist mit dem Vater soeben nach Hause gekommen. Beide waren in der Kirche. Sie nimmt das Kind in ihre Arme. Liebkosend umschlingt sie Amelie und überschüttet sie mit beruhigenden Worten. Sie trägt es wiegend durch das Zimmer.
Nur langsam kommt das Kind zur Ruhe. Der Schock sitzt tief über das erste Mal, dass es das Alleinsein spürte. Es wird sich noch als Erwachsener an diese Situation erinnern.
Aber jetzt in den Armen der Mutter ist alles gut.
© Bild und Text Maria Fasching