AKW Leibstadt: Brisante Details aufgetaucht

Eine Mitteilung des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) verschweigt wichtige Details zu einem Tauchunfall im AKW Leibstadt.

AKW Leibstadt: Brisante Details aufgetauchtFür Journalisten gibt es eine grosse Versuchung: Medienmitteilungen einfach abzuschreiben. Dadurch erspart man sich erstens Zeit und zweitens teilweise lästige Auseinandersetzungen mit Mediensprechern. Es gibt für Journalisten aber auch eine grosse Herausforderung: Nachhaken. Das ist nicht immer bequem – aber manchmal ergiebig. Schon fast traditionellerweise lohnen sich Nachfragen bei Medienmitteilungen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi), denn dort wird selten mehr gesagt, als unbedingt notwendig. Und manchmal sogar deutlich weniger.

So meldete das Ensi am 21. Dezember in einer kaum auffindbaren Mitteilung auf der «Vorkommnis»-Liste auf seiner Website, den Abschluss der Untersuchung zu einem Vorfall vom 31. August. Damals hatte ein Taucher im Kernkraftwerk Leibstadt bei Arbeiten im Brennelement-Transferbecken einen am Beckengrund liegenden Gegenstand aufgehoben, ein hoch radioaktives Stück eines Rohrs, das vier Jahre zuvor bei Revisionsarbeiten unbemerkt abgebrochen war. Der Mitarbeiter einer externen Taucherfirma bekam dadurch eine Dosis von 28 Milli-Sievert (mSv) ab, erlaubt wären 20 mSV – pro Jahr. An gewissen Stellen der Hand betrug die Dosis sogar 7,5 Sievert (nicht Milli-Sievert!).

Das Fazit des Ensi: «Das Ensi hat überprüft, ob Hinweise auf eine Übertretung des Strahlenschutzgesetzes vorliegen. Gemäss den Erkenntnissen aus der Vorkommnisbearbeitung durch das Ensi ist dies nicht der Fall. Das Ensi verfolgt die Umsetzung der vom KKL ergriffenen Korrekturmassnahmen und verlangt Verbesserungen bei den vor und während Taucharbeiten vorzunehmenden Dosisleistungsmessungen.»

Da lohnt sich nicht nur eine Nachfrage, sondern gleich ein Gesuch um Herausgabe der Untersuchungsakten. Der «Beobachter» hat das getan – und die Berichte des Ensi und der externen Strahlenschutzexperten tatsächlich erhalten. Die Lektüre bringt erstaunliche Details an den Tag:

  • Das Brennelement-Transferbecken, in dem der Mann tauchte, wurde vor den Arbeiten nur punktuell ausgemessen.
  • Ein tragbarer Unterwasser-Geigerzähler für den Taucher stand nicht zur Verfügung.
  • Die «Überwachungsperson am Beckenrand», mit der der Taucher in Funkkontakt stand, war ein Mitarbeiter der Taucherfirma, nicht des KKL. Er sah als einziger auf den Monitor, der Bilder von der Helmkamera des Tauchers übertrug. Die beiden Strahlenschutzexperten, die ebenfalls vor Ort waren, «hatten keinen Auftrag, den Monitor permanent zu überwachen».
  • Das so genannte Fingerringdosimeter, das der Taucher an seiner rechten Hand trug und welches die genausten Messwerte über die tatsächliche Verstrahlung hätte liefern können, war während des Tauchgangs beschädigt worden. Das Dosimeter wurde anschliessend unter der Lupe wieder zusammengesetzt, mit Sekundenleim geklebt und – nach einem Text mit einem absichtlich zertrümmerten und wieder zusammengeklebten Dosimeter – als glaubwürdig taxiert. Von all dem erfuhren die externen Experten, die die Strahlenbelastung des Tauchers errechnen mussten, erst vom Unfallopfer selber.
  • Von all dem steht nichts in der offiziellen Mitteilung des Ensi. Manchmal lohnt es sich halt, nachzuhaken.

    Exklusiv für Leserinnen und Leser von angelisansichten.ch: der Untersuchungsbericht des Ensi und der Bericht der externen Strahlenschutzexperten.


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