Dass es kompliziert werden würde, durch LA hindurch zu kommen, war soweit klar. Der erste Tag von Vrenis Haus bis nach Long Beach war dann aber unerwartet einfach und problemlos. Die Strecke war nicht besonders weit und wir hatten mit Hilfe des allgegenwärtigen Internets gute Wegbeschreibungen erhalten (die von praktisch denkenden Menschen noch verbessert wurden). Es war etwa halb zehn Uhr als wir losfuhren, so war auch die morgendliche Rush Hour vorbei und es hatte somit relativ wenig Verkehr. Bis zum Pacific Coast Highway (PCH) ging es mehrheitlich bergab und einmal dort, war es auch nicht mehr schwierig, den Weg zu finden (57 km, 3:09 Stunden). Wir kamen schneller voran als angenommen und da unser Warmshower-Host, Karen, erst um halb sechs Uhr nach Hause kam, mussten wir etwa drei Stunden in einem Park und Starbucks rumhängen. Karen erwies sich dann aber als sehr nette Gastgeberin, die uns feine Pizza spendierte. Selbstverständlich bekamen wir auch hier Tips für den Weg durch LA, die sich als hilfreich erwiesen. Früher oder später wurde es dann aber trotzdem schwierig, den Bike Trail-Schildern zu folgen, da aber Samstag war, waren hordenweise einheimische Ciclistas unterwegs, die uns weiterhelfen konnten. Als wir schliesslich den Redondo Beach erreicht hatten, wurde es einfacher, immer dem Strand nach. Dieser Weg war aber, da eben Samstag, sehr stark bevölkert und Fortkommen wurde manchmal durch den starken Verker, bestehend aus Velofahrern, Joggern, Spaziergängern, Walkern, Rollerbladern und anderen Freizeitleuten, ziemlich behindert. Einmal sogar, trotzt ausgewiesenem Radweg, von einer Treppe! Wir mussten ziemlich hilfsbedürftig ausgesehen haben als wir sprachlos auf die Stufen starrten und den anderen Radlern zuschauten, wie sie ihre leichten Rennvelos auf die Schultern luden und innert Sekunden oben waren, jedenfalls waren gleich zwei rettende Männer zu Stelle, die uns hieven halfen.
Radweg mit integrierter Treppe.
Bevölkerter Strandweg....
... und parkierte Boote, im Hintergrund die Queen Mary.
Wir pedalten weiter dem Strand entlang, wo auf unzähligen Feldern Beach Volley gespielt wurde. In Santa Monica standen sogar die Zelte des Cirque du Soleil neben dem Weg. Der Nachmittag zog sich dann in die Länge und wir begannen daran zu zweifeln, dass wir es bis zu geplanten Stopp, dem Leo Carillo State Park, schaffen würden. Wir waren zwar aus dem Gewirr von LAs Strassen raus und auch auf dem richtigen Weg, der aber ganz einfach noch ziemlich lange war. Und wie um Murphy’s Law zu bestätigen, hatte Martina an jenem Nachmittag einen Platten. Was an sich, ausser der zeitlichen Verzögerung, kein Problem darstellt, blöd war diesmal nur, dass die Mechaniker in San Diego einige Schrauben so stark angezogen hatten, dass weder sie noch ich sie aufbrachten. In Kolumbien hätten in so einer Situation schon längst unzählige Männer gefragt, ob wir Hilfe brauchten. Hier klappte es schliesslich auch, einen Rennvelofahrer anzuhalten und um Hilfe zu bitten. Die wir selbstverständlich auch erhielten. Mit dem Rad endlich draussen, war der Rest bald erledigt und wir wieder unterwegs. Trotzdem, wir hatten noch viele Meilen, aber nicht mehr viele Stunden mit Tageslicht, vor uns. Als wir am Malibu RV Resort vorbeifuhren (nach 89 km und 5:42 Stunden) und sahen, dass da auch Tent Camping möglich war, beschlossen wir, mal abzuchecken, was das den kosten würde. Mit Wochenendzuschlag fast USD 30! Das war mehr als wir in den „teuren“ Hotels in Lateinamerika bezahlt hatten. Da wir aber eigentlich keine Wahl hatten, blieben wir eben und genossen die heisse Dusche dafür ein paar Minuten länger. Ab Malibu begannen sie die Tage sehr zu gleichen. Meist war links das Meer, rechts