Damit bestätigten sich Befürchtungen, die nach dem Fund einer Frauenleiche am vergangenen Sonntag im selben Ort aufgekommen waren. Die Kriminalpolizei aus Portimão hatte die Eltern in Österreich am 10. November per Telefon informiert, dass es im Raum Pedralva (Kreis Vila do Bispo) an der Westküste der Algarve den Fund einer weiblichen Leiche gab. Die Beschreibung passe auf ihre Tochter, wurde den Eltern mitgeteilt. Hundertprozentige Sicherheit könne es allerdings erst nach einer gerichtsmedizinischen Untersuchung einschließlich einem DNA-Abgleich geben.
Die Autopsie wurde von Montag an in der Gerichtsmedizin der West-Algarve in Portimão durchgeführt. Zu Wochenbeginn sickerte bereits aus Polizeikreisen heraus, dass die Tote nach den bisherigen Ermittlungen wohl kein Opfer eines Gewaltverbrechens gewesen sei. Hierfür gebe es keinerlei Hinweise. Kurz danach lag der amtliche Befund vor: Die Tote ist tatsächlich die vermisste Österreicherin.
Julia hatte sich unmittelbar vor ihrem rätselhaften Verschwinden in der näheren Umgebung der abgelegenen Siedlung "Vegan Hills" aufgehalten - in einem Camper Van. Das Projekt der gemeinnützigen Organisation Vegoa hat sich nachhaltigem und ethischem Leben verschrieben.
Chronik der Ereignisse
Hier ein Überblick über die wesentlichen bekanntgewordenen Abläufe in dem 20-wöchigen Drama. Wir fassen zusammen, was portugiesisch‑, englisch- und deutschsprachige Medien bislang berichteten.
Die Vermisstenanzeige gab der Julia begleitende Ex-Freund, der Belgier Tybo Gaggero (31) auf der örtlich zuständigen Wache der Republikanischen Nationalgarde GNR in der Kreisstadt Vila do Bispo auf. Den Beamten berichtete er, dass die schlanke, blonde 28-Jährige aus Salzburg, die 1,70 Meter groß ist, ein graues T‑Shirt, braune Shirts und Flip-Flops trug, verschwunden sei - merkwürdigerweise ohne ihren Computer, ihr Handy, ihre Ausweispapiere, ihre Bankkarten und ihren Rucksack mit Kleidungsstücken.
Auf ausgedehnter Europareise mit eigenem Camper Van
Julia hatte sich auf einer ausgedehnten Europareise mit einem eigenen Camper Van befunden. Dieser war sowohl Schlafstätte, als auch Arbeitsplatz. Schon im Dezember 2018 lernte sie, als sie in Pedralva, einem kleinen, einsam gelegenen Dörfchen an der Südwestspitze Kontinentaleuropas jobbte, den Belgier Tybo kennen. Der Ort liegt an an der rauen, ländlichen West-Algarve, im Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina.
Die österreichische Grafikerin und Designerin und der belgische Maler verstanden sich schnell, kamen sich - wie er berichtete - "sehr nahe", reisten zusammen an die Strände, besuchten Märkte und unternahmen gemeinsam vieles mehr. Ein österreichisches Boulevard-Blatt zitierte Tybo mit der Aussage "...und wir verliebten uns". Der Belgier sprach nach Angaben der Zeitung von "wunderbaren Wochen". Die beiden seien viel in der Natur unterwegs gewesen, hätten tolle Gespräche gehabt und - so wörtlich: "Wir lachten, wir tanzten".
Nach Südamerika-Trip des Freundes schien Julia verändert zu sein
Im März ging der Belgier für einige Zeit nach Südamerika - wegen eines Jubiläums in der Familie. Julia habe sich mittlerweile in Pedralva "extrem wohl" gefühlt und ihn leider nicht begleiten wollen.
Laut Tybo hielt er von Südamerika aus intensiven Telefon- und SMS-Kontakt. Nach Rückkehr im Mai sei Julia ernster und nachdenklicher als zuvor gewesen. Sie habe aber von Plänen gesprochen, in Portugal wieder ihrem Traumberuf nachzugehen, den sie schon in Österreich gerne ausübte - Kleidungsstücke mit selbst entworfenen Ornamenten zu bedrucken.
