Mediterran – das klingt doch immer verheißungsvoll, finde ich. Im Sommer, weil wir uns nach leichten, frischen Gerichten sehnen, und im Winter, weil wir uns ein wenig hinwegkochen können von Kälte und Dunkelheit. Deshalb habe ich mich sehr über ein Exemplar von Ali Güngörmüs Buch “Mediterran” gefreut. Vielen Dank an Dorling Kindersley dafür!
Ali Günörmüs wird üblicherweise vorgestellt als “einziger türkischer Koch mit einem Stern”. Nach einigen Stationen in namhaften Restaurant betreibt er seit einigen Jahren in Hamburg das Restaurant “Le Canard Noveau“. Mit Stern und 16 Gault-Millau-Punkten. Alles in allem ein erfreulicher Ausgangspunkt.
Fangen wir mit dem ersten Eindruck an – der ist gut: Das Layout ist frisch und übersichtlich, die Fotos – es gibt zu jedem Gericht eines – sind ganzseitig, schön gemacht und trotzdem realistisch; im Vordergund steht dabei das Essen. Mit ist positiv aufgefallen, dass Ali Güngörmüs uns zwar vom Titel anstrahlt, aber im Inneren gibt es weiter nahezu keine Personality-Fotos, das gefällt mir. Immerhin geht es ja ums Essen. Das Buch hat einen Schutzumschlag, was ich durchaus zu schätzen weiß. Bei mir werden Kochbücher nämlich benutzt, und wenn ich den Umschlag versaubeutelt habe, ist das Buch innen noch in Ordnung. Ein Lesebändchen gibt es auch. Prima.
Und die Rezepte? Sie folgen der klassischen Menüfolge: Vorspeisen, Suppen und Salate, Hauptgerichte mit Gemüse und Pasta, Fisch und Meeresfrüchten, Geflügel und Fleisch, gefolgt von Desserts und einigen Grundrezepten. Übersichtlich formuliert sind die Rezepte: Am linken Rand die Zutatenliste, daneben die Zubereitungsanleitung. Zu jedem Rezept gibt es einige einführende Worte, die entweder die Zutaten erläutern, etwas zur Herkunft des Gerichts sagen oder Zubereitungstipps geben. So etwas mag ich. Inhaltlich war ich aber dann leider enttäuscht. Der Kurztext auf dem Cover verspricht “vom Einfachen das Beste” und innovative Rezepte. Gerichte, wie sie im Restaurant “Le Canard Nouveau” auf der Mittagskarte stehen, werden in Aussicht gestellt. Das weckt Erwartungen, auch bei mir. Auf den ersten Blick war ich auch begeistert – mein Exemplar war schnell mit Post-Its gespickt. Aber ehrlich gesagt bin ich mit den Rezepten nicht so ganz glücklich geworden. Die Gerichte orientieren sich meist an Altbekannten und sind eher einfach: Kartoffelrösti mit Lachstatar und Gurkensalat, Kalbsrücken mit Kräuterpolenta, Panzanella, Pasta mit Tomaten und Oliven. Das ist alles schön, aber mir fehlte einfach die besondere Note, das, was den Rezepten das Besondere verleiht. Die Mittagskarte des Canard Noveau wirkt deutlich inspirierter. Ich habe gekocht und gekocht und konnte gar nicht glauben, dass sich keine rechte Freude einstellen wollte. Irritiert hat mich auch der Umgang mit Gewürzen: der ist zum einen recht sparsam; das Maß der Dinge ist eine Prise. Die richtet aber in für 4 Personen ausgelegten Rezepten nicht viel aus. In überdurchschnittlich vielen Rezepten werden außerdem Gewürzmischung wie Ras-el-Hanout, Baharat, Curry oder Dukka verwendet, gerne auch mal alle nebeneinander. Zudem sind die Portionsgrößen manchmal nicht durchdacht und so manches Rezept auch nicht stimmig, was die Zubereitung angeht.