grün-grau-braun gesprenkelte Hügel zu sehen. Wo die Route durch Städte führte, war es nicht immer trivial, den optimalen Weg zu finden und unser Buch quasi „rückwärts“ zu lesen, auch nicht immer so leicht. Vielerorts war der Weg mit grün-weissen "Pacific Coast Bike Route"-Schildern ausgewiesen, öfter aber natürlich auch nicht, und ab und zu kurvten wir darum mehr als nötig in der Welt herum auf der Suche nach dem richtigen Weg.Um Carpinteria, unserem nächsten Tagesziel (98.5 km, 5:53 Stunden), wurden grossräumig Erdbeeren angepflanzt und diese Farmen hatten praktischerweise auch Verkaufsstände an der Strasse. So kame wir einerseits zu frischem Gemüse für’s Abendessen, andererseits zu wirklich megafeinen Erdbeeren. Vreni, wir haben nicht vergessen, dass Du gesagt hast, dass alle Erdbeeren, die nicht organic sind, irgend ein Gift drin haben, sie waren aber wirklich gut und wir hoffen, dass nur wenig davon keine negativen Auswirkungen hat. Im Carpinteria State Park gab es für uns zum ersten Mal Hiker/Biker Sites, die aber auch $ 10 pro Person kostete. Immer noch mehr als unser durchschnittliches Hotel in Mexiko. Inbegriffen ist da nicht einmal eine Dusche, die würde $ 0.25 / 2 min. Kosten. Was wir uns sparten. Unser Platz befand sich am Rand des Parks, nahe am Highway und dem Gleis, wo immer mal wieder ein Dieselzug mit lautem Getöse und Gehorne vorbeifuhr.
Erdbeer-Ernte-Mobil.
Meine Erinnerungen vom vierten Tag seit LA hebt sich nicht sehr ab, konsultiere darum mein Tagebuch: Ah, ja, richtig, am Morgen hatten wir ein paar Tropfen, aber nichts wildes. Wir mussten durch Santa Barbara und all die dicht bewohnten Gebiete davor und danach. Das war teilweise noch ganz interessant, hier in Kalifornien wohnen offenbar schon eine ganze Menge Leute mit extrem viel Geld. Da stehen Unmengen von riesigen, z.T. schon eher protzigen Häusern herum, wenn am Wasser, dann selbstverständlich gleich mit privatem Steg und dem dazugehörigen Boot. Wir verirrten uns wieder einmal kurz, ein freundlicher Zeitgenosse half uns jedoch und schickte uns zurück auf die richtige Strasse.Nach einer kurzen Einkaufs-Tour entschieden wir uns, von der im Buch beschriebenen Route abzuweichen und eine andere Strasse zu nehmen. Worüber wir bald nicht mehr so glücklich waren, da wir irgendwann zu einer Art Torbogen der "Hope Ranch" kamen, wo auch ein Schild stand, das darauf aufmerksam machte, dass die Strasse ab da privat sei. Dahinter befand sich zwar nicht gerade eine Ranch, dafür grosse, grüne Grundstücke mit schicken Häusern. Nochmals ein oberbonziges "Quartier". Wir fuhren trotztem weiter, fürchteten aber bald, dass das eine Sackgasse sein könnte. So stoppten wir einen Autofahrer, der meinte, wir sollten einfach weiterfahren, wir kämen da schon wieder auf öffentliche Strassen. Dem war dann tatsächlich auch so, wir fanden sogar genau die Strasse, die wir eigentlich gesucht hatten. Somit war das Problem gelöst, es ging weiter immer leicht auf und ab, immer gegen böigen Gegenwind. Wir kauften wieder Erdbeeren, organic diesmal, was genau doppelt so viel kostete, also in etwa Schweizer Preisniveau entsprach.
Im Refugio State Park, wo wir diesmal übernachteten, kostete eine H/B Site ebenfalls $ 10, dafür war der für Velofahrer vorgesehene Platz diesmal auch wirklich hübsch, sogar mit Aussicht aufs Meer. Da wir diesmal am frühen Nachmitta angekommen waren (66.1 km, 4:12 Stunden), hatten wir genügend Zeit, alle unsere von der letzten Nacht feuchten Sachen zu trocknen bevor später Regen einsetzte. Gegen Abend intensivierte sich dieses Verhaltens des Himmels und wir waren froh über den überdachten Platz vor den Duschen, wo wir im trockenen kochen und essen konnten.
Hiker & Biker Site, für einmal sehr hübsch.
