AKW-Betreiber beschäftigen Leiharbeiter

Von Hartstein

„Sie sind gelernte Mechaniker, Gerüstbauer, Schmiede oder Schweißer. Ihr Gehalt ist niedrig, ihre Arbeitsverträge sind befristet. In Frankreich ziehen Leiharbeiter von einem Atomkraftwerk zum nächsten, um nötige, aber lebensgefährliche Inspektionen durchzuführen. Unter höchster Strahlenbelastung tauschen die so genannten Nuklear-Nomaden Brennelemente aus, warten und säubern die Anlagen im Innersten der Atomreaktoren. (ZDF – Auslandsjournal vom 13.04.2011)“

Quelle: http://www.hintergrund.de/

Leiharbeit in deutschen Atomkraftwerken: Antworten der Bundesregierung

(06.06.2011/hg)

„Unter dem Titel  „Werk- und Leiharbeit in Atomkraftwerken in Deutschland“ stellte die Fraktion Die Linke im Bundestag eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung.

In der Anfrage heißt es: „Wie in französischen Atomkraftwerken arbeiten auch in deutschen Atomkraft- anlagen Leiharbeitsbeschäftigte. Wie der Presse zu entnehmen war, hat der Einsatz von Leiharbeitsbeschäftigten in Frankreich System (Frankfurter Rundschau vom 4. April 2011). Für Reinigungs- und Wartungsarbeiten ziehen bis zu 30.000 von ihnen von Atomkraftwerk zu Atomkraftwerk. Sie sind im Vergleich zu den Stammbeschäftigten schlechter bezahlt, sie haben weniger Rechte und in der Regel eine schlechtere Ausbildung. Gleichzeitig werden sie für die am meisten belastenden und gesundheitsgefährdenden Arbeiten herangezogen. Nach Berechnungen des Französischen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung „Inserm“, welches die Arbeitsbedingungen in Atomanlagen untersucht, bekommen Leiharbeiterinnen/Leiharbeiter in französischen Atomkraftwerken circa 80 Prozent der Strahlendosen ab (FOCUS vom 14. April 2011). Laut der Wochenzeitung „der Freitag“ vom 26. April 2011 werden Werkvertrags- oder Leiharbeitsbeschäftige auch in Deutschland systematisch für Tätigkeiten mit höherer Strahlenbelastung eingesetzt. Auch sie verdienen nach den gültigen Leiharbeitstarifen deutlich weniger als Stammbeschäftigte. Nach einem Bericht des Otto Hug Strahleninstituts Medizinische Hilfsmaßnahmen e. V. München (Bericht 21-22, 2000) lag die Strahlendosis der Fremdbeschäftigten zwischen 1980 und 1996 zu 70 Prozent über der des Stammpersonals. Wenn die Werk- und Leiharbeitsbeschäftigten ihre maximale Strahlendosis erreichen, bekommen sie ein Beschäftigungsverbot. Aufgrund der Flexibilität der Leiharbeit werden sie dann gegen andere Beschäftigte ausgetauscht.

Insgesamt 34 Fragen stellte die Fraktion Die Linke zu diesem Themenkomplex. Die Antworten der Bundesregierung fallen zumeist vielsagend nichtssagend aus. „Die genaue Anzahl liegt der Bundesregierung nicht vor“ heißt es etwa in Bezug auf die Anzahl der Strahlenpässe, die für nicht-deutsche Arbeitnehmer außerhalb der Bundesrepublik ausgegeben werden oder in Bezug auf die Arbeitnehmer, die mit Strahlenpässen anderer Länder in kerntechnischen Anlagen in Deutschland tätig sind.

Der Bundesregierung ist auch nicht bekannt, wie hoch der Anteil der Leiharbeiter unter den Fremdbeschäftigten ist. Auf die Frage, wie die Bundesregierung sicherstellt, dass Beschäftigte, die mit Strahlenschutzpass in Deutschland tätig sind und gleichzeitig in mehreren Staaten unter Strahlung arbeiten, nicht über den empfohlenen Maximalwert hinaus der Strahlung ausgesetzt sind, wird in der Antwort darauf verwiesen, dass es generell national festlegte Grenzwerte gibt, die auf „international anerkannten Empfehlungen basieren und auf europäischer Ebene durch Richtlinien, insbesondere durch die Richtlinie 96/29/Euratom zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, vorgegeben werden. Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union muss durch entsprechende gesetzliche Regelungen sicherstellen, dass diese Grenzwerte für seine Staatsangehörigen auch dann nicht überschritten werden, wenn diese vorübergehend außerhalb seines Hoheitsgebiets beschäftigt werden.“

Als Fazit lässt sich feststellen, dass Fremdbeschäftigte auch in Deutschland einer höheren Strahlen-Dosis ausgesetzt sind als die Stammbeschäftigten bei gleichzeitig schlechterer Bezahlung. Wie hoch der Anteil der Leiharbeiter an den Fremdbeschäftigen ist, ist der Bundesregierung ebenso unbekannt wie der Anteil derjenigen, die mit Strahlenpässen anderer Länder in Deutschland arbeiten. Es ist davon auszugehen, dass es praktisch nicht zu unterbinden ist, dass Leiharbeiter, die in verschiedenen Ländern beschäftigt sind, Strahlungs-Dosen ausgesetzt sind, die über den zulässigen Grenzwerten liegen.“

Quelle:

http://www.hintergrund.de/201106061577/kurzmeldungen/aktuell/leiharbeit-in-deutschen-atomkraftwerken-antworten-der-bundesregierung.html