Der Mann war oft vorne an der staubigen Strasse mit seinem kleinen Affen. Das arme Tier sass auf einem dicken Stock mit einem hölzernen T-Balken und hatte eine Kette am Bein. Das tat mir leid, so habe ich mir immer die Sklaven vorgestellte in Onkel Toms Hütte. Damals war ich noch klein und wir wohnten in Banjarmasin auf der Insel Borneo (Kalimantan).
Wenn man zu diesem Affen hinging so stieg er einen auf die Schulter und begann in den Haaren rumzuwuseln und pflückte irgendwas raus, was er frass. Ich dachte immer das seien Läuse, aber heute denke ich, dass er einfach nur Schuppen und Kopfhautkrümel oder was gegessen hat, denn ich hatte ja keine Läuse. Der Affe hatte wirklich ein Affenleben, aber manchmal bekam er auch ein Stück Obst, das mochte er und er pulte es mit seinen haarigen langen Fingern aus der Schale.
Ab und zu machten wir einen Ausflug. Ich durfte dann hinten auf dem Velo sitzen, ich geniesse heute noch den Zugwind um die Backen und den breiten, schützenden Rücken meines Vaters der auf dem alten Fahrrad kräftig treten musste. Auf den Ausflügen guckte ich in alle Richtungen und beobachtete am Fluss die Kinder, die von den Bretterstegen nackt in den Fluss hüpften oder die Vogelschwärme, die über den mächtigen Bäumen aufstiegen. Aber Affen sah ich da leider nie welche.
Schifffahrten hatte ich nicht gern. Nun, vorher stellte ich mir zwar allerlei Abenteuer vor, die ich dann auf dem Schiff bestehen würde. Aber kaum waren wir an der Anlegestelle am Barito, überkam mich das blanke Entsetzen beim Anblick dieser hölzernen Boote, die da auf dem dunklen Wasser schaukelten. Und plötzlich sah ich den langsam fliessenden Fluss voller Ungeheuer. Jeder treibende Baumstamm wurde zu Krokodil und jede dahingleitende Wasserhyazinthe zum Haarschopf eines Menschenfressenden Wassertiers. Nein, diese kleinen Schiffe mochte ich nicht. Kaum ist man in der Mitte des Flusses würden die ohne Zweifel untergehen. Schwimmen konnte ich noch nicht.
Auf die Affeninsel musste man aber doch mit dem Schiff. Das war keine allzu lange Fahrt. Aber die Affen auf der Insel waren dann fast noch schlimmer als die Überfahrt: sie entrissen den Frauen die Handtäschchen und versuchten Fotoapparate zu erwischen, schlugen einen unter die Hand um hingehaltene Erdnüsschen zu erhaschen und als Höhepunkt meines Javaner Affen-Traumas pinkelte mich einer von einem Ast über mir an.
Weiter im Inland gab es aber riesige Affen. Da musste ich glücklicherweise nie hin. Diese rothaarigen Gesellen fielen über die erntebereiten Felder her und wurden von den Leuten „Wald-Menschen“ genannt, Orang-Utans. Daher wurden sie auch gejagt, so gut man konnte und am Markt konnte man die Schädel kaufen, aber ich war mir bei diesen Köpfen nie sicher, ob sie nicht doch von einem Menschen stammten.
Später habe ich die Affen aber doch noch liebgewonnen. Im Zoo in Basel war das Affenhaus ein geliebter Ausflugsort. Von einem Zoowärter habe ich mir sogar einmal ein Büschel Schimpansen Haar erbettelt. Und in Nepal dann, erlebte ich sie in kreischenden Herden in den Rhododendronwäldern, vor allem im Frühjahr, weil sie die leckeren, roten Blüten frassen. In Katmandu lümmelten sie in grosser Zahl in den schönen Hindutempeln herum – hier nun zum heiligen Tier befördert. So schnell geht das manchmal.