Nach nur wenigen Kilometern der Küste entlang, führte uns die Strasse am folgenden Tag ins Landesinnere durch Hügel, die aussahen wie in der Schweiz. Um diese Hügel zu erreichen, mussten wir uns aber erst durch einen kurzen Tunnel mit monströsem Gegenwind kämpfen. In unserem Westküsten-Bike-Buch wird dieses Erlebnis so beschrieben: es sei, wie wenn man durch eine Staubsaugerröhre hindurch pedalen muss, wenn der Sauger auf Maximalstärke einestellt ist. Wir fanden die Beschreibung sehr treffend. Danach wartete unser erster „richtiger“ Hügel auf uns, sage und schreibe um die 300 m hoch. Da wir hier kaum Wind mehr hatten, war das nicht wirklich bemerkenswert.Wieder am früheren Nachmittag kamen wir in unserer Tagesdestination, Lompoc, an (60.3 km, 4:40 Stunden). Interessantes Detail, die Stadt mit gut 40'000 Einwohnern hat fünf "Schwesterstädte" auf der ganzen Welt, darunter Locarno. Hier war Shopping angesagt und wir setzten uns in ein Starbucks, da wir Wifi benötigten. Wir mussten uns um eine WS-Unterkunft in San Francisco kümmern. Was hier die beste Strategie war, hatten wir noch nicht herausgefunden. Wenn man ein Mail schickt, musss man bald darauf wieder Internetzugang finden und auf Antwort hoffen. Wenn man telefoniert, kriegt man öfters Beantworter oder die Leute möchten ein Mail. Oder halt ein SMS, wenn kein Mail möglich ist. Und auch hier gilt, auf Antwort hoffen. Der Campingplatz in Lompoc kostete zum Glück nur $ 5/P und war ganz ok. Auch hier trafen wir andere Toureros, die aber schon wie im Refugio nur geringfügig an Geplauder in anderen interessiert waren. Aus Lateinamerika waren wir da anderes gewohnt.Schwesterstadt von Locarno.
Am Morgen darauf regnete es. Pfuiii! Es dauerte darum etwas länger bis wir abfahrbereit waren. All die ganzen Regenschütze anzuziehen dauert eben. Der Regen liess nach als wir noch durch die Stadt manöverierten, wurde aber auch schon wieder stärker, als wir die nächste Steigung in Angriff nahmen. Im Laufe des Morgens brach aber die Sonne durch und wir konnten die Verkleidung, die eh schon zu Ueberhitzung geführt hatte, wieder ausziehen. Der Tag verhiess, äusserst windig zu werden und als wir bei einer Verzweigung ohne Beschilderung unsicher waren, beantwortete der Wind eigentlich unsere Frage. Immer gegen den Wind, lautet das Moto. Ein Autofahrer bestätigte schliesslich unsere Vermutung. Der Rest des Tages sah ähnlich aus. Es war nun recht platt mit nur leichtem Auf und Ab aber mit konstantem, starken Gegenwind. Die Gegend war wieder voller Felder. Ausser Erdbeeren wuchs da viel Broccoli. Da gerade Erntezeit war, waren viele Mexikaner damit beschäftigt, Broccoli abzuschneiden, was feinen Geruch in der ganzen Region verbreitete. Auf der Suche nach dem State Park in Oceano stellten wir fest, dass camping dort sehr verbreitet sein muss. Die nicht sehr grosse Stadt hat mehrere RV Parks, so wie das aussah, teilweise aber eher mit permanenten Bewohnern. Entgegen der Information in unserem West Coast-Buch gab es im State Park aber keine Hiker/Biker Sites (73.2 km, 5:47 Stunden). So mussten wir eine reguläre Camp Site bezahlen, was $ 25 kostete. Nicht nett. Wie in schon so einigen dieser Parks, musste man sich auch in Oceano selber registrieren und das Geld in einem Umschlag in eine Art Briefkasten stecken. Wenn wir nicht bezahlten, würde dann wohl jemand kontrollieren kommen?Da die letzte Dusche schon einige Tage zurücklag, investierten wir je $ 0.75 und fühlten uns wie neugeboren. Wobei man dazu eigentlich sagen muss, wir schwitzen hier nicht so krass und da wir uns jeden Abend waschen können, fühlten wir uns