Als Julia einen Unfall hatte, bei dem ihr Camper Van fahruntüchtig wurde, nahm Tybo sie in seinem eigenen Van auf. Der Belgier schilderte, wie sich - offenbar wegen Schuldgefühlen ihm und den Eltern gegenüber - der psychische Zustand von Julia verschlechterte. Sie habe nur noch nach Hause gewollt; die Beziehung ging in diesem Zusammenhang offenbar in die Brüche, wie Tybo andeutete.
Julia: Beziehung zerbrochen, Camper Van kaputt
Als der Belgier nach eigenen Angaben am Abend des 28. Juni zu einem Konzertbesuch nach Burgau fuhr und Julia mit seinem Hund alleine in dem Camper Van in Pedralva blieb, verschwand die Österreicherin spurlos. Am 28. Juni konnte Tybo nur noch seinen offenbar verängstigten Hund in der Nähe des Campinggeländes aufspüren, aber nicht mehr Julia.
Deren Mutter sagte später der Redaktion " Algarve für Entdecker":
"Noch am Tag ihres Verschwindens, am 28. Juni, haben wir miteinander telefoniert und auch über Dinge gesprochen, die wegen eines vorausgegangenen Unfalls mit ihrem Camper Van noch abzuklären waren und wie wir ihr dabei helfen können. Wir haben vereinbart, dass beide Seiten noch einige Telefonate tätigen und wir uns am nächsten Tag noch einmal anrufen, um uns abzustimmen. Sie wirkte völlig normal".
Tybo nahm nach Julias Verschwinden Kontakt mit den Eltern auf, kommunizierte auch mit der österreichischen Botschaft in Lissabon. Er verwendete private Fotos, um in Abstimmung mit der Familie (wie er sagte) Suchplakate herzustellen und zu verbreiten. Auf den Plakaten stand der volle Name der Gesuchten.
Der Belgier informierte auch regionale Medien, gab Interviews - unter anderem im portugiesischen Fernsehen - um die Suche nach Julia zu forcieren. Tybo und sein Freundeskreis schufen auch eine Instagram- und Facebook-Seite, über die Hinweise zum Aufenthaltsort von Julia Weinert übermittelt werden konnten. Der Belgier bat zum Schluss auf der Webseite Gofundme.com persönlich um finanzielle Unterstützung für die Suche.
Dorfbewohner gab Hinweis auf Spaziergängerin
Die polizeilichen Suchmaßnahmen starteten - auch nach Einschätzung österreichischer Kriminalexperten - relativ spät und waren, so zeigt sich jetzt, durchaus lückenhaft. Offenbar spielte dabei eine Rolle, dass bei Erwachsenen, solange keine dringender Verdacht auf eine mögliche Straftat vorliegt, zunächst einmal davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Aufenthaltsort frei wählen und selbst bestimmen.
Als GNR-Beamte am 30. Juni die dünn besiedelte und abgelegene Gegend rund um den Platz durchforsteten, an dem Julia verschwunden war, trafen sie bei Gesprächen mit Ortsansässigen auf einen Dorfbewohner, der die Gesuchte tags zuvor in Richtung der Ortschaft Budens gehen gesehen haben wollte. Laut Polizeibericht schritten die Beamten den Weg nach Budens ab, fanden die Österreicherin aber nicht. Fünf Feuerwehrmänner, ein Fahrzeug und rund zehn Freunde der Vermissten sollen bei den allerersten Suchmaßnahmen geholfen haben.
Leiche in der Umgebung des Wegs nach Budens gefunden
Genau in der Umgebung dieses Wegs nach Budens ist Julias Leiche aber jetzt am Sonntag, 10. November, von einem Einheimischen gefunden worden. Warum, so fragen sich Beobachter vor Ort, waren die Suchmaßnahmen der GNR-Polizei nicht gründlich genug, um die Österreicherin in der Nähe zu finden? Der intensive Einsatz von Spürhunden und einer großen Zahl von Bereitschaftspolizisten, die das unwegsame Gelände durchkämmen, hätte sicher zum Auffinden geführt und somit das spätere Einschalten von portugiesischer Kriminalpolizei, Europol und des Vermissten-Netzwerks SIRENE überflüssig gemacht...
Kritik an schleppender Suche der Behörden
Als vier Wochen erfolgloser Suche verstrichen waren, äußerte Tybo öffentliche Kritik am schleppenden Vorgehen der Behörden. Die Eltern und eine Cousine von Julia reisten Ende Juli an, um vor Ort den Camper Van und die anderen persönlichen Gegenstände von Julia zu übernehmen. Ihre Cousine veröffentlichte eine Video-Botschaft auf der Facebook-Seite "Help Finding Julia", Tybo verbreitete einen offenen Appell an seine Ex-Freundin, sich doch zu melden.
