Wenn man sich als FeministIn in eine Diskussion mit Menschen begibt, die mit Feminismus nichts am Hut haben, muss man sich immer wieder den Namen einer Frau anhören, die ebenfalls schon lange mit praktizierendem Feminsimus so viel gemein hat wie ein Schlauchboot mit einer Nähmaschine: “Alice Schwarzer …”, hört man dann immer wieder … “Alice Schwarzer hat gesagt ….”, “Alice Schwarzer ist immer so …”
Interessant. Wer ist eigentlich diese Alice Schwarzer und wieso mischt sie sich immer noch ein, wenn es um ein Thema geht, zu dem sie ganz offensichtlich schon vor Jahren den Bezug verloren hat. Der Versuch eines Portraits.
lice war eine der ersten. Sie studierte in Frankreich und startete von dort ihre Bewegung. Befreundet mit Simone de Beauvoir und Jean Paul Satre war sie Gründungsmitglied der ersten Frauenbewegung, dem Mouvement pour la libération des femmes. Ihre erste Aktion war der Kampf gegen das Abtreibungsverbot, in Deutschland unter dem damaligen Paragraph §218 geregelt, der Abtreibung per se verbot. 1971 holte Alice Schwarzer die Aktion nach Deutschland und sorgte für Aufsehen mit dem Titel des Sterns vom 6. Juni 1971 – Wir haben abgetrieben.
Bild: Sternarchiv
In der nachfolgenden Zeit setzte sie sich mit dem Thema Frauen und Arbeit auseinander und von da aus landete sie bei Geschlechtergerechtigket und befasste sich mit der Frage, wie man die Hausarbeit und die Außer-Haus-Arbeit gerecht verteilen kann. Das führte sie zu Überlegungen zur sogenannten Zwangsheterosexualität und den sexuellen Machtverhältnissen, was sie wiederrum dazu veranlasste, ihren emanzipatorischen Standpunkt zu erweitern. Fortan beschäftigte sie sich intensiver mit Machtgefügen. 1977 gründete sie die EMMA, das erste feministische Medium in Deutschland seinerzeit. 1979 fuhr sie mit mehreren Menschen nach Teheran, um gegen Zwangsverschleierung zu kämpfen. Dabei entdeckte sie ein weiteres Feld für sich: Den Kampf gegen religiösen Fundamentalismus. Sie schrieb zahlreiche Bücher und engagierte sich international. Bis hierhin können wir ihr dankbar sein, doch ab 2007 geriet die feministische Praxis der Alice Schwarzer ins Wanken. Heute ist sie nahzu unerkennbar geworden.
Ich erinnere mich gut: In den 70er Jahren hat mir der Playboy mehrfach sehr viel Geld dafür geboten, dass ich, nein, nicht mich ausziehe, sondern ihm ein Interview gebe. Das hätte schon genügt. Die Feministin in dem Pornoblatt – wie geil ist das denn! Es sind eben die immerselben Muster.
(Alice Schwarzer in der Emma)
Denn 2007 begann ihre Arbeit für die BILD”zeitung”. Die neue große Aufgabe verleitete sie dazu, die Verantwortung für die Emma abzugeben. So war es jedenfalls “geplant”, doch die Fernsehjournalistin und Kolumnistin Lisa Ortgies (heute vielen von uns bekannt als die Moderatorin von frau.tv) durfte die Chefredaktion nur für acht Wochen übernehmen, bevor Schwarzer sie wieder ablöste und das Amt zurücknahm. Dabei verfuhr sie äußerst unsolidarisch und ließ über die Medienkanäle verbreiten, dass Lisa Ortgies der umfassenden Verantwortung nicht gerecht werden könne. Für jemanden, die bis hierhin immer für Solidarität und das Auflösen von Vorurteilen á la “Frauen können sowas nicht.” gekämpft hatte, ein höchst seltsamer Dreh. Alice hielt fest an ihrem Wunderland. Lisa Ortgies konnte in ihrer Zeit als Chefredakteurin kein einziges ihrer Themen durchsetzen, weil Alice nicht die Macht aus der Hand geben wollte. Sie regelte auch weiterhin die Geschicke der Emma und ließ die neue Chefredakteurin gar nicht zu Wort kommen. Nach acht Wochen kickte sie die Kollegin und erteilte ihr öffentlich ein schlechtes Zeugnis. Das oberste Gebot des Feminismus lautet:
Löse die Machtdispositive auf.