eigentlich gar nicht sonderlich schmutzig oder stinkig. Anderswo war das schon nach einigen Stunden schlimmer als hier nach mehreren Tagen. Wie auch in anderen Parks gab es hier Holzboxen um Esswaren aufzubewahren. Racoons, Waschbären, haben auch Hunger und leben hier in Massen. An jenem Abend sahen wir aber nur einige kleine Rehe, die gleich neben unserer Site grasten, als Martina in der Nacht aber rausging, sah sie das Waschbär-Viech, das auf unseren Velos rumturnte und versucht hatte, die Tür der Futterbox zu öffnen.Keinen Regen diese Nacht, dafür sehr kalter Morgen. Tagwache war immer noch um 5.30 Uhr und wir fuhren meist kurz nach 7 Uhr los. Diesmal stoppten wir nach nur wenigen Kilometern bei einem 7 Eleven, so einer Art US-Version unseres geliebten Oxxos in Mexiko, sprich ein Tankstellen-Shop, wahlweise mit oder ohne dazugehörende Tankstelle. Jedenfalls gab es dort warmen Kaffee und das gleich in so grosser Auswahl, dass ich etwas überfordert war. Kaum waren wir weitergafahren, als wir einen Laden sahen, der uns empfohlen worden war: Old Western Cinnamon Rolls. So ein Teil kostete glatte $ 3 pro Stück, stellte sich aber als so fein heraus, dass wir es bereuten, nicht mehr davon gekauft zu haben. Viel passierte den ganzen Tag über nicht, es stand ab und zu mal einen Hügel im Weg, so krass, wie es manchmal auf dem Profil im Buch aussieht, war es jedoch nie. Am Morgen hatten wir ganz leichten Rückenwind, der sich am Nachmittag drehte und natürlich auch stärker wurde, mehr als lästig wurde es an jenem Tag nicht.
Unser Tagesziel war der San Simeon State Park (86.6 km, 5:44 Stunden). Auch einer der günstigeren, dazu noch fast leer. Wir waren jedenfalls die einzigen mit Zelt, die RVs waren etwas weiter weg einquartiert. Am Abend bewies so ein frecher Waschbär, dass es durchaus gerechtfertigt ist, wenn wir unser Futter jeweils in die Holzboxen einschliessen. Es war zwar schon dunkel, mein Velo, wo unser Abfallsack dranhing, stand jedoch nur einige wenige Meter von unserem Tisch entfernt. Wir waren am Abendessen, als plötzlich mein Velo mit einem lauten Krach umfiel. Immerhin hat der Lärm auch den Diebstahl verhindert, da der Racoon offensichtlich auch ziemlich erschrocken ist. Den von Krallen durchlöcherten Sack platzierten wir nun auf dem Tisch und hinterher, wie ja eh geplant, in die diebstahlsichere Mülltonne.
Wieder ein eiskalter Morgen, ein pflutschnasses Zelt und feuchte Schlafsäcke. Aufstehzeit war inzwischen von 5.50 auf 6.00 Uhr verschoben worden. Viel wärmer war es deshalb aber nicht. Die Strecke begann flach und zu Beginn nicht sonderlich interessant. Bis wir zur Elephant Seal Viewing Area kamen. Das ist ein Strand, wo sich immer See-Elefanten aufhalten, von Januar bis März versammeln sich dort aber deren tausende. Der Strand liegt unterhalb eines einige Meter hohen Felsabbruchs und ist zusätzlich mit einem Zaun gesichert, damit keine deppischen Touristen den See-Elefanten in die Quere kommen können. Die Weibchen gebären dort unten ihre Jungen und säugen sie einen Monat lang. Ein Junges ist bei der Geburt 90-120 cm gross und etwa 30-35 kg schwer, nimmt jedoch täglich um die 4-5 kg zu. Etwa einen Monat nach der Geburt haben die Mütter bis zu 40% ihres Gewichts verloren. Sie paare sich wieder und gehen dann zurück ins Meer, wo sie, wie alle See-Elfanten, allein leben. Die Jungen, die nun 100-160 kg wiegen, bleiben zurück um zu wachsen und schwimmen und tauchen zu lernen. Drei Monate später starten auch sie ihre Migration in arktische Gewässer - im Alter von vier Monaten - ebenfalls alleine!
Ist das Leben nicht schön?
Angeberische Männer.
