Also von lauen Mainächten kann man nicht reden, und von warmen Frühlingstagen erst recht nicht. Insofern mussten die Aussteller, die auf dem Gelände ihr Zelt aufgeschlagen hatten, ganz schön schnattern. Aber das ist es ihnen trotzdem wert, immer wieder zu kommen – und ich kann verstehen, warum.
Doch von vorn. 800 Kilometer nach Stade – man gönnt sich ja sonst nichts. Aber: Es ist SteamPunk, es ist Kostümzeit, es ist ein großes Programm, und wir haben schließlich die passenden Bücher dazu. Also fahren wir am Freitag in bester Laune frühmorgens im Regen los und kommen am späteren Nachmittag bei bestem Wetter (nur etwas kühl) an. Das Hotel ist schnell gefunden, in idyllischer Lage (wobei hier alles in idyllischer Lage ist), Gepäck abgeladen und weiter geht es zur Festung Grauer Ort (allein der Name verheißt schon so einiges) zum Standaufbau.
Wir bekommen einen großen Platz in einem der Gewölberäume zugewiesen, können uns wunderbar ausbreiten – und Strom gibt’s auch noch! Wir haben natürlich unsere Kühlbox dabei, versorgen uns aber auch gut auf dem Gelände, wo es einige Schmausmöglichkeiten gibt. Abgesehen vom Wein, den muss ich nächstes Mal mitbringen. Und übrigens hatten wir zum Glück auch Heizung.
Zurück wieder durch Alleen mit riesigen alten Kastanienbäumen, vorbei an Sumpfwiesen, Land, so weit das Auge reicht, und hinter dem Horizont treibt auf einmal ein Schiffsaufbau über dem Grün langsam vorbei, krass, dahinter muss die Elbe sein.
Am Samstag um 11 Uhr geht es los. Und das bei – zwar sehr kühlem – aber wiederum bestem Wetter, kein Wölkchen am Himmel, und in der Sonne lässt es sich aushalten.
Und was es alles zu sehen und zu kaufen gibt! Ein paar Bücher (unsere), Bilder, handgearbeitete Klamotten, handgearbeiteter Schmuck, Accessoires, sinnlose und sinnvolle Dampfmaschinen, alles in Eigenbau, und alles funktioniert (die Dampfratte, der Dampfplattenspieler, der Drache …), auch eine große, selbst gebaute Dampfmaschine fährt tutend mit Passagieren herum. Für Autoren gibt es auch Steampunk-Schreibcomputer und einen Drucker, der SMS ausdruckt – funktioniert alles! Das Showprogramm umfasst alles auf der großen Bühne vom Zauberer bis zur Musik, dazu Modenschau, Lesungen.
Und die Kostüme. Es gibt nicht zwei, die gleich ausschauen, alle sind sehr stilvoll und genau zum Typ passend, und vor allem passen die Paare immer zusammen. Von Steam-Western, „Major Gruber“, adretten Offizieren, Piraten, über den Maschinisten und die wagemutige Pilotin bis zum eleganten Frack, auch Dandy mit Strohhut mit entsprechendem Steam-Outfit dazu ist absolut alles in jeder Richtung vertreten, und nicht nur die Aussteller und Künstler tragen Kostüme, sondern auch viele der Besucher. Die Stimmung ist hervorragend, alle sind fröhlich, man schwätzt gut gelaunt miteinander, tauscht Klamottentipps und wo die besten Märkte für die Materialien zu finden sind.
Das Tollste aber daran ist: Es gibt keinerlei Altersgrenze. Schon die Kurzen tragen hinreißende Kostüme, bis zu den Ü-Siebzigern, die vor