AG Mannheim: Muss man mit einer (erneuten) Krebserkrankung rechnen?

AG Mannheim: Muss man mit einer (erneuten) Krebserkrankung rechnen?

© tokamuwi / pixelio.de

Wann ist ein Krebspatient wieder gesund bzw. einem gesunden Menschen gleichzustellen? Diese Frage hatte das Amtsgericht Mannheim in einer soeben ergangenen Entscheidung am 31.07.2012 unter dem Aktenzeichen 5 C 43/12 zu entscheiden. Die Entscheidung ist insbesondere deswegen interessant, weil sie klar darauf hinweist, dass allein die Wahrscheinlichkeit eines (erneuten) Auftretens einer Krankheit noch keine (versicherungs-) rechtlichen Folgen hat.

Im Einzelnen:

Der Kläger im dortigen Prozess buchte im März 2011 eine Urlaubsreise und schloss gleichzeitig bei der später verklagten Versicherung eine Reiserücktrittsversicherung ab. Die Reise selbst musste er Mitte September 2011 stornieren, da bei ihm im Juli 2011 Krebstumore festgestellt wurden, die eine längere intensive Behandlung erforderlich machten und damit den Antritt der Reise verhinderten. Hierdurch entstanden dem Kläger Stornierungskosten in Höhe von 552,00 EUR, die er von der Versicherung erstattet erhalten wollte.

Die Versicherung verweigerte die Zahlung und berief sich auf einen Ausschluss ihrer Leistungspflicht. Der Kläger sei unstreitig schon 2009 an Krebs erkrankt gewesen. Aus den Reiseversicherungsbedingungen der Beklagten ergebe sich, dass durch die vorliegende Reiserücktrittsversicherung nur die Kosten versichert seien, die anfallen, wenn die Reise aufgrund eines versicherten Ereignisses nicht angetreten werden kann. Zu den versicherten Ereignissen zählten u.a. unerwartete schwere Erkrankung, schwere Unfallverletzung, Schwangerschaft, Impfunverträglichkeit.

Eine unerwartete schwere Erkrankung liege vor, wenn nach der Reisebuchung aus dem stabilen Zustand des Wohlbefindens der Arbeits- und Reisefähigkeit heraus konkrete Krankheitssymptome auftreten, die dem Reiseantritt entgegen stehen und zur Stornierung der Reise veranlassen. Dies sei hier nicht der Fall, zumal sich in den Reiseversicherungsbedingungen weiterhin folgende Regelung finde: ” Es besteht unter anderem kein Versicherungsschutz für Ereignisse, mit denen zur Zeit des Vertragsabschlusses oder der Reisebuchung zu rechnen war. § 12 der AVB JRV 2008 spreche im übrigen davon, dass “kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Versicherungsfalls zum Zeitpunkt der Buchung der versicherten Reise oder bei Antritt der Reise vorhersehbar war, d.h. wenn die versicherte Person von dem Eintritt des Versicherungsfalls wusste oder damit rechnen musste.”

Diese Berufung sei der Beklagten jedoch verwehrt, so entschied das Amtsgericht Mannheim, denn nach der Überzugung der dortigen Richterin stehe fest, dass jedenfalls vor Reisebuchung keine Diagnosen getroffen wurden, die auf eine akute schwerwiegende Krankheit hindeuten würden. Der behandelnde Arzt habe den Kläger zwar kurz vor Buchung der Reise untersucht, die in dem Untersuchungs- und Diagnosebericht des behandelnden Arztes aufgeführten Diagnosen stellten aber keine Diagnosen dar, die konkret an diesem Tag festgestellt wurden.

Es handele sich dabei vielmehr um Diagnosen, die mit dem Kürzel “DD” gekennzeichnet seien, und damit um sogenannte Dauerdiagnosen, die zu diesem Tag deshalb wieder aufgerufen wurden, da sie immer zum Quartalsbeginn aufgerufen werden. Es handele sich dabei um Diagnosen, die bereits zuvor während der Krebserkrankung des Klägers getroffen worden waren. Konkrete Diagnosen würden dagegen mit einem “G” für gesichert gekennzeichnet. Solche, bezogen auf eine Krebserkrankung, hätte aber gerade nicht vor der Buchung der Reise vorgelegen.

Für das Gericht stand daher fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Reisebuchung ohne Beschwerden war. Zwar litt der Kläger im Jahr 2009 unstreitig an Magenkrebs, durch die durchgeführte Chemotherapie konnte aber zunächst unstreitig eine komplette Remission erreicht werden. Die nun erneut auftretende Erkrankung sei zwar nicht mit dem erstmaligen Auftreten einer Krebserkrankung als plötzlicher und überraschender Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen vergleichbar, denn bei einer durchlittenen Krebserkrankung, die erst zwei Jahre zurück liege, spreche eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Krankheit zurück kehrt. Dies zeige bereits die Häufigkeit von Kontrolluntersuchungen über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren hinweg nach einer Krebserkrankung. Ein Krebspatient gelte zwar als geheilt, wenn er vom akuten Tumor befreit und der Tumor nachweislich nicht mehr vorhanden sei. Als gesund gelte der Patient aber erst, wenn er 5 Jahre tumorfrei sei. Der Kläger war damit im Sinne der Onkologie keinesfalls als gesund zu bezeichnen, als er die Reise buchte.

Dennoch könne die beklagte Versicherung mit ihrem Vortrag zum wirksamen Leistungsausschluss nicht durchdringen. Denn selbst wenn erst nach einem Ablauf von 5 Jahren von einer nachhaltigen Genesung bzw. Gesundung gesprochen werden könne, so reiche dies vorliegend nicht aus, denn “vorhersehbar” (§ 12 AVB JRV 2008) sei eine Neuerkrankung noch nicht bereits deshalb, wenn hierfür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche, denn Wahrscheinlichkeiten lassen sich für alle Alltagsangelegenheiten und die meisten Krankheiten errechnen. Eine Wahrscheinlichkeit sage jedoch nichts über einen konkreten Einzelfall aus.

Genau dieser konkrete Einzelfall liege aber dem Vertragsverhältnis der Parteien zu Grunde. Es sei daher darauf abzustellen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Reisebuchung konkret und ernsthaft damit rechnen musste, dass er diese Reise nicht werde antreten können. Dies aber sei nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall, denn die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, denen sich der Kläger unterzogen hatte, hätten gerade keine Anzeichen für ein erneutes Auftreten von Krebstumoren erbracht.

Der Kläger war nach Aussage seines Arztes fit und nahm seine Arbeit im Schichtsystem wieder auf. Auch wurde der Kläger aufgrund der Heilung vom Tumor wieder mit blutverdünnenenden Medikamenten (Marcumar) wegen seiner Herzrhythmusstörungen behandelt, die während einer Krebstherapie contraindiziert sind. Aufgrund dieser Umstände musste der Kläger nicht konkret damit rechnen, dass bereits vor Reisebeginn die Krebserkrankung wieder zurückkehren werde.

Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 31.07.2012, Aktenzeichen 5 C 43/12

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