Es war witzig, den Gruppen von fetten, rumhängenden Jungen beim Nichtstun zuzuschauen, den lautstark raufenden Bullen oder ihre Jungen stillenden Müttern. Einige der Kälber schauten so neugierig zu uns Menschen hinauf, wie wir zu ihnen hinunter. Einige der Tiere schmissen sich Sand auf den Rücken und Unterhaltungen wurden laut auch über weitere Distanzen geführt. Diese ganze Zuschauerei war natürlich eine anstrengende Aktivität und so mussten wir bald eine Futterpause einschalten. Für solche Gelegenheiten stehen da extra Bänke herum, und wir machten es uns auf so einem bequem. Als da erst ein Rabe auftauchte, ahnten wir noch nichts böses, auch nicht, als weitere, kleinere Vögel landeten und eindringlich piepend Brösmelis forderten. Doch eher überrascht war ich, als da plötzlich ein Ground Squirrel, so eine Art Boden-Eichhörnchen, hinter mir auf der Lehne des Bankes sass und mir dann gleich mal kurz auf den Kopf kletterte. Ok, Wildtiere sollte man nicht füttern, was aber, wenn diese regelrechte Raubzüge starteten und einem Plastiksäcke durchsuchten und Cracker aus den Händen stehlen? Zu Beginn wehrten wir sie noch ab, dann wurden wir aber neugierig und wollten wissen, wie weit die dreisten Viecher gehen und liessen sie gewähren. Und sie zerren einem also effektiv Cracker aus der Hand, wenn der nicht freiwillig überlassen wird (wenn man etwas gibt, nehmen sie das ganz sorgfältig und vorsichtig), und wenn man sie lässt, sitzen sie einem auf den Arm und essen ganz gemütlich und ordentlich Power Bar.
Krankgelacht ab dem Squirrel.
Wir fanden das Ganze natürlich extrem unterhaltsam und ich fiel fast vom Bank vor lachen. Zwei Ranger warnten uns, dass die Viecher beissen, sie seien schon nach Pflastern gefragt worden. Nun, das hätten wir selber auch dabei, die Hörnchen wollten aber lieber in unser Essen als unsere Finger beissen. Wirklich Lust zum weiterfahren hatten wir beide nicht, was aber natürlich nichts half. Zum Glück war es nicht sehr windig und schon bald wurde auch die Landschaft viel interessanter. Die Küste fiel nun immer steiler ab, wurde schroffer und spektakulärer. Und die Strasse stieg nun an, nicht eines dieser läppischen kleinen Hügelis, sondern so richtig "lang", recht steil und mit sich dem Hang entlangwindender schmalen Strasse ohne Seitenstreifen. Die meisten Autofahrer waren aber relativ rücksichtsvoll und kritische Momente gab es keine. Es gab aber immer mal wieder Orte, wo man parkieren, absteigen und die Aussicht geniessen konnte. Einen solchen längeren Aufstieg, den man so richtig gemütlich anging, hatten wir schon länger nicht mehr gehabt und eigentlich machte das bedächtige bergauf Fahren ziemlich Spass. Dass es inzwischen windiger geworden war, merkten wir zwischendrin jeweils kurz wenn die Strasse die Richtung änderte und kein Felsen uns mehr schützte. Im Windschatten des Berges war es jedoch angenehm warm, was auch schon fast Seltenheitswert hatte.
Hübsche Küste Nr. 1.
Wir kam gar nicht mal so spät beim Kirk Creek Campground im Los Padres National Forest an (65.9 km, 5:02 Stunden), die Hiker/Biker Sites waren jedoch alle schon besetzt. Wir waren etwas geschockt darüber, stellten dann aber fest, dass Freitag war und entsprechend viele Leute unterwegs waren. Bei näherem Hinschauen kam auch die Vermutung auf, dass nicht alle dort Campenden auch wirklich per Velo angereist waren. Bei der Menge Stuff, den einige da hatten, sah das eher nach Autofahrer aus, die halt auch noch Velos mit dabei hatten. Auf dem Zettel der einen Site stand jedoch geschrieben, dass es da noch Platz für andere Ciclistas hätte und dem war auch tatsächlich so. Wir fanden dort noch knapp ein Stücklein Sonne unter den grossen, schönen Eukalyptus-Bäumen, wo unser Zelt bald wieder trocken war. Natelempfang gab es in jenem Teil der Küste nicht, was etwas mühsam war, da wir immer noch auf Antwort potentieller Warmshowers in San Francisco hofften.
Die Nacht war zwar nicht sehr kalt gewesen, am Morgen zogen jedoch Nebelschwaden auf. Das sah sehr hübsch aus und es herrschte eine mystische Atmosphäre, war darum aber auch wieder kühler. Gemäss Profil erwarteten uns zwei grössere Hügel, den ersten davon haben wir jedoch nicht gefunden. All die Vista Points erhöhten nicht gerade unsere Geschwindigkeit und ausser genialer Aussicht gab es dort auch immer mal wieder spezielle Vögel zu bestaunen. Wir selber erregten auch ab und zu etwas Aufmerksamkeit, anscheinend heben wir uns schon von den einheimischen, meist eher Kurzzeitradlern ab (vermutlich weil wir so schwer beladen sind und nicht sehr typische Velokleidung tragen).
