von Simon Argus
Die Unruhen in Ägypten beunruhigen auch uns im Westen. Wer kommt nach Mubarak? Besonders Israel sieht sich in einer Zwickmühle: Ungern hätte man einen zweiten Iran zum westlichen Nachbarn. Doch woher genau kommen diese Befürchtungen? Ein Besuch in der Orient-Vorlesung...
Kein Wunder in einem Land mit dem selben Mann an der Spitze seit über 30 Jahren. Sagt der Professor. Die Menschen haben sich eingerichtet in einem System, das ihnen zwar keine großen Freiheiten ließ, kaum Chancen bot und sich generell wenig um die großen Massen zu kümmern schien. Selbst tägliche Routinen, wie beispielsweise Behördengänge, waren den undemokratischen Umständen angepasst. Man tut sich Gefälligkeiten. Man kennt jemanden, der etwas regeln kann. Eine Baugenehmigung? Es gibt da sicher eine weiche Stelle im System - und wenn es am Ende etwas Geld kostet.
Die Politik hatte sich meinem Eindruck nach aus dem täglichen Leben der meisten Menschen verabschiedet. Der Fokus liegt viel mehr auf der Familie. Die Familie ist das soziale Netz, das der Staat nicht mehr bieten kann. Dies führt zu einer großen Macht der Familienoberhäupter. Und zur Festigung alter, traditioneller Bräuche - wie beispielsweise der Beschneidung von Frauen, die auch in Ägypten noch weit verbreitet ist, obwohl Staat und Religionsoberhäupter dagegen argumentieren.Nach drei Jahrzehnten schien sich der Staat zurückgezogen zu haben - beschäftigt damit, den Wohlstand der Einflussreichen und Regimetreuen zu mehren, während das Volk lediglich ruhig gehalten werden musste.
So war es bisher. Und nun Demokratie? Auf welcher Basis? Der Professor erklärt: Für eine demokratische Ordnung müssten alle politischen Parteien eine große Disziplin beweisen: Akzeptieren, dass jemand anderes Wahlen gewinnt. Akzeptieren, dass man nach nur vier oder fünf Jahren einfach so wieder abgewählt wird. Derzeit endet die politische Ära einer Partei in der Regel entweder mit der Flucht oder dem Tod des jeweiligen Staatsoberhaupts. Das ist auch die Perspektive die Mubarak in diesen Tagen wohl sieht.
Die stimmte dann ein in die Forderung nach Demokratie. Und hielt sich mit religiösem Eifer und Spruchbändern erkennbar zurück. Das könnte heißen, dass die Muslimbrüder nicht ganz so extrem sind, wie wir sie uns vorstellen. Es könnte aber auch Kalkül sein, denn eine Wahl würden die Muslimbrüder möglicherweise gewinnen. Die Äußerungen beispielsweise des deutschen Außenministers über "islamistische Trittbrettfahrer" stimmt so also nicht. Sie sind es, die in den armen Vierteln die soziale Arbeit aufrecht erhalten. Sie sind in Ägypten überall - und geben der Religion einen guten Namen. Demokraten aber, sind sie nicht.
Und so schließt der Professor mit seiner Prognose: Die Wahl liegt zwischen einem neuen autokratischen säkularen Regime - zum Beispiel unter dem neuen Hoffnungsträger El Baradei - oder einem autokratischen religiösen Regime. Eine Option, bei der Israel und der Westen noch einige Bauchschmerzen bekommen dürften. Ob der Wandel aber in den nächsten Tagen kommt, oder noch bis zu den neuerlichen Wahlen im September auf sich warten lässt, scheint in diesen Minuten noch offen. Mubarak ist mit seinen 82 Jahren noch nicht ganz am Ende.
Die Unruhen in Ägypten beunruhigen auch uns im Westen. Wer kommt nach Mubarak? Besonders Israel sieht sich in einer Zwickmühle: Ungern hätte man einen zweiten Iran zum westlichen Nachbarn. Doch woher genau kommen diese Befürchtungen? Ein Besuch in der Orient-Vorlesung...
