Alkohol und Muskelaufbau – vereinbare Gegensätze?
Written by Andreas Galle
Topics: Ernährung
Werbung„Nein danke, ich trinke heute nichts.“ Wenige Aussagen irritieren die Leute an einem durchschnittlichen Abend in der Bar um die Ecke so sehr wie diese. Dabei erscheint der Verzicht auf den Verzehr einer Chemikalie, die zum Desinfizieren von sterilen Arbeitsplätzen und Händen in Krankenhäusern genutzt wird auf den ersten Blick nur als logisch und nachvollziehbar. Gleichzeitig ist Alkohol jedoch mit Tabak die meistverzehrteste Droge in Deutschland.
Ganze 9,6 Liter reinen Alkohol trinkt der Deutsche durchschnittlich pro Kopf [1].
Zum Vergleich: eine 1 Liter Flasche Wodka (40%Vol) enthält lediglich 400 ml reinen Alkohol.
Dass Alkohol ungesund ist, ist den Konsumenten meistens zwar bewusst, wird jedoch oftmals ignoriert.
Für uns als Anhänger des Eisensports sind die generellen negativen Effekte auf die Gesundheit natürlich wichtig, jedoch stellt sich zusätzlich die Frage nach den Auswirkungen von Alkohol auf den Muskelaufbau.
Biochemische Grundlagen und gesundheitliche Risiken durch Alkoholkonsum
Wenn wir vom im Alltag genossenen Alkohol sprechen, ist damit chemisch Ethanol gemeint, ein Kohlenwasserstoff, an dem eine Hydroxyl- oder „Alkohol“-Gruppe angehängt ist, mit der Summenformel C2H5OH.
1 g Ethanol bietet dem Körper etwa 7 kcal, was im ersten Moment nicht schlecht klingt, benötigen wir Sportler doch Kalorien, um Energie bereitstellen und somit Leistung zu bringen.
Jedoch wird Alkohol einfach gesagt nur zu 10-20% zur Energiebereitstellung verwendet, der große Rest wird zu Fett umgewandelt.
Der Verzehr von Ethanol geht mit Symptomen einher, die wohl fast jeder schon einmal erlebt hat: Stimmungsänderung, Gleichgewichts- und Sprach-Störungen, bis hin zu Erbrechen und Bewusstseinsverlust, im schlimmsten Fall bei massiver Vergiftung sogar der Tod.
Ethanol wirkt toxisch auf sämtliche Organe sowie unser Nervensystem, führt bei chronischem Missbrauch zu Vitamin- und Mineralstoffmangelerscheinungen und, was viele wohl überhaupt nicht bedenken, zu Krebs[2]. Was die kanzerogenen (krebserregenden) Effekte angeht ist wichtig zu wissen, dass es dabei keinen sicheren Bereich gibt, keine Mindestmenge, die bedenkenlos verzehrbar wäre.
Der einzig vermutete positive Effekt von regelmäßigem, allerdings sehr moderatem Alkoholkonsum scheint auf das Herz-Kreislauf-System zu sein, jedoch ist die Studienlage dahingehend noch widersprüchlich. Aufgrund der deutlich überwiegenden negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sollte jedoch vom Verzehr von Alkohol zur Vorbeugung koronarer Herzkrankheiten abgesehen werden. Regelmäßiger Sport, die Aufnahme gesunder, ungesättigter Fette und damit weitestgehend Verzicht auf gesättigte Fettsäuren sowie das Nichtrauchen tragen nachgewiesenermaßen allesamt viel mehr zur Erhaltung eines gesunden Herz-Kreislauf-Systems bei ohne dabei die Risiken des Ethanols zu bergen.
Alkohol und Bodybuilding
Nachdem wir uns die generellen Effekte von Alkoholgenuss angesehen haben geht es nun ans Eingemachte. Allgemein ist zu sagen, dass das Trinken eines Feierabendbierchens ab und zu weder zu massivem Muskelabbau noch verstärkter Fetteinlagerung führt.
Wenn man davon ausgeht, dass ein kleines Bier etwa 10g Ethanol enthält, der durchschnittliche Naturalathlet (Wettkampfteilnehmer) in der Aufbauphase pro Tag gerechnet 5g Alkohol verzehrt[3], wäre rein theoretisch alle zwei Tage ein kleines Bier sicherlich vertretbar.