Hübsche Küste Nr. 2.
Hübscher Vogel.
An jenem Morgen in der Steigung des zweiten Hügels trafen wir jedoch jemanden, neben dem unsere Radreise ziemlich blass aussah. Tom, der um die Welt rennt, im Schnitt rund 50 km pro Tag. Krass, das ist fast so viel, wie wir auf Rädern machen! Ok, er hat natürlich ein Auto, das voraus/hinterher fährt, da man zu Fuss so eine Ausrüstung natürlich nicht mittragen kann, wir waren aber doch sehr beeindruckt ab seinem Unternehmen. Einige Kilometer später hatten wir die Steigung besiegt und wurden oben von kaltem, fiesen Wind empfangen. Die darauf folgende Abfahrt wäre ohne Wind so richtig rasant gewesen, sie wurde aber auch mit Gebläse immer noch ziemlich zügig. Nur kurz nach dem Mittag checkten wir im Pfeiffer Big Sur State Park ein, einem grossen, bewaldeten und stark frequentierten Park. Hier war auch der Eingang bemannt, bzw. befraut und wir konnten uns bei einer sehr netten Rangerin registrieren lassen (51.3 km, 4:02 Stunden). Die Hiker/Biker Sites waren auch hier nahe dem Highway, die Lärmimmissionen waren aber nicht so krass. Die Sites befanden sich im Wald zwischen riesigen, wunderschönen Redwood Bäumen. Im Sommer wäre es dort bestimmt angenehm kühl, um diese Jahreszeit war es uns aber zu kalt um im Schatten der Bäume rumzuhängen. So machten wir ein kurzes Velotürli ins "Dorf" Big Sur, das de facto nur aus Hotels, Restaurants und sonstigen wenigen Touri-Einrichtungen bestand. Hinterher setzten wir uns ins Restaurant des Parks - es gibt da sogar ein Hotel - tranken megafeinen Tee und frohren zur Abwechslung einmal nicht.
Der nächste Tag war nicht so amüsant. D.h. der Morgen begann sehr positiv. Wir hatten am Vortag in Big Sur von einem Restaurant-Besitzer eine Einladung zum Frühstück erhalten, die wir natürlich gerne angenommen hatten. Das war ein unglaubliches Upgrade im Vergleich zu dem sonst üblichen Granola. Logischerweise starteten wir aber später, erst nach 9 Uhr, und da hatte der Wind schon eingesetzt. Kaum waren wir aus den Hügeln um Big Sur raus, gab es keine Deckung mehr und... und... es war ganz einfach miserabel, in so flachem Terrain so langsam vorwärts zu kommen und bei so schönem Sonnenschein konstant zu fieren. Wir stoppten noch ab und zu für ein Foto, schon bald lag der spektakuläre Küstenabschnitt aber hinter uns und als einzige Ablenkung diente der starke Sonntagsverkehr, der uns auf der schmalen Strasse das Leben schwer machte. Schon etliche Kilometer vor Monterey wurde die Strasse dann breiter, noch stärker befahren und wurde schliesslich zu einer Art Freeway. Wir wussten nicht, welche Ausfahrt für uns die beste war, nahmen schliesslich irgendeine und nach ein paar Mal Nachfragen fanden wir die Strasse, die zum Veterans Memorial State Park führte. Etwa zwei Kilometer recht steil bergauf, ein anstrengender Abschluss des Tages (57.8 km, 4:50 Stunden).
Der Park, mit günstiger Hiker/Biker Site, war aber wirklich hübsch und verfügte über geniale heisse Duschen - gratis! So hatte sich der schweisstreibende Aufstieg immerhin seeehr gelohnt. In der Stadt hatten wir natürlich auch wieder Handykontakt, bekamen die erwarteten SMS und konnten zurücktelefonieren. Laura war sehr nett, gab uns das ok senkte damit unseren momentanen Stresslevel - das Problem Unterkunft in SF war gelöst.
Der folgende Tag war überraschend erfreulich. D.h. erst verblödelten wir in Monterey einiges an Zeit auf der Suche nach Camping Fuel (White Gas). Wir fanden keines und tankten schliesslich bei einer Tankstelle auf. Dann pedalten wir eine längere Strecke auf einem Radweg, der zu Beginn noch nahe am Strand vorbeiführte und darum teilweise versandet war. Später ging es etwas weiter ins Landesinnere durch Landwirtschaftsgebiet. Da Winter, waren viele Felder braun und kahl, was recht desolat aussah. Es gab aber durchaus auch grüne Abschnitte, hier oft mit Artichoken bepflanzt. Das war mal eine Abwechslung nach all dem Broccoli und den Erdbeeren.
