Eine Wirtschaftskanzlei aus Berlin suchte einen Rechtsanwalt u.a. mit folgender Stellenausschreibung
Wir suchen insbesondere für den Bereich Handels- und Gesellschaftsrecht
- einen Rechtsanwalt (m/w) Vollzeit
- einen Rechtsanwalt (m/w) Teilzeit
als Berufsanfänger oder Kollegen mit 1-3 Jahren Berufserfahrung. Prädikatsexamen und ausbaufähige Englischkenntnisse setzen wir voraus.
Dass diese Stellenanzeige nicht besonders “glücklich” formuliert ist (“Berufsanfänger”), liegt auf der Hand.
Es bewarb sich ein Anwalt, der die Anforderungen nicht erfüllte mit einer sehr kurzen Bewerbung, u.a. wie folgt
„Ich bin seit 1988 hier in Regensburg als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert. Das Wirtschaftsrecht mit den von Ihnen genannten Teilbereichen kenne ich umfänglich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Im Verlagswesen war ich sogar einige Jahre bei einer Tageszeitung angestellt.
Ausbaufähige Englischkenntnisse sind selbstverständlich.“
Da der Kollege die Stelle nicht bekam, erhob er eine Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG und verlangte als Entschädigung zuletzt eine Betrag in Höhe von wenigstens 60.000 €.
Die Klage blieb sowohl vor dem Arbeitsgericht Berlin als auch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 30.10.2013 - 21 Sa 1380/13) sah zwar eine Altersdiskriminierung aber lehnte einen Entschädigungsanspruch aufgrund fehlender Ernsthaftigkeit der Bewerbung des klagenden Anwalts ab und führte dazu aus:
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG kann ein Bewerber, der bei einer Einstellungsentscheidung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 AGG) benachteiligt wird, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung verlangen. Zu den in § 1 AGG genannten Gründen gehört u. a. das Alter. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist die Höhe der Entschädigung auf drei Monatsgehälter beschränkt, wenn der benachteiligte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Eine Benachteiligung wegen des Alters kann nach § 3 Abs. 1 und 2 AGG nicht nur unmittelbar erfolgen, indem die Auswahlentscheidung unmittelbar an das Alter anknüpft, ohne dass dies gerechtfertigt ist, sondern auch mittelbar, indem Personen einer bestimmten Altersgruppe durch den Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sehr viel häufiger negativ betroffen sind als Personen einer anderen Altersgruppe, ohne dass dies durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Jedoch ist stets Voraussetzung, dass sich die benachteiligten und begünstigten Personen in einer vergleichbaren Situation befinden. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl das Verbot einer unmittelbaren als auch das Verbot einer mittelbaren Diskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG wegen des Alters oder eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen (vgl. BAG vom 27.01.2011 – 6 AZR 526/09 -, AP Nr. 1 zu § 17 TVöD Rz. 33; ArbG Berlin 30.07.2009 – 33 Ca 5772/09 -, NZA-RR 2010, 70 Rz. 37).
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Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ist ein Entschädigungsanspruch ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass es sich um keine ernsthafte Bewerbung handelt, sondern diese nur deshalb erfolgt ist, um einen Entschädigungsanspruch zu erlangen (BAG vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 61 f.). Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (BAG vom 13.10.2011 – 8 ARZ 608/10 -, AP Nr. 9 zu § 15 AGG Rz. 53 m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung, d. h. den Rechtsmissbrauch, liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 62). Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Vielzahl von Entschädigungsklagen erhoben hat, ist für sich genommen noch kein ausreichender Grund für die Annahme, die Bewerbung sei nicht ernsthaft erfolgt (vgl. BAG vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 63; vom 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 -, a. a. O. Rz. 56; vom 21.07.2009 – 9 AZR 431/08 -, AP Nr. 1 zu § 82 SGB IX Rz. 52). Vielmehr kann eine Vielzahl von Entschädigungsklagen auch damit zusammenhängen, dass die betreffende Person besonders häufig diskriminiert worden ist (vgl. ErfK-Schlachter § 15 Rn. 12; Däubler/Bertzbach-Deinert, § 15 Rn. 54a). Außerdem ist niemand daran gehindert, aus seiner Sicht bestehende Rechte auszuüben (BAG vom 21.07.2009 – 9 AZR 431/08 -, a. a. O. Rz. 52).
b) In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger keine Entschädigung zu.
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(1) Für eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung spricht schon der kaum aussagekräftige Inhalt des Bewerbungsschreibens.
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Angesichts des nicht gerade günstigen Arbeitsmarktes für Juristinnen und Juristen mit nur durchschnittlichen Examensnoten, ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein ernsthafter Bewerber alles tut, um in seiner Bewerbung ein positives Bild von seiner Person, seinen auf die ausgeschriebene Stelle bezogenen Fähigkeiten und seinem beruflichen Werdegang abzugeben, und alles unterlässt, was ein negatives oder auch nur bedenkliches Licht auf die Bewerbung werfen könnte (vgl. LAG Hamburg vom 12.01.2009 – 3 Ca 26/08 -, LAGE § 15 AGG Nr. 8 Rz. 19; LAG Berlin vom 30.03.2006 – 10 Sa 2395/05 -, NZA-RR 2006, 513 Rz. 34).
Eine interessante Entscheidung zum sog. AGG-Hopping, in der das Landesarbeitsgericht auch auf schlechte Chancen für Juristen auf dem Arbeitsmark mit durchschnittlichen Examensnoten (Mehrzahl) hinweist. Von daher ist die Entscheidung für Eltern, die ihren Kindern “leichtfertig” zum Jurastudium raten mit dem Argument, dass man dann später gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ein hohes Einkommen hat, als Lektüre empfohlen.
Ansonsten aber nachvollziehbar. Für die Wirtschaftskanzlei hätte dies aber auch “böse” ausgehen können, wenn sich der bewerbende Anwalt etwas mehr Mühe mit seinem Bewerbungsschreiben gegeben hätte (und vielleicht dann auch noch tatsächlich zwei Prädikatsexamen gehabt hätte).
- A. Martin