Massive Abholzungen, Monokulturen und Erosionen – die Tropen sind schon längst kein Ort unberührter Natur mehr. Wie sieht es aber in den tropischen Schutzgebieten aus? Wie ist es dort um die Biodiversität bestellt? Dieser Frage ist der Biologe William F. Laurance von der James Cook University im australischen Cairns unter der Mitarbeit von über 200 Wissenschaftlern weltweit, darunter auch von der Universität Koblenz-Landau, nachgegangen. Das Ergebnis der Studie, die aktuell in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, gibt Anlass zur Sorge: In rund der Hälfte der untersuchten Schutzgebiete ist die Artenvielfalt ernsthaft gefährdet.
31 Tier- und Pflanzenarten in 60 Schutzgebieten in 36 tropischen Ländern Afrikas, Asiens und Amerikas hat die Studie unter die Lupe genommen – von Schmetterlingen über Primaten und Raubkatzen bis hin zu Bäumen. Dazu wurden 215 Wissenschaftler weltweit befragt, die durchschnittlich 20 Jahre in tropischen Schutzgebieten geforscht haben, so dass lange Vergleichszeiträume als Grundlage der Studie dienten. Die Wissenschaftler bewerteten, wie sich die Populationsdichte zahlenmäßig in den vergangenen zwei Jahrzehnten in ihrem beforschten Schutzgebiet verändert hat und gaben Auskunft über 21 Einflussfaktoren, beispielsweise Niederschläge, Klimaveränderung oder menschliche Eingriffe. Die Aussagen der Wissenschaftler hat Laurance mit 59 aktuellen und unabhängigen Datensätzen validiert.
Das Ausweisen von Schutzgebieten allein genügt nicht für die Artenerhaltung. Gebiete, die vor Ort selbst einen besseren Schutz genießen, haben die Biodiversität über die Zeit besser erhalten, lautet die Kernaussage der Studie. „Das klingt auf den ersten Blick vielleicht banal“, räumt Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften Landau an der Universität Koblenz-Landau ein. Der Biologe hat an der Studie mitgearbeitet und erforscht seit den frühen 1990er Jahren die Diversität von Ameisen auf Borneo. „Aber“, erklärt der Wissenschaftler die Wucht der Ergebnisse, „diese Studie belegt erstmals empirisch und weltweit den tatsächlichen ökologischen Zustand in den tropischen Schutzgebieten“. Und der ist ernüchternd: Rund 50 Prozent der untersuchten Gebiete ist intakt, in der anderen Hälfte nimmt die Artenvielfalt alarmierend ab.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Schutzgebiete funktionieren nicht isoliert, sondern stehen in engem ökologischen Austausch mit ihrer Umgebung. Je größer der ökologische Druck rund um das geschützte Gebiet ist, desto höher ist auch der Umweltstress innerhalb des Reservats. Wird beispielsweise um das Schutzgebiet herum massiv Wald
Die Folgerung der Wissenschaftler ist gleichzeitig eine Aufforderung an die Politik: Es müssen effizientere Maßnahmen zum Schutz der Schutzgebiete in den Tropen entwickelt werden - und das schnell. Denn die tropischen Schutzgebiete sind weltweit die letzte Bastion der terrestrischen Biodiversität. Ohne funktionierende geschützte Gebiete wird die Artenvielfalt dort für immer verschwinden.
Die Studie wird in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Sie kann bereits online unter http://dx.doi.org/10.1038/nature11318 nachgelesen werden.