Bei der Lektüre seiner Morgenzeitung muss man mittlerweile wirklich vorsichtig sein. Jedenfalls erschrecke ich mich zuweilen so, dass mir die Kaffee- bzw. Teetasse aus der Hand fällt. In der letzten Woche war es wieder einmal soweit. Originalton “Tagesspiegel”: “Der Senat hat die Hürden für Schulabschlüsse gesenkt. Sowohl die Berufsbildungsreife – der frühere Hauptschulabschluss – als auch der Mittlere Schulabschluss sind ab diesem Schuljahr leichter zu erreichen, als es bisher an den Gesamtschulen möglich war. Zudem kann man mit schlechteren Noten in die gymnasiale Oberstufe aufsteigen.” Als Aprilscherz wäre das ja richtig gut gewesen. Aber leider war es bittere Realität. Auf den ersten Blick mag das für die Schüler ja ganz attraktiv sein. Doch bei näherem Hinsehen erweist sich dieser bildungspolitische Taschenspielertrick als ziemlicher Bumerang, der die Schüler noch böse treffen wird. Denn wer mit einer Berufsqualifizierung, die mehr Schein als Sein ist, auf dem Arbeitsmarkt antritt, wird noch sein blaues Wunder erleben. Immer mehr Betriebe konzipieren nach Angaben der IHK bereits eigene Aufnahmetests, um die Eignung der Bewerber festzustellen. Wer nach solch einem Test dann in die Röhre schaut und sich statt in seinem Traumjob im Albtraum Jobcenter wiederfindet, kann sich ja bei den Bildungspolitikern bedanken, die mit dieser Reform dazu noch ein System geschaffen haben, das so kompliziert ist, dass es eine Handreichung von 80 Seiten plus 30 Seiten Anlage benötigt, um wenigstens einigermaßen verstanden zu werden. Was soll ich sagen? Aus einem hoffnungsvollen “Alle kommen durch” wird am Ende ein ziemlich ernüchterndes “Alle fallen durch”. Das Gegenteil von “gut gemeint” ist eben “schlecht gemacht”.