All We Are
„Sunny Hills“
(Domino Records)
Üblicherweise rät das Management seinen Zöglingen ja eher zu behutsamen Veränderungen, um die Stammkundschaft nicht zu verprellen. Bei der Liverpooler Band All We Are ist das offensichtlich etwas anders gelaufen – entweder haben sie gar keinen von diesen A/R-Beratern, hören bewusst nicht auf ihn oder aber der Typ treibt sich, so er nicht gerade die Musikgeschäfte lenkt, auf dem Hochrisikoparkett der Börse rum, liebt also grundsätzlich den Nervenkitzel. Doch selbst wenn wir nur die ersten beiden Möglichkeiten in Betracht ziehen, läßt sich die 180-Grad-Wende des Trios nur schwer erklären und sie selbst tragen nicht eben viel zur Lösung bei. Vor gut zwei Jahren ist also das selbstbetitelte Debüt von Richard O’Flynn, Guro Gikling und Luíz Santos erschienen und weil Geschmeidigkeit und zarte Melodik damals Trumpf waren, rotierten sämtliche Stücke wochenlang auf den Playlists und Podcasts in- und außerhalb des Landes, ein Erfolg soweit. Glaubt man den dreien, so war das leichtgewichtige Popappeal der Songs allerdings ihrer gemeinsamen Unerfahrenheit und der Atmosphäre des walisischen Aufnahmestudios geschuldet. Und als solches nicht das wahre Wesen der Band.
Dieses scheint nun auf „Sunny Hills“ voll zur Geltung zu kommen: „We were feeling this anxiety or darkness within us, and we found catharsis through this more direct music“, so Drummer O‘Flynn über die neuen Töne, „There was a shift towards playing this sort of faster, harder, more direct music, and we'd all feel much better after it.“ Von der hübschen Beschaulichkeit ihrer früheren Stücke ist also nicht mehr viel übrig geblieben, vielmehr geht es auf dem aktuellen Album deutlich lauter, weniger zimperlich und ein ganzes Stück weit ernster zur Sache. Die Zeiten sind so, möchte man sagen – schaut man sich die beiden Videos zu „Human“ und „Animal“ an, die als Fortsetzungsgeschichte die traurigen Geschicke einer kleinen Provinzgemeinde spiegeln, dann ist der krude Sound wohl Folge gesellschaftlicher Umbrüche und Verwerfungen, wie sie in England an jeder Ecke zu spüren sind. Treibende New-Order-Hooks zählen da noch zu den gefälligsten Stilmitteln, ansonsten gibt es reichlich bratzigen Elektrorock, fette Böllerbeats und komprimiertes, zentnerschweres Drama.
Das ist jetzt nicht so schlimm, wie es sich in dieser Gebrauchsanweisung vielleicht anhört, nur eben komplett anders als zuvor und für manch unvorbereiteten Zuhörer sicherlich etwas verstörend. Wenn für „Down“ mathmetalmäßig die Gitarren bearbeitet werden und kurz darauf droniger Noise durch „Dreamer“ stampft, dann geht das tatsächlich sehr direkt in Richtung Magengrube, der Facettenreichtum, mit dem das Vorwerk noch zu glänzen vermochte, bleibt in diesen Momenten aber leider auf der Strecke. Natürlich läßt sich auch den dunklen Seiten durchaus Reizvolles abgewinnen, Giklings Stimme beispielsweise nimmt manchem allzu harten Schwenk die Schärfe und hier und da versteckt sich dann doch noch die eine oder andere feinsinnige Extraidee. In der Summe jedoch wäre weniger wohl mehr gewesen – für den Zuhörer heißt es nun, beide Alben irgendwie übereinander zu bringen und die Neuausrichtung zu bewerten. Als Musiker, diese Antwort zumindest kennen wir schon, hat man ohnehin keine andere Chance als das zu tun, was zu tun ist. Oder anders: Was muss, das muss. http://www.thisisallweare.co.uk/
08.06. Berlin, Auster Club