Vor wenigen Tagen noch das ganz normale Chaos: Tahrir Platz und ägyptisches Museum. Quelle: Eigene Bilder
Die erste Vorlesung seit den "Unruhen vom 25. Januar", dem "Tag des Zorns", wie ihn die Ägypter nennen. Das einzige Thema sind natürlich die Unruhen und ihre Perspektive. Wie geht es weiter? Wer kommt an die Macht? In den Medien hört man die Hoffnung nach einem demokratischen Wandel. Mubarak soll gehen, das Volk soll endlich gehört werden und in freien Wahlen entscheiden dürfen. Bei den letzten Parlamentswahlen im Spätjahr 2010 war ich in Kairo. 90 Prozent für die Männer von Mubarak. Eine kleine Demonstration am folgenden Tage - in den Zeitungen die einhellige Meinung: Ein beispielhaft demokratischer Prozess. Politik - oder das was Mubarak darunter versteht - schien die große Menge der Menschen in Kairo nicht sonderlich zu interessieren. Die Tatsache, dass das Regime gerade ein riesen Kasperletheater aufgeführt hatte, schien die wenigsten zu stören. Lediglich unter den Universitätsabsolventen, den Studenten und Professoren, der "E-Crowd" gab es so etwas wie Entrüstung.Kein Wunder in einem Land mit dem selben Mann an der Spitze seit über 30 Jahren. Sagt der Professor. Die Menschen haben sich eingerichtet in einem System, das ihnen zwar keine großen Freiheiten ließ, kaum Chancen bot und sich generell wenig um die großen Massen zu kümmern schien. Selbst tägliche Routinen, wie beispielsweise Behördengänge, waren den undemokratischen Umständen angepasst. Man tut sich Gefälligkeiten. Man kennt jemanden, der etwas regeln kann. Eine Baugenehmigung? Es gibt da sicher eine weiche Stelle im System - und wenn es am Ende etwas Geld kostet.
Die Politik hatte sich meinem Eindruck nach aus dem täglichen Leben der meisten Menschen verabschiedet. Der Fokus liegt viel mehr auf der Familie. Die Familie ist das soziale Netz, das der Staat nicht mehr bieten kann. Dies führt zu einer großen Macht der Familienoberhäupter. Und zur Festigung alter, traditioneller Bräuche - wie beispielsweise der Beschneidung von Frauen, die auch in Ägypten noch weit verbreitet ist, obwohl Staat und Religionsoberhäupter dagegen argumentieren.Nach drei Jahrzehnten schien sich der Staat zurückgezogen zu haben - beschäftigt damit, den Wohlstand der Einflussreichen und Regimetreuen zu mehren, während das Volk lediglich ruhig gehalten werden musste.
So war es bisher. Und nun Demokratie? Auf welcher Basis? Der Professor erklärt: Für eine demokratische Ordnung müssten alle politischen Parteien eine große Disziplin beweisen: Akzeptieren, dass jemand anderes Wahlen gewinnt. Akzeptieren, dass man nach nur vier oder fünf Jahren einfach so wieder abgewählt wird. Derzeit endet die politische Ära einer Partei in der Regel entweder mit der Flucht oder dem Tod des jeweiligen Staatsoberhaupts. Das ist auch die Perspektive die Mubarak in diesen Tagen wohl sieht.
So lebt auch die Führung Ägyptens: Meist in den Ferienparadiesen am roten Meer.
Die stimmte dann ein in die Forderung nach Demokratie. Und hielt sich mit religiösem Eifer und Spruchbändern erkennbar zurück. Das könnte heißen, dass die Muslimbrüder nicht ganz so extrem sind, wie wir sie uns vorstellen. Es könnte aber auch Kalkül sein, denn eine Wahl würden die Muslimbrüder möglicherweise gewinnen. Die Äußerungen beispielsweise des deutschen Außenministers über "islamistische Trittbrettfahrer" stimmt so also nicht. Sie sind es, die in den armen Vierteln die soziale Arbeit aufrecht erhalten. Sie sind in Ägypten überall - und geben der Religion einen guten Namen. Demokraten aber, sind sie nicht.
Und so schließt der Professor mit seiner Prognose: Die Wahl liegt zwischen einem neuen autokratischen säkularen Regime - zum Beispiel unter dem neuen Hoffnungsträger El Baradei - oder einem autokratischen religiösen Regime. Eine Option, bei der Israel und der Westen noch einige Bauchschmerzen bekommen dürften. Ob der Wandel aber in den nächsten Tagen kommt, oder noch bis zu den neuerlichen Wahlen im September auf sich warten lässt, scheint in diesen Minuten noch offen. Mubarak ist mit seinen 82 Jahren noch nicht ganz am Ende.