In seinem 2013 erschienenem Roman Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer beschreibt der in der Schweiz lebende Alex Capus die Schicksale dreier Menschen, die sich, wenn überhaupt, nur einmal in ihrem Leben begegnet sein könnten. Zufällig waren alle drei an einem Herbsttag des Jahres 1924 gleichzeitig am Zürcher Bahnhof. Das ist auch alles, was Laura d’Oriano (die Spionin), Felix Bloch (der Bombenbauer) und Emile Gilliéron miteinander verbindet. Also eigentlich nichts. Außer der Tatsache, dass alle drei irgendwann in ihrem Leben einen Weg einschlagen, von dem sie nie geträumt hätten, ihn jemals zu gehen.
Laura träumt vom Singen
Laura ist die Tochter einer Künstlerfamilie, die um die Welt reist – zumeist in den Ländern des vorderen Orients. Das Mädchen träumt davon, Sängerin zu werden, jedoch professioneller als ihre Mutter. Die Familie wird schließlich seßhaft in Marseille und übernimmt ein Musikaliengeschäft. Laura lernt einen jungen Schweizer kennen, heiratet, wird Mutter und zieht mit ihrem Mann schließlich in dessen Heimatdorf. So richtig kommt sie dort jedoch nie an und verlässt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihre Familie, um zurück nach Südfrankreich zu kehren und sich dort um den Laden zu kümmern. Sie hat des Öfteren Auftritte und schickt regelmäßig Geld in die Schweiz. Eines Tages wird Laura von einem Mann angesprochen, der sie als Spionin im Kampf gegen die Nazis anheuert.
Nur nicht der Maschine dienen
Felix Bloch wächst in der Schweiz auf. Wenn es nach seinem Vater ginge, würde er Maschinenbau-Ingenieur werden, doch dem Sohn schwebt etwas anderes vor. Er will nichts tun, was in irgendeiner Form der Kriegsmaschinerie dienen könnte. Und fast alles dient der Maschine. Also beschließt er, etwas in seinen Augen ganz und gar unnützes zu studieren: Physik, genauer gesagt Quantenmechanik. Er wird zum Experte auf seinem Gebiet und lehrt an verschiedenen Universitäten. Als die Nazis im Begriff sind, die Atombombe zu bauen, wird er in ein Wissenschaftlerteam berufen, das den NS-Forschern zuvorkommen soll. So baut Felix, der nie etwas mit Krieg und Militär zu tun haben wollte, die vernichtendste Waffe, die je von Menschen erschaffen wurde.
Kein Leben für die Kunst
Emile Gilliérons Vater ging Ende des 19. Jahrhunderts nach Griechenland, um für den berühmten Troja-Forscher Schliemann zu arbeiten. Er fertigt Skizzen von Artefakten an, vollendet kunstfertig unvollständige Fresken und Bauten. Der Sohn, der das Talent des Vaters geerbt hat, übernimmt nach seinem Tod dessen Stelle. Zunächst erzielt er mit seiner Arbeit ein überaus gutes Auskommen. Doch mit dem Aufkommen einer neuen Generation von Archäologen ändert sich das und Gilliéron verdingt sich zunehmend als Fälscher von antiken Kunstgegenständen.
Unrealistisch?
Diese drei Handlungsstränge durchziehen Capus‘ Roman und sie erschienen konstruiert und unglaubwürdig, wenn man sich als Leser nicht weiter mit diesen Geschichten beschäftigt. Laura wird zu einer Art Mata Hari, der Physiker und Pazifist Bloch wird -natürlich – zum Mit-Erfinder der Atombombe. Da ist die Geschichte Gilliérons noch am wahrscheinlichsten, verkannte Künstler, die sich unter Wert verkaufen müssen, gibt es schließlich genug. Daher überzeugte Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer eine ganze Zeit überhaupt nicht, auch wenn der Roman nett zu lesen war. Erst als ich von der realen Person Felix Bloch las und unmittelbar nach den anderen beiden Protagonisten recherchierte, änderte sich meine Meinung. Alle drei Geschichten basieren auf Tatsachen. Was mir konstruiert erschien, ist – natürlich nicht in allen Einzelheiten – historisch belegt. Da sieht man wieder einmal, die unglaubwürdigsten Geschichten schreibt so oft das Leben selbst.
Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
Hanser Verlag
München 2013
282 Seiten
19,90 EUR