„Sunny Hills“
(Domino Records)
Üblicherweise rät das Management seinen Zöglingen ja eher zu behutsamen Veränderungen, um die Stammkundschaft nicht zu verprellen. Bei der Liverpooler Band All We Are ist das offensichtlich etwas anders gelaufen – entweder haben sie gar keinen von diesen A/R-Beratern, hören bewusst nicht auf ihn oder aber der Typ treibt sich, so er nicht gerade die Musikgeschäfte lenkt, auf dem Hochrisikoparkett der Börse rum, liebt also grundsätzlich den Nervenkitzel. Doch selbst wenn wir nur die ersten beiden Möglichkeiten in Betracht ziehen, läßt sich die 180-Grad-Wende des Trios nur schwer erklären und sie selbst tragen nicht eben viel zur Lösung bei. Vor gut zwei Jahren ist also das selbstbetitelte Debüt von Richard O’Flynn, Guro Gikling und Luíz Santos erschienen und weil Geschmeidigkeit und zarte Melodik damals Trumpf waren, rotierten sämtliche Stücke wochenlang auf den Playlists und Podcasts in- und außerhalb des Landes, ein Erfolg soweit. Glaubt man den dreien, so war das leichtgewichtige Popappeal der Songs allerdings ihrer gemeinsamen Unerfahrenheit und der Atmosphäre des walisischen Aufnahmestudios geschuldet. Und als solches nicht das wahre Wesen der Band.
Dieses scheint nun auf „Sunny Hills“ voll zur Geltung zu kommen: „We were feeling this anxiety or darkness within us, and we found catharsis through this more direct music“, so Drummer O‘Flynn über die neuen Töne, „There was a shift towards playing this sort of faster, harder, more direct music, and we'd all feel much better after it.“ Von der hübschen Beschaulichkeit ihrer früheren Stücke ist also nicht mehr viel übrig geblieben, vielmehr geht es auf dem aktuellen Album deutlich lauter, weniger zimperlich und ein ganzes Stück weit ernster zur Sache. Die Zeiten sind so, möchte man sagen – schaut man sich die beiden Videos zu „Human“ und „Animal“ an, die als Fortsetzungsgeschichte die traurigen Geschicke einer kleinen Provinzgemeinde spiegeln, dann ist der krude Sound wohl Folge gesellschaftlicher Umbrüche und Verwerfungen, wie sie in England an jeder Ecke zu spüren sind. Treibende New-Order-Hooks zählen da noch zu den gefälligsten Stilmitteln, ansonsten gibt es reichlich bratzigen Elektrorock, fette Böllerbeats und komprimiertes, zentnerschweres Drama.
Das ist jetzt nicht so schlimm, wie es sich in dieser Gebrauchsanweisung vielleicht anhört, nur eben komplett anders als zuvor und für manch unvorbereiteten Zuhörer sicherlich etwas verstörend. Wenn für „Down“ mathmetalmäßig die Gitarren bearbeitet werden und kurz darauf droniger Noise durch „Dreamer“ stampft, dann geht das tatsächlich sehr direkt in Richtung Magengrube, der Facettenreichtum, mit dem das Vorwerk noch zu glänzen vermochte, bleibt in diesen Momenten aber leider auf der Strecke. Natürlich läßt sich auch den dunklen Seiten durchaus Reizvolles abgewinnen, Giklings Stimme beispielsweise nimmt manchem allzu harten Schwenk die Schärfe und hier und da versteckt sich dann doch noch die eine oder andere feinsinnige Extraidee. In der Summe jedoch wäre weniger wohl mehr gewesen – für den Zuhörer heißt es nun, beide Alben irgendwie übereinander zu bringen und die Neuausrichtung zu bewerten. Als Musiker, diese Antwort zumindest kennen wir schon, hat man ohnehin keine andere Chance als das zu tun, was zu tun ist. Oder anders: Was muss, das muss. http://www.thisisallweare.co.uk/
08.06. Berlin, Auster Club