Riesige Mengen Artichoken.
Die Strecke war zwar etwas länger als erwartet, da aber ohne Steigungen und sonstigem Widerstand, kamen wir früh in Aptos an, einem Dorf wenige Kilometer vor dem New Brighton State Park. Wir kauften ein und setzten uns für eine Weile in ein Kafe mit Wifi und schlossen uns mit dem Rest der Welt kurz. Später im Park (72.6 km, 4:40 Stunden) fanden wir eine hübsche Hiker/Biker Site ausser Höhrweite von jedem Verkehr, mit grosszügigen Holzboxen um Food-Raub vorzubeugen und sauberen Sanitären Anlagen (die sind jedoch meist i.O.). Wie auf jedem Campingplatz nahe des Meeres war die Luft eher feucht und Schlafsack trocknen ist unter solchen Umständen selbst mit etwas wenig Abendsonne meist nicht sehr erfolgreich.
Die Strecke nach Halfmoon Bay sei sehr schön, haben wir am folgenden Abend gehört. Gesehen haben wir davon so gut wie nichts, es war den ganzen Tag neblig. Was wir mitgekriegt hatten, waren die grossen, bonzigen Häusern am Meer in Santa Cruz, nach der Stadt führte die Bike Route dem Highway 1 entlang durch offenes Gelände, meist in theoretischer Sichtweite des Meeres. Zu Gesicht gekriegt haben wir das Wasser nie, alles war kalt und grau. Ein paar wenige Male sah es so aus, als könnte die Sonne durch den Nebel dringen, auf einem Hügel sahen wir sogar ein klein wenige blauen Himmel, dann war alles wieder zugepackt. Der Wind war nicht superstark, trug aber das Seine zu den ungemütlichen Temperaturen bei und erhöhte den Spassfaktor überhaupt nicht. Dazu war die Strecke lang und eine Möglichkeit, sie abzukürzen gab es nicht, wild campen ist nirgendwo möglich, es ist hier alles eingezäunt.
Erst ganz kurz vor dem Dorf Halfmoon Bay wurde es nach einem kleinen Hügeli sonnig. Bis zum State Park wären es noch ein paar Kilometer weiter gewesen, als wir bei einem Pub ein Schild mit der Aufschrift "RV Park und Camping" sahen (90.7 km und 6:09 Stunden). Ob das aber unsere Preisklasse ist? Fragen kostet bekanntlich nichts, die Antwort, dass campen $ 30 kosten würde, machte aber klar, dass das nicht in Frage kam. Der freundliche Herr fragte dann, was wir den bezahlen wollten und wir sagten, dass die State Parks $ 5 pro Person kosteten. So bot er uns einen Platz für USD 15 an, was wir annahmen in der Hoffnung, im Pub etwas heisses zu trinken zu bekommen. Dem war dann auch so und zu unserer Ueberraschung fand Steve, unser nette Gastgeber, wir müssten das nicht bezahlen, er fände das, was wir machten cool. Womit sich die 5 Dollar schon amortisiert hatten.
Am Morgen bekamen wir nochmals eine heisse Schokolade, das Cameron's Pub in Halfmoon Bay wird uns also in guter Erinnerung bleiben. San Francisco war nicht mehr sehr weit weg, so machte es auch nichts, dass wir wieder etwas später aufbrachen. Der erste Teil der Strecke bestand wieder mal aus einem Hügel mit schmaler, kurviger Strasse. Teilweise sah das wieder recht cool aus, wie da die Strasse dem Hang entlang hinaufklettert und oben durch die Felsen geschnitten ist. Der Abschnitt heisst Devil's Slide und scheint nicht mehr zeitgemäss zu sein: Ein Tunnel ist im fortgeschrittenen Stadium der Fertigstellung.