Jedoch muss man natürlich zwischen Athleten mit Wettkampfambition und Hobbysportlern unterscheiden. Hobbysportler achten zumeist weniger auf die zugeführten Nährstoffe, dazu zählt natürlich auch Alkoholkonsum. Natürlich sollte deswegen niemand verurteilt werden, jedoch kann nicht erwartet werden optimale Ergebnisse zu erzielen, wenn elementare Aspekte des Sports Bodybuilding missachtet werden.
Für Wettkampfathleten gilt: Um wettkampffähig zu sein ist es nicht nur in der Diät, sondern auch in der Aufbauphase essentiell, neben dem Training die zugeführten Nährstoffe im Griff zu haben und möglichst optimal zu regenerieren. Auf beide Aspekte beziehungsweise auf die Rolle, welche Alkohol dabei spielt wird im Folgenden noch gesondert eingegangen.
Allerdings sollte immer bedacht werden, dass der Verzicht auf Alkohol aus ästhetischen Gesichtspunkten natürlich immer einen optischen Unterschied macht, jedoch selbstverständlich stark sichtbar nur, wenn auch die gesamte Ernährung stimmig ist.
Optische Effekte des Alkoholkonsums
Grundsätzlich entzieht Ethanol unseren Zellen Wasser.
Dies bewirkt mehrere negative Effekte, zum Beispiel gesteigerte Diurese (Harndrang) aber auch Schwächung unseres Bindegewebes. Besonders auffällig ist ein dadurch verstärktes Auftreten von Cellulitis bei Frauen, was als unansehnliche Orangenhaut sichtbar wird.
Auch Falten und allgemeine Hautalterung wird dadurch verursacht, was sowohl Männer als auch Frauen betrifft. Dadurch, dass Alkohol Wasser „zieht“, stellt sich nach einiger Zeit regelmäßigem Alkoholkonsums ein aufgeschwemmtes, schwammiges Körperbild ein, was sich natürlich besonders, wenn man das Ziel einer definierten, harten Optik verfolgt, als mehr als suboptimal darstellt. Dies gilt selbstverständlich nicht nur in der Diät.
Da das „lean bulking“, also der saubere Masseaufbau ohne unnötig hohe Fetteinlagerung immer mehr an Bedeutung gewinnt und die klassische „dreckige“ Massephase auch im Breitensport immer häufiger ablöst, sollte Alkoholkonsum zum Zweck einer saubereren Optik demnach auch vermieden werden.
Des Weiteren wirkt Alkohol durch seine Blutzucker senkende Wirkung appetitanregend, was häufig dazu führt, dass nicht nur die „leeren“ Alkoholkalorien und der in Getränken häufig enthaltene Zucker zugeführt wird, sondern auch gerne zu fettigem, kalorienreichem Essen gegriffen wird, was sich insgesamt in einem starken Kalorienüberschuss und somit zu Gewichtszunahme führt. Allerdings führt häufiger, starker Alkoholkonsum jedoch auch zu Mineralstoff- und Vitaminmangelerscheinungen. Mineralstoffe wie Magnesium, Calcium und Zink werden durch die gesteigerte Diurese vermehrt ausgeschieden, unser empfindliches Elektrolytgleichgewicht im Körper somit negativ beeinflusst. Vitamine werden, genau wie viele Mineralien bei häufigem Alkoholgenuss oft in zu geringen Mengen zugeführt, da unter häufigem Trinken die gesunde Ernährung oft leidet. Einige Vitamine wie E und B12 werden allerdings bei starkem Alkoholkonsum auch schlechter vom Körper aufgenommen.
Diese Mängel äußern sich durch Symptome wie Muskelkrämpfe und Schwäche/Müdigkeit.
Übrigens: Viele meinen, nach Alkoholgenuss im Besitz nahezu übermenschlicher Kräfte zu sein, beziehungsweise fühlen sich stärker. Tatsächlich findet dieser Effekt durch die nach Alkoholkonsum eintretende Selbstüberschätzung lediglich im Kopf statt, der kraftsteigernde Effekt konnte in keiner Studie nachgewiesen werden.
Einfluss von Alkohol auf die Regeneration
Nehmen wir eine typische Situation: Zwei Jugendliche wollen sich vor dem abendlichen Gang in die Disko noch aufpumpen, gehen deshalb ins Fitnessstudio und führen eine harte Brust-Bizeps-Session durch. Dann schnell duschen, nach Hause und das erste Bier als Post-Workout-Shake. Was passiert dabei?
In einer Studie[4] konnte nachgewiesen werden, dass bei Alkoholkonsum nach dem Training ein verlangsamter Abbau des katabolen und nach körperlicher Belastung ausgeschüttetem Stresshormons Cortisol stattfindet, was sich negativ auf die Regeneration auswirkt und den Trainingseffekt deutlich schmälert[7].
Nach heutigem Kenntnisstand wirkt sich Alkoholkonsum jedoch nicht, wie oftmals behauptet, negativ auf den Testosteronspiegel aus. Allerdings sprechen genug andere Effekte, wie beispielsweise die nicht optimale Auffüllung der Glykogenspeicher nach dem Training[5].
Erfahrungswerte einiger Mediziner besagen, dass bei langfristig alkoholsuchterkrankten Menschen ein starker Muskelschwund zu beobachten ist.
Diese These wird durch eine Studie[6] unterstützt, die anhand von Tiermodellen eine Abnahme der Testosteronrezeptoren in den 2b Skelettmuskelfasern feststellen konnte, die auch durch Training nicht positiv beeinflusst werden konnte.
Alkohol scheint also keinen Einfluss auf die Testosteronproduktion, jedoch auf dessen Rezeptoren zu haben.
Und was ist mit alkoholfreiem Bier?
Wer trotz seiner ästhetischen Ziele nicht auf Alkoholgeschmack verzichten will greift oftmals zur alkoholfreien Variante, welche auch häufig in den Medien als sportlergerecht angepriesen wird. Nüchtern betrachtet enthalten alkoholfreie Biere recht viel Zucker (etwa 50g/L) und dabei zwar auch Mineralien und Vitamine, allerdings in relativ geringen Mengen.
Natürlich stellen sie die bessere Alternative zum Vollbier dar, jedoch darf der Zuckergehalt nicht unterschätzt werden (besonders in der Diät).
Der Vitamin- und Mineralstoffbedarf kann nach dem Training durch eine ordentliche Mahlzeit außerdem deutlich besser und wirkungsvoller gedeckt werden.
Fazit zur Thematik – Alkohol und Muskelaufbau
Wer sich ab und zu ein kleines Bierchen genehmigt, wird deshalb keinen massiven Muskelschwund erleiden. Wer allerdings seinen Muskelaufbau oder seine Definition unter optimalen Bedingungen voranbringen will, sollte lieber die Finger vom Alkohol lassen.
Abschließend gilt, um es in den Worten von Theophrastus Bombastus Aurelius von Hohenheim (besser bekannt als „Paracelsus“) zu sagen:
„Dosis sola facit venenum!“ – „Die Dosis allein macht das Gift!“
In diesem Sinne:
Bleibt fit – mit Plan!
Quellenangaben:
- Aktuelle Zahlen zum Alkoholkonsum in Deutschland [1]
- Million Woman Study Shows Even Moderate Alcohol Consumption – Increased Cancer Risk [2]
- Metabolic profiles, diet, and health practices of championship bodybuilders [3]
- Effect of acute postexercise ethanol intoxication on the neuro. – resistance exercise [4]
- Effect of alcohol intake on muscle glycogen storage after prolonged exercise [5]
- Oxidation-Induced Atrogin-1 and Transforming Grwoth Factor-β1 in Rats [6]
- Stress – Der Limitierende Faktor für deinen Muskelaufbau [7]
Andreas Nino Galle ist der Gründer von Fit mit Plan – dem Personal Trainer und Ernährungsberater-Gespan aus Potsdam.
Zusammen präsentieren die beiden Personaltrainer im Blog Ihrer Webseite regelmäßig wissenschaftlich fundierte Fachartikel zu den Themen Training, Ernährung, Nahrungsergänzung und Bodybuilding. Neben Ihrer mehr als 15-jährigen Tätigkeit als Personal Trainer, arbeiten beide eng mit Nahrungsmittelergänzungsherstellern für die Entwicklung neuer Sportnahrungsmittel zusammen.
Zu Ihren Spezialgebieten gehört die unteranderen die Vorbereitung und Betreuung von Wettkampfathleten auf ihrem Weg zum persönlichen Ziel.