Die österreichische Botschaft erklärte stets, mit allen an der Suche beteiligten Stellen engen Kontakt zu halten. Die Maßnahmen hätten "absolute Priorität". Die "Entscheidungsgewalt" für die Durchführung von Aktionen vor Ort liege allerdings bei den portugiesischen Behörden, wurde betont.
Die Republikanische Nationalgarde GNR erklärte am 3. Juli auf Anfrage, sie habe "alle notwendigen Schritte unternommen und die notwendigen Mittel zur Lokalisierung der betreffenden Bürgerin bereitgestellt". Sie werde sich weiterhin bemühen, Julia Weinert zu finden". Die Sicherheitspolizei PSP verwies auf die territoriale Zuständigkeit ihrer GNR-Kollegen.
Anders als in den Jahren zuvor meldete sich Tochter Julia auch zum Geburtstag ihrer Mutter Elfriede Ende August nicht. Noch 2018 hatte die Salzburgerin ein Glückwunsch-Foto mit dem Gruß "Alles Gute, Mama" von den Algarve-Klippen übermittelt. Die Mutter stellte dieses Bild und andere private Fotos von ihrer Tochter unserer Redaktion bereit. Sie verband mit der abgestimmten Veröffentlichung die Hoffnung, dass ein Lebenszeichen oder Hinweise auf den Aufenthaltsort von Julia eingehen.
Eltern setzten Hoffnung auf Kripo-Erfolge
Nach zehnwöchiger erfolgloser Ermittlungsarbeit der republikanischen Nationalgarde GNR übertrug das portugiesische Innenministerium Mitte September der Kriminalpolizei Polícia Judiciária (PJ) den Fall. Er wurde grundlegend neu aufgerollt. Die Ungewissheit und die Unklarheit über die Effizienz der Suche nach Julia zerrten spürbar an den Nerven der Familie.
Doch die Übergabe der Ermittlungen an die portugiesische Kriminalpolizei förderte keine wesentlich neuen Erkenntnissen zutage. Fortschritte blieben aus. Auch der Informationsfluss hin zu den besorgten Eltern im österreichischen Flachgau verbesserte sich nicht. "Es keimte bei uns die Hoffnung, dass es vorangeht", sagte die Mutter zur Einschaltung der Polícia Judiciária. Aber es sei "leider wieder ein Schlag ins Wasser" gewesen. Den Eltern kam es vor wie ein Déjà-vu zur Arbeit der GNR... Die Enttäuschung war entsprechend groß, auch über manchmal mangelhafte Unterstützung durch österreichische Behörden.
Professionalität der Suche wirft Fragen auf
"Wir fragen uns: Warum fand nicht sofort eine vollständige Suche am Ort des Verschwindens statt?", sagte die Mutter schon am 28. August in einem Interview mit " Algarve für Entdecker". Warum es zudem nie einen öffentlichen Suchaufruf der portugiesischen Polizei gab oder warum ist es nicht möglich war, von staatlicher Seite eine Belohnung für Hinweise auszuloben, so wie es in anderen Fällen durchaus üblich ist, bleibt bislang ebenfalls unklar.
Doch selbst eine von den Eltern privat ausgesetzte Belohnung in Höhe von 5.000 Euro erbrachte keine verwertbaren zusätzlichen Hinweise. Mehrere Personen zeigten sich zwar überzeugt, Julia gesehen zu haben. Aber Nachprüfungen ergaben jeweils, dass es keine stichhaltigen Beobachtungen waren.
Wenn auch wegen des Alters von Julia Weinert anders gelagert, erinnert der Fall ein wenig an die bis heute erfolglose Suche nach dem britischen Kind Madeleine McCann ("Maddie"), das 2007 im Algarve-Badeort Praia da Luz bei Lagos auf rästselhafte Weise verschwunden war. Die polizeiliche Tatortsicherung unmittelbar nach dem gemeldeten Vermisstsein der knapp vierjährigen Britin und die sich anschließenden Ermittlungsarbeiten der portugiesischen Polizei waren später von Experten, vor allem in Großbritannien, zum Teil heftig kritisiert worden.
Berichterstattung zum Vermisstenfall
Hier ein Überblick über unsere früheren Artikel zur Suche nach der vermissten Österreicherin Julia Weinert:
Algarve-Polizei findet Frauenleiche im Raum Pedralva - Ist es Julia Weinert (28)? (11. November)