Plenarprotokoll 17/90 • Deutscher Bundestag
90 Sitzung • Berlin, DO den 10. Februar 2011
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen:
Dr. Merkel, Dr. von der Leyen, Dr. Schröder – Unterschiedliche Auffassungen in der Bundesregierung zum Thema Frauenquote
Es grenzt schon an Impertinenz, wie die ach so armen und unterdrückten Frauen im Bundestag eine Zusatzstunde zum Thema Frauenquote heraus geschlagen haben. Das alleine genügte anscheinend nicht, denn die Reden wurden sogar noch zur besten Sendezeit gehalten. Im Gegensatz dazu familienrechtliche Themen und Abstimmungen, die schon öfters spät am Abend oder sogar in der Nacht stattgefunden haben. Aus diesem Grunde kann man das ganze nur noch als Femitainment bezeichnen, schließlich überträgt Phoenix nur tagsüber Bundestagssitzungen. Etwas anderes als Show fand in dieser Sitzung nicht statt. Marco Buschmann (FDP) hat das dann auch treffend als Wahlkampf bezeichnet.
Der einzige, mir positiv aufgefallene Redner bei dem ganzen Kasperltheater war im übrigen der bereits erwähnte Herr Buschmann, der in seiner kurzen Rede zumindest ein paar Fakten genannt hat. Während die eine oder andere Politikerin von Norwegen als dem Musterland schlechthin sprach,
Katja Kipping (DIE LINKE):
Auch als in Norwegen im Jahre 2006 die 40-Prozent-Quote eingeführt wurde, warnte manch einer vor einem Mangel an kompetenten Frauen. Die Praxis konnte diese Sorge ausräumen. (PDF S.5)
hat Marco Buschmann die Glorifizierung mit ein paar Tatsachen ad absurdum geführt. Die Zwischenrufe und anschließenden Beleidigungen auf primitivsten Niveau könnt Ihr im unten eingestellten PDF-Dokument nachlesen.
Zum Thema “Frauenquote in Norwegen” verweise ich einfachheitshalber auf den Beitrag “Norwegen: Die verschwiegenen Schäden der Frauenquote” von Arne Hoffmann. Im übrigen hat selbst ein Spiegel-Artikel bestätigt, das es in Norwegen nicht genügend Frauen gibt. SPON
Auch Piëch sucht die Quotenfrau
Aufsichtsratschef Piëch sucht laut “Handelsblatt” nach einer Kandidatin für das Kontrollgremium. Sein Problem: Er ist nicht der Einzige. SPON
Ganz aktuell zu diesem Thema passt natürlich die Meldung auf Spiegel Online, das die Telekom ihre erste Quotenfrau heraus wirft. SPON
Man darf bei den ganzen Diskussionen zum Thema nicht vergessen: Politikerinnen geht es bei der Frauenquote nicht darum, Unternehmen nach vorne zu bringen. Sie wollen lediglich überproportional Frauen an die Schalthebeln der Macht bringen.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
[..]Die Frauen machen die Hälfte der Menschen des Landes aus.
[..]Wie erklären wir dem deutschen Unternehmerinnenverband mit seiner Datenbank für topqualifizierte Frauen, in der 400 Frauen geführt werden, die sofort in die Aufsichtsräte eintreten könnten, dass wir nicht endlich Maßnahmen ergreifen? (PDF S. 9)
Im Jahre 2010 hatten wir nach einem vorläufigen Ergebnis des statistischem Bundesamtes 43,3 Millionen Erwerbstätige Auf Grund dieser Basis verlangen SPD und die Grünen eine Sonderstunde im Bundestag für 400 “topausgebildete” Frauen in gerade einmal 30 DAX-Unternehmen, weil 3 Quotenministerinnen sich nicht einig sind?
Ewa Klamt (CDU/CSU):
In den 30 DAX-Unternehmen sind von 182 Vorstandsposten gerade einmal 4 mit Frauen besetzt; das sind 2,2 Prozent. (PDF S. 18)
Andererseits bemühte Frau Künast sich darum, die Forderung nach Privilegien für Frauen zu verschleiern, in dem sie sagte:
In Wahrheit geht es uns nicht darum, Privilegien für Frauen zu schaffen, sondern darum, diesen verfassungswidrigen Zustand endlich abzuschaffen. (PDF S. 8 am Ende)
Ich erzählte vermutlich nichts weltbewegend Neues, wenn ich sage, das sich parteiübergreifend zum Thema Frauendiskriminierung alle einig waren und deswegen auch von sämtlichen Fraktionen beklatscht wurde. Man sprach des weiteren von Umfragen mit überwältigenden Mehrheiten zur Frauenquote, wozu ich im Netz nichts gefunden habe.
Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU)
[..]In der Titelgeschichte des Spiegel von vor zwei Wochen ist sehr deutlich geworden, dass sich diese Erkenntnis bei vielen durchgesetzt hat: Caren Miosga und Ilse Aigner – sie wurden bereits genannt –, die beiden Redakteurinnen, 73 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind mittlerweile für eine Quote für Führungspositionen. (PDF S. 4)
Kurioserweise habe ich auf Spiegel Online keinen Artikel dazu gefunden. Anscheinend haben die genannten Prozentzahlen nur in der Print-Ausgabe gestanden. Wenn in einer Umfrage obiges Ergebnis heraus gekommen wäre, dann müsste man das auch online finden. Allerdings habe ich auf SPON einen Beitrag gefunden, in dem aber nur 52% Befürworter genannt werden. Kurios gelle…
Nadine Schön (CDU/CSU) sinierte weiter, das sie ja eigentlich keine Quote will, aber:
[..]Ich habe mich dazu durchgerungen, eine Quote zu wollen; denn ich will nicht, dass meine Altersgenossinnen und ich die nächste Generation sind, die an der gläsernen Decke kleben bleibt. (PDF S. 4)
Interessant war für mich, auch und gerade als Mutter folgende Aussage:
Monika Lazar (Bündnis 90/Die Grünen)
[..] Die wenigen Frauen in den Führungspositionen finden sich häufiger im Osten unseres Landes. Das zeigt eine aktuelle Studie des IAB. Eine Ursache ist zum Beispiel die kürzere Unterbrechung der Erwerbstätigkeit. Das liegt unter anderem an der besseren Kinderbetreuung im Osten. (PDF S. 15)
Vor lauter Politik für Frauen wurde in den letzten Jahrzehnten kaum zur Kenntnis genommen, das nicht nur akademische Mütter z.T. händeringend nach Kita-Plätzen gesucht haben.
Von einigen Rednern wurden auch noch die Hartz-IV.-Empfängerinnen und deren Probleme thematisiert. Weil es zeitlich nicht reichte, wurde dieses Thema bei der am nächsten Tag stattfindenden Bundestagsdebatte als Zusatztagesordnungspunkt erneut auf den Tisch gebracht.
Nachfolgend noch ein paar Schmankerl, wobei ich sagen muss, das ich nach Sigmar Gabriel aufgehört habe, weitere einzustellen, aber fraglos sind diese bei anderen Rednern ebenfalls vorhanden.
Caren Marks (SPD): Ab Seite 1:
[..]Das rigorose Nein der Kanzlerin zur Quote ist nicht nur eine Ohrfeige für Frau von der Leyen, sondern eine Ohrfeige für alle Frauen.
[..]Die Kanzlerin versucht, die Diskussion zu ersticken. Doch es wird ihr nicht gelingen, diese Diskussion in der Gesellschaft zu ersticken. Im Kabinett hat sie das vielleicht für einen Moment geschafft, in der Gesellschaft wird ihr das aber nicht gelingen. Die Forderungen der Frauen werden zu Recht lauter.
Katja Kipping (DIE LINKE): Ab Seite 5:
[..]Die Frauenquote in Aufsichtsräten ist natürlich kein Allheilmittel zur Überwindung des Patriarchats.
[..]Eine Baustelle, an der wir arbeiten müssen, sind die gesetzlichen Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft bei Hartz IV.
[..]Mir wurden sehr bewegende Fälle geschildert, die deutlich gemacht haben, dass die gesetzlichen Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft gerade Frauen in unerträgliche Situationen bringen. Zum Beispiel wird es Alleinerziehenden, die Teilzeit arbeiten und deswegen auf Hartz IV angewiesen sind, faktisch unmöglich gemacht, eine neue Beziehung einzugehen. Denn wenn sie einen neuen Partner finden und mit diesem zusammenziehen wollen, wird dessen Einkommen sofort beim Kind angerechnet. Auch das ist nicht im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit.
[..]Wir wollen schließlich, dass in Zukunft mehr junge Mädchen, die nach ihrem Berufswunsch gefragt werden, nicht „Balletttänzerin“, sondern auch „Chefin“ antworten.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ab Seite 8
[..]Eine fast hundertprozentige Männerquote in den Vorständen und Aufsichtsräten ist die schärfste Diskriminierung. Dieser Zustand ist verfassungswidrig.
[..]Nicht wir Frauen müssen begründen, warum wir wohin wollen, sondern die Männer müssen begründen, warum immer nur sie die Stühle besetzen. Das ist die Wahrheit.
Dorothee Bär (CDU/CSU) Ab Seite 10:
[..]Wenn Sie sich einmal den Bundestag mit seinen etwa 600 männlichen und weiblichen Abgeordneten anschauen, dann stellen sie fest, dass jeder zweite Abgeordnete und jede zweite Abgeordnete hier ein Quotenabgeordneter und eine Quotenabgeordnete ist.
Sigmar Gabriel (SPD) Ab Seite 11:
[..]Die Mehrzahl der Leiharbeitnehmer sind Frauen. 70 Prozent der Frauen müssen für miserable Löhne arbeiten.
[..]Fast 25 Prozent weniger verdienen Frauen gegenüber Männern bei vergleichbaren Tätigkeiten. Im selben Betrieb, in derselben Altersstufe, im selben Beruf liegen die Frauenlöhne 12 Prozent unter denen ihrer Kollegen an der Werkbank oder im Einzelhandel nebenan.
Da das Original Protokoll des Bundestages über 200 Seiten beträgt, habe ich nur das Thema “Aktuelle Stunde - Frauenquote” kopiert und ein PDF-Dokument daraus erstellt. In diesem Dokument ist der Link zum Bundestagsprotokoll enthalten.