All die verdammt perfekten Tage

Von Buecherchaos @FranziskaHuhnke

All die verdammt perfekten Tage

Jennifer Niven

Limes, 2016

978-3809026570

14,99 €

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Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke – das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann – ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden…

Manchmal reden wir alle vom Sterben, wenn jemand von uns gegangen ist oder es bald so weit sein wird. Wenn wir in einer Krise stecken, wenn die dunklen Wolken über uns hinweg ziehen und lange bei uns verweilen. Finch ist ein Mensch, der viele Probleme hat. Viele Menschen sagen: „Aber du bist jung!“ „Dir gehört die Welt!“. Trotzdem findet sich Finch auf dem Glockenturm seiner Schule wieder und will springen. Oder vielleicht auch nicht, das kommt ganz auf den Tag an. 

Violet hat ein gutes Leben. Sie ist blond und beliebt – bedeutet es auch, dass sie geliebt wird? Und können liebe Menschen, im Innern kein Problem haben? Auch sie gelangt irgendwie auf den Glockenturm. Lange Zeit kann sie es sich nicht erklären, aber Finch hat da eine Idee… 

Die Leben, die die Autorin Jennifer Niven geschaffen hat, können unterschiedlicher nicht sein. Der Leser hat die Wahl: ein Teenagerleben im Rampenlicht und Beliebtheit oder hält er zu dem „Freak“? Auf den ersten Seiten sind die beiden Protagonisten unspektakulär und zickig. Jeder denkt vom anderen, dass er ein leichtes bzw. schweres Leben hat. Vieles bleibt ungesagt, da Violet am Anfang ziemlich zickig ist. Im ersten Augenblick verstehe ich Finch nicht, der sie in einem guten Licht dastehen lässt. Aber wo die Liebe hinfällt? 

Dass der Leser eine Liebesgeschichte erwarten kann, sieht er an der Umschlaggestaltung und an der Auswahl des Klappentextes. Daran ist erst einmal nichts verwerfliches, leider wirkt der Roman auf den ersten Seiten, wie eine schlechte Seifenoper in der es heißt: „Wenn der Freak mit dem beliebten Girl….“. Im Verlauf der Erzählung steigert sich Jennifer Niven allerdings kontinuierlich. Da wären die Veränderung an Violet, die ich sehr gemocht habe und die nachvollziehbar in die Handlung eingewoben wurden. Nur ein paar Kleinigkeiten stören mich. Zum Beispiel wenn sie ihre Bedenken zu schnell über Bord schmiss, denn vorher hatte sie fast ein Jahr mit ihnen zu kämpfen. Finch wird mit der Zeit verständlicher und seine Handlung nachvollziehbarer. Zuerst ist er mir viel zu hippelig und unterschwellig aggressiv. Für letzteres kann ich eine lange Zeit keinen Grund erkennen und bin deswegen sehr skeptisch gewesen. 

Das beste am Buch? Die letzten 70 Seiten. Voller Gefühl, ein bisschen Ironie und viel Menschenverstand kommt es zu einem Ende, das der Leser erahnen kann. Diese Ahnung wird sanft ab der Mitte des Buches immer weiter gesteigert, sodass es eigentlich keine Überraschung mehr ist. Die Steigerung und das Ende sind sehr gefühlvoll erzählt und sie versöhnen mich mit dem holprigen Anfang und dem langatmigen Mittelteil. Am Ende vergebe ich gute vier Bücherpunkte und bin mit der Wahl meiner Lektüre (fast) zufrieden.