Als Deutschland noch im Schock der Niederlage im EM-Halbfinale gegen Italien steckte, verabschiedete der Bundestag das Gesetzespaket ESM/Fiskalpakt - und keiner regte sich darüber auf. Zeitungen konstatierten vorab nur, Fernsehkommentatoren bezeichneten es als alternativlos. Jetzt kümmert sich das Bundesverfassungsgericht um das Gesetz - und viele Menschen sorgen sich vor den langfristigen Folgen. Nun tritt selbst die Bundesregierung nach einem Bericht der FAZ dafür ein, dass nachgebessert wird. Nur der Europa-Parlamentarier Martin Schulz sagte der ARD, er könne sich nicht vorstellen, dass das Verfassungsgericht am grundgesetz festhalte, obwohl Not kein Gebot kenne.
Die Bundesregierung hoffe, dass umstrittene Details des neuesten Rettungsgesetzes noch verändert werden. Es gebe die Hoffnung, dass jetzt angestellte verfassungsrechtliche Überlegungen noch in das Gesetz einflössen, hieß es in Berlin. Dazu biete das weitere parlamentarische Verfahren Gelegenheit
Euro-Kritiker und die Linke hatten sich zuvor zunehmend über den beschlossenen Gesetzentwurf empört. Die Kritik bezieht sich auf die Weitergabe von deutschen Vermögenswerten ins Ausland. Dazu soll künftig eine dauerhafte Geldleitung von Berlin über Brüssel und Frankfurt in die südlichen Krisenstaaten gelegt werden.
Der Gesetzentwurf war am 29. Juni mit den Stimmen der überparteilichen Rettungskoalition des europäischen Blocks verabschiedet worden, nachdem der Entwurf kurz zuvor nochmals geändert wurde. In der ursprünglichen Gesetzesfassung war vorgesehen, dass bestimmte Haftungsgrenzen gelten, das aber hatte der Euro-Gipfel am Tag zuvor herausgehandelt.
Die Abgeordneten stimmten dennoch über das unveränderte Papier ab, alle Streichungen und Neuformulierungen, so hieß es, könnten auch im Nachhinein vorgenommen werden, weil dann ohnehin keine Kritik mehr möglich sei. Ein Bürger kann den neuen Plänen der Euro-Retter zufolge zwar weiter vorbeugend Widerspruch gegen eine Steuerspende nach Griechenland oder Italien einlegen - dies gilt aber nicht, wenn sein Geld ohnehin vom Arbeitgeber an das Finanzministerium abgeführt wird. Diese Änderung stieß im Nachhinein auf große Empörung.
Auch das politische Berlin ist nun verwundert über die Änderung: Die Regierung habe das Gesetz mit guten Gründen in der von ihr abgefassten Weise vorgelegt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Kein Mensch könne sich erklären, wer da nun wann „drin herumgeschmiert“ habe. Sicherlich habe es sich ungünstig ausgewirkt, dass die am fraglichen Freitagabend direkt nach dem schockierenden Euro-Aus der deutschen Fußballer abzunickenden 1500 Seiten kaum ein Parlamentarier wirklich tiefgründig habe studieren können.
Sowohl CSU als auch CDU, SPD, Grüne und FDP hatten gemeinsam mit der Linken angekündigt, das verschärfte Rettungsgesetz zu stoppen, sobald das Bundesverfassungsgericht dies fordere. Dann werde man auch niemals zuvor dafür gewesen sein. „Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen“, sagte Seehofer am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Aigner sagte mit Blick auf die Bundesratsberatungen über das Gesetz: „Bayern kann hier seine Stimme erheben - und dafür werde ich auch werben.“
Seehofer betonte, auch seinen Parteigenossen Friedrich, treffe keine Schuld. Dessen Entwurf sei „in Ordnung“ gewesen. Auch aus dem rot-grün geführten Rheinland-Pfalz kam Trost. Das Kabinett habe sich wegen der Sommerpause noch nicht mit dem Thema beschäftigt, dennoch sei eine Zustimmung im Bundesrat äußerst unwahrscheinlich, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz. Er glaube nicht, dass das Gesetz den Bundesrat unverändert überstehe, sagte der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Bei den Eurofreunden sollten die Sektkorken nicht zu früh knallen.“
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Michael Hartmann, warf der schwarz-gelben Koalition vor, „einseitig die Interessen der Schuldenländer“ bedient zu haben. Dies hätten seine Parteikollegen und er auch im Innenausschuss deutlich gemacht. Sie seien aber von Union und FDP überstimmt worden.Erstaunlich sei auch das Schweigen der sonst so um Ordnungspolitik bemühten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, der zuvor auch nichts aufgefallen war, sagte, sie werde sofort empört sein, wenn das Verfassungsgericht gesprochen habe. Sie habe vor, im Falle eines Falles von einem „Debakel“ zu sprechen, warnte sie im ZDF.