Das erste ausprobierte Rezept war ein kleiner Reinfall. Die Taleggio-Gnocchi auf Spinatcrème haben zwar wunderbar geschmeckt. Aber wie man eine Gnocchi-Masse, die aus 200 gr. gekochten Kartoffeln und ein wenig Mehl besteht, mit 200 gr. Käse-Würfelchen füllen soll, wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Normalerweise würde ich solche Rezepte gar nicht befolgen; aber beim Rezensieren kann ich starrköpfig sein . Ich habe knapp die Hälte des Käses unterbringen können, das war zu viel. Er ist beim Abkochen der Gnocchi zum Teil wieder herausgelaufen. Das Rezept kommt aus den Gemüse-Teil des Buches – es steht nicht etwa bei den Vorspeisen. Es ist für 4 Personen berechnet; wir sind zu zweit nicht richtig satt geworden. Beim nächsten Mal würde ich die Kartoffelmasse verdoppeln, dann sollte das klappen. Die Spinatcrème, für die Blattspinat mit Kartoffeln und Crème fraîche aufgemixt wird, ist ein Traum. Die wird es öfter geben.
Bei der Kartoffelpfanne mit Garnelen konnte hingegen nichts schiefgehen; die gab ein schönes, enfaches Mittagessen ab. Ich fand die Pfanne zunächst etwas langweilig, aber der Rucola, der am Ende untergehoben wird gibt dann doch noch einen gewissen Kick.
Der Linsen-Apfel-Salat war fein. Die Linsen werden mit recht vielen Gewürzen gegart, dann mit gebratenen Frühlingszwiebeln, säuerlichem Granny-Smith und einem Dressing serviert. Das kam gut an bei meinen Gästen. Zu bemäkeln allerdings habe ich die Portionsgröße: 500 gr. trockene Linsen für 4 Personen sind zu viel. Ich habe eine halbe Portion zu bereitet, und das hat mehr als gereicht.
Ich esse furchtbar gern Ente; klar, dass ich die Entenbrust auf Radiccio-Linsengemüse testen mußte. Das Gemüse hat sich dem Versuch, attraktiv fotografiert zu werden, starrsinnig widersetzt. Geschmeckt hat es aber gut. Allerdings wird der Radiccio in etwas karamellisiertem Zucker und Portwein geschmort; er war dadurch zwar angenehm süß, die Bitternote, die ich sonst an Radiccio so schätze, ist aber leider komplett untergegangen.
Auf die Weinblättersuppe war ich sehr gespannt. Weinblätter fülle ich; niemals wäre ich auf die Idee gekommen, sie in einer Suppe zu verarbeiten. Vielleicht habe ich die Blätter nicht ausreichend gewässert; die Suppe hatte jedenfalls trotz eifrigen Nacharbeitens mit Brühe und Sahne eine zu ausgeprägte Säure.
Auch auf die Falafel war ich neugierig – werden sie doch im Gegensatz zu dem, was ich sonst kenne, aus gekochten Kichererbsen gemacht. Nun, sie haben gehalten. Und geschmeckt haben sie auch. Besonders angetan hatte es uns der dazu servierte Joghurt-Dipp mit Minze und Harissa: kühl und scharf – wunderbar.
Richtig klasse waren auch die knusprigen Teigtaschen mit der Kartoffel-Olivenfüllung: außen krachend-knuspriger Filo-Teig, die würzige Füllung aus Kartoffeln, Frühlingszwiebeln und Oliven – herrlich. Dazu sollte gebratener Lachs auf dem Tisch stehen, was ich eher überflüssig und unharmonsich finde – ein einfacher grüner Salat passt wesentlich besser.
Das geschmorte Gewürzhuhn ist ein Beispiel, wie in den Rezepten Gewürze eingesetzt werden. Für ein ganzes Hühnchen sollen wir je 1 Prise Curry, Baharat, Dukka und Ras-el-Hanout verwenden. Ich habe 1 TL Baharat verwendet; so hat uns das Hühnchen gut geschmeckt. Mir hat besonders die frische Note gefallen, die durch mitgegarte Zitronenscheibchen erreicht wird.
Mein Fazit: ganz ehrlich, ich hatte mir mehr erwartet. Ein Mehr an Inspiration. Man findet viele Rezepte die zwar schön sind, aber nicht wirklich etwas Neues. Möglicherweise legt das am Konzept des Buches: Ali Güngörmüs wollte zeigen, dass auch ein Sternekoch ganz normal kochen kann, so schreibt er es in seinem Vorwort. Wer sich für das Buch interessiert, kann es direkt hier beim Verlag bestellen.