Die Risikoprämie bleibt auch an diesem Morgen bei 540 Punkten! Jetzt zeigt sich, dass die gestrigen Ansagen rein gar nichts genützt haben. Die konservative Regierung in Madrid ist in Aufruhr, operative Hektik ersetzt konkrete Pläne und klare Ansagen, Reisen nach Berlin und New York sollen Hilfe bringen, aber niemand weiss wie. Ministerpräsident Mariano Rajoy setzt auf die griechischen Wahlen – und ist nicht einmal sicher, welches Ergebnis er sich wünschen soll. Deutliche Alarmstimmung in Spanien ist jetzt fühlbar und die Hilflosigkeit der Regierung komplett.
Die gestrige Hoffnung ist schon zerstört: Brüssels Ansage, Spanien ein Jahr länger Zeit zu geben (bis 2014), um das Defizitziel von drei Prozent zu erreichen, hat nichts genützt. Auch die Wirkung der Absichtserklärung, eine europäische Bankenunion zu gründen, die die Banken, die in Probleme geraten sind, ab Juli direkt über den ESM unterstützt statt wie bisher über nationale Regierungen, ist offensichtlich komplett verpufft.
Wirtschaftsminister Luis de Guindos versucht den “Chef des Nein” in Berlin umzustimmen, damit Wolfgang Schäuble nicht weiter die Zentralbank blockiert. Mario Draghi würde mit Stützungskäufen helfen wollen; Deutschland verhindert das bisher.
Rajoys Regierung klammert sich an den Ausgang der griechischen Wahlen. Bis zum Urnengang in Athen am 17. Juni werde sich in Europa nichts bewegen, glaubt man. Bis dahin müsse Spanien irgendwie aushalten. Das erscheint schwierig, denn heute morgen liegt die Risikoprämie schon wieder bei 540 Punkten und die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen nähern sich gefährlich den sieben Prozent, die allgemein als nicht mehr finanzierbar gelten.
Wenn die Linke in Griechenland gewinnt, so spekuliert Rajoys Regierung, sei es wahrscheinlich, dass Athen den Euro verlässt. Das werde Deutschland und die Europäische Zentralbank unter Handlungsdruck setzen, um zu verhindern, dass “die Märkte” sich dann verstärkt gegen Spanien und Italien wenden. Tragen andererseits Konservative und Sozialisten in Athen den Sieg davon und akzeptieren die Vorgaben der EU, wie Wirtschaftsminister Luis de Guindos glaubt, käme Europa wieder in ruhigeres, wenn auch unvorhersagbares Fahrwasser. In Madrid ist man nicht sicher, was man vorziehen soll. Einig sind sich alle nur, dass bis dahin kaum etwas Entscheidendes passieren dürfte.
Bisher führen die Spargegner in den griechischen Umfragen vor der Wahl am 17. Juni. In Madrid ist man nicht einmal sicher, welchen Wahlsieger man sich in dieser verfahrenen Situation wünschen soll.
Bis dahin muss opreative Hektik konkrete Pläne ersetzen, die es schlicht nicht gibt, wie sich jetzt zeigt. Rajoy hatte geglaubt – und im Wahlkampf hundertmal gesagt -, die Konservativen müssten nur an die Regierung kommen, um “das Vertrauen der Märkte” geschenkt bekommen. Das war ein Trugschluss. Seit dem Regierungswechsel wurden brachiale Strukturreformen (Sparprogramme) verkündet, wie sie Rajoys Mentorin Angela Merkel fordert. Auch das hat nichts genützt. Die Risikoprämie liegt so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr und schwelt knapp unter der Interventionsschwelle.
Jetzt geht es nur noch mit internationaler Hilfe! Wirtschaftsminister Luis de Guindos jettete gestern schnell zu Wolfgang Schäuble, dem “Chef des Nein”, wie spanische Zeitungen schreiben, der verhindert, dass die Zentralbank mit Stützungskäufen von Staatsanleihen aushilft. Heute hat Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría, die sich in wirtschaftliche Belange bisher kaum einmischte, zwei Termine in New York: Mit Christine Lagarde vom IWF und mit Timothy Geithner, dem Finanzminister der USA – beides Schlüsselfiguren, die seit längerem ohne Erfolg Druck auf Angela Merkel ausüben, um die Bundeskanzlerin zu veranlassen, ihre “alternativlose” europäische Spar-Politik aufzugeben und Ländern wie Spanien zu helfen.
Die hektische “Reise-Diplomatie” ist das letzte Mittel. Der konservativen Regierung, die komplette Hilflosigkeit ausstrahlt, fällt nichts anderes mehr ein. Wenn keine Hilfe von aussen kommt, ist Spanien am Ende, das weiss man inzwischen in Madrid. Zu viele Banken mit zu vielen “toxischen Papieren” warten noch auf “Rettung”. Wirtschaftsminister De Guindos klammert sich noch daran, dass Spanien “dieses Jahr kaum Geld zur Refinanzierung braucht”, doch auch das klingt längst wie Pfeifen im dunklen Wald.
Die Wettervorhersage, die wir seit Monaten präsentieren, bleibt unverändert: Zuerst fällt Griechenland. Danach Spanien und Italien – nur deswegen, weil Portugal und Irland zu klein sind und kein lohnenswertes Spekulationsobjekt für “die Märkte”. Frankreich steht dann als nächsts Opfer auf dem Speiseplan der internationalen Zocker: Soeben wurde angekündigt, dass Paris in diesem und im nächsten Jahr sein Defizit-Ziel verfehlen werde. Die Regierung Hollande müsse noch mehr sparen, fordert Brüssel. „Das hohe Niveau der öffentlichen Schulden stellt eine Gefahr für die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen dar. Der kürzliche Anstieg der Zinsen für Staatsanleihen deutet darauf hin, dass die Märkte über die finanzielle Situation des Landes besorgt sind“, heißt es im EU-Bericht über Frankreich.
Fazit: Entweder betreffen die kommenden “Strukturreformen” das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem – oder Europa ist unweigerlich am Ende. Besser gesagt: Europa zuerst … wenn es die USA nicht noch vorher erwischt.