Sie hat endlich Gelegenheit, diverse Salate zu bereiten und den Tisch zu decken.
“Schade, dass Lucien Olivier sein Geheimnis mit ins Grab nahm”, anmerke ich beiläufig. Doch sie ist anderer Meinung:
“Das angebliche Geheimnis des “Оливье” bezieht sich nur aufs Dressing. Alles andere wurde bereits zu dessen Lebzeiten kopiert, nämlich unter dem Namen “Столичный”.”
Und im Übrigen habe der Mangel der UdSSR den Oliviersalat nur besser gemacht, habe den Erfindungsreichtum sowjetischer Hausfrauen provoziert und genau das könne man heute schmecken.
“Willst du noch ein bisschen?”
Sie tischt wieder auf.
Diesmal fange ich an, zu nörgeln:
“Normalerweise müsste auch das Fleisch wilder Haselhühner enthalten sein, etwas Kalbzunge, schwarzer Kaviar, gekochte Flusskrebse, Cornichons, wie auch Kapern. Was euren Olivier an das Original erinnert, sind nur die Eier.”
Sie staunt über mein Wissen.
Aber ich hatte mich auf dieses Mahl vorbereitet, hatte zuvor etwas wikipediert.
“Aber er schmeckt dir doch?!”
Ja klar. Aber es ist etwas anderes.
“Es ist immer etwas anderes. Jede Hausfrau hat ihr eigenes Rezept, wie bei Soljanka auch, oder beim Borschtsch.”
Meine deutsche Seele würgt. Sonderheit des slawischen Markenrechts – Hauptsache es schmeckt!
Deshalb darf man dortzulande süßes Bonbonwasser auch “Шампанское” – “Champagner” – nennen.