Feministische Praxis orientiert sich also daran, Machtverhältnisse aufzulösen. Schwarzer selbst jedoch, verfestigt sie in ihrer eigenen Karriere. Doch damit nicht genug. Kommen wir zur BILD. Schwarzer selbst hat die Bild in den Jahren zuvor immer wieder attackiert. Gründe gab und gibt es ja genug. Als Alice Schwarzer den Bildacker zu befruchten begann, gab es auch noch das sog. Seite 1 Girl. Jede Bild zierte eine nackte Frau auf dem Titelblatt, gut sichtbar für alle Kinder, die einfach nur zufällig an einem Kiosk vorbeiliefen. Das Seite 1 Girl, das seit 2012 abgeschafft wurde, war ja aber auch nur das augenscheinlichste Beispiel der Widersprüchlichkeiten zwischen Bild und einer Alice Schwarzer, deren Namen inzwischen schon so etwas wie eine Marke geworden war. Feminismus heißt Alice Schwarzer, so dachten die meisten und da Alice Schwarzer ihre Prominenz über das Medium Bild auch noch vervielfachen konnte, hat sich dieser Gedanke inzwischen in vielen deutschen Köpfen festgebohrt. Dabei ist gerade die Arbeit für die Bild ein so gutes Indiz für den fehlenden Willen zur echten Emanzipation. Die Bild gehört zu einem der allergrößten Verhinderern der Gleichstellung.
Denn die Bild ist ja gar keine Zeitung. Die Bild ist ein Unternehmen, das nach Prinzipien der Gewinnmaximierungen funktioniert. Berichtet wird nur über das, was die Zielgruppe lesen will. In einem reißerischen Ton berichtet die Bild über den Boulevardabfall unserer Gesellschaft. Dabei haben sie sich spezialisiert darauf, Menschen öffentlich bloßzustellen und zu diffamieren. Wie es ja auch Frau Schwarzer gerne tut. Zum Beispiel hier und hier oder hier. Immer wieder vergreift sie sich im Ton, immer wird sie beleidigend. Am eindrucksvollsten ist hierbei wohl das letzte Beispiel über ihren Medienstreit mit Charlotte Roche. Diese musste sich nämlich gerichtlich gegen die Bild wehren, weil diese versuchte, sie zu erpressen, weil sie so gerne die Geschichte des tödlichen Autounfalls ihrer Familie ausschlachten wollten. In diesem Boot saß eine Alice Schwarzer und schrieb einen Verriss des Buches von Charlotte Roche.
Alice Schwarzer glänzt immer wieder durch den Verriss anderer Frauen, gerne auch den anderer Feminstinnen. In Talkshows agiert sie immer als eine Art Mutterschiff, als die Ikone des Feminismus und dabei redet sie mit Feministin Anne Wizorek – Gründerin des #Aufschrei – wie mit einem kleinen Mädchen, fährt anderen über den Mund und betreibt victimblaming. Denn inzwischen hat Alice ja auch verstanden, dass auch sie als Frau es schaffen konnte, zu Ruhm und Geld zu kommen. Somit nähert sie sich immer mehr dem Feminismus einer Sheryl Sandberg. In der Emma lobt sie Sandbergs Buch ausdrücklich. Sheryl Sandberg ist die Facebookchefin und fünfterfolgreichste Frau der Welt laut Forbes und ihr Buch ist eine Art Anleitung, in der Männerwelt erfolgreich zu sein. Dabei wirbt sie aber dafür, sich dieser Männerwelt anzupassen. An dieser Stelle sind Alice Schwarzer und Sheryl Sandberg sich sehr nah. Unter der Behauptung des Feminismus agieren sie beide angepasst. Sie beide arbeiten für Unternehmen, die große Meilensteine des Kapitalismus darstellen. Facebook hat ein weltweites Monopol im Markt der Onlinenetzwerke, Springer ist ein Medienmogul. Beide also – Sandberg wie Schwarzer – stellen ihre Arbeitskraft Unternehmen zur Verfügung, die mit ihrer Marktstellung Millionen verdienen. Beide arbeiten am Erhalt dieser Mächte und werben auch noch offen dafür, sich diesen Märkten anzupassen.
Wer sich für die Schwerpunkte des Feminismus interessiert, sollte sich mit derlei Thesen nicht allzu lange aufhalten, denn in erster Linie wünscht der Feminismus sich Diversität. Feminismus bedeutet weder, dass jede Frau eine Spitzenkarriere hinlegen soll, noch dass wir daran arbeiten würden, ein Matriarchat zu errichten. Der Feminismus will, dass Frauen, Männer, Intersexuelle und Transsexuelle ihr Leben in der Weise führen können, wie sie es selbst für richtig halten. Wir brauchen weder Anleitungen, mit denen eine reiche Frau noch reicher wird, noch brauchen wir die Anfeindungen einer Alice Schwarzer, die ihre Macht im Glanze der Ikonentätigkeit nur allzuoft missbraucht.
Beitrag von: Maike von Wegen / mutterseelenalleinerziehend.de