Martina verschwindet in der Devil's Slide
Nach einer fetzigen Abfahrt und einer Pause auf dem Parkplatz eines Einkauszentrums nahmen wir die letzte längere Steigung vor San Francisco in Angriff. Die offizielle Bike Route verlässt nun HW 1, der breiter und sehr stark befahren war und später zum Freeway wurde. Da Velowege jedoch die Navigation massiv verkomplizieren, blieben wir illegalerweise auf dem FW, der immerhin einen breiten Seitenstreifen hatte. Je näher wir der Stadt kamen, umso unangenehmer wurde das aber und als wir die Beschilderung einer Verzeigung sahen, wurde klar, dass es jetzt so richtig kompliziert werden würde. Wir mussten die 19th Avenue finden, die da auch angeschrieben war. Nur führte die links des FWs weg und wir befanden uns natürlich rechts auf dem Seitenstreifen. Wie sollten wir da je lebend rüber kommen? Das Problem löste sich, als ein Polizist auf einem Motorrad uns vom Freeway pflückte und uns erklärte, dass wir dort nicht erlaubt seien. Hatten wir ja eigentlich schon gewusst, wir spielten aber die verirrten Touris, die wir im Moment ja auch waren. Der Polizist war nett und meinte nur, wir sollten in Zukunft nicht mehr auf die FWs. Nach kurzer Wegbeschreibung zur 19th Av. fuhr er weiter.
Wir dagegen machten Pause, bzw. Martina wechselte einen gelöcherten Schlauch, dann fuhren wir ohne Eile weiter. Laura, unsere WS-Gastgeberin in SF würde eh erst um 19 Uhr nach Hause kommen, was für uns hiess, noch stundenlang irgendwo rumhängen. Am frühen Nachmittag hatten wir das Haus auch schon gefunden, ein paar Blocks weiter parkierten wir am Rand eines des Hügelparks Buena Vista und setzten uns dort die Sonne. Dass das Quartier keine arme Region ist, war eh schon klar gewesen. All die grossen Häuser in viktorianischem Stil stellten einen interessanten Kontrast zu den neuen Retorten-Sururbs von Chula Vista oder LA dar. Hier sah jedes Haus anders aus, jedes hat seinen eigenen Stil und Charakter. Als es kalt wurde, zügelten wir in ein Kafe und als wir kurz vor 19 Uhr beim Haus läuteten, war Laura daheim (47 km in 3:34 Stunden). Ihre Begrüssung war herzlich, die Einführung ins Haus unkompliziert und wir fühlten uns schnell wohl.
Unser Zuhause für drei Tage.
Während wir gelangweilt und mehr oder weniger frierend rumgehängt waren, hatten wir diskutiert, ob sich das eigentlich lohne, so mal kurz einen halben Tag einfach nur warten und nichts tun zu können oder ob es nicht eher sinnvoller wäre, sich in einem Hostel einzuquartieren und somit die Zeit ab Ankunft auch nutzen zu können. Das, was wir hier aber erhalten haben, hat diese Frage bald beantwortet. Damit meine ich nicht nur die luxuriöse Unterkunft und die praktische Location, sondern auch den Empfang und die Gastfreundschaft, die uns hier entgegengebracht wurde. Und noch kurz zum Titel dieses Textes: Damit ist natürlich nicht unser Zuhause auf Zeit gemeint, sondern das kühle, windige Wetter und die Komplikationen, die der Aufenthalt in den USA so mit sich bringen.
Am ersten Tag unseres Aufenthaltes hier machten wir Gebrauch von Waschmaschine und Wifi und spazierten am Nachmittag zum Golden Gate Park, wo wir das Conservatory of Flowers, einen grossen Botanischen Garten mit unterschiedlichen tropischen Klimazonen besuchten. Der Park, oder besser gesagt, der winzige Teil davon, den wir gesehen hatten, gefiel uns sehr. Was auffiel, war, dass hier sehr viele alternativ wirkende Leute rumhängen, auch viele Obdachlose und sonstige Komische. Aber die Stadt ist interessant und würde eigentlich einen längeren Aufenthalt als nur drei Tage verdienen. Tag Nr. 2 verbrachten wir nicht mit mehr Sightseeing, sondern mit Shopping. Es mussten weitere Dinge ersetzt und ergänzt werden werden und man kann nur hoffen, dass nun nicht gleich wieder Sachen kaputt gehen. Am Abend nahmen Laura und ihre 14-jährige Tochter Sophia uns mit zu einem Aussichtspunkt auf einem Hügel in der Nähe des Hauses. Die Aussicht von dort oben auf San Francisco war echt cool und man sah sogar die beiden Pfeiler der Golden Gate Bridge.
Conservatory of Flowers im Golden Gate Park.
Sophia, Laura, ich und Martina,
im Hintergrund San Francisco Downtown.
Laura and Sophia, thank you very much for your kindness and hospitality. We really liked staying in your house, getting to know your two cats and your beautiful city. You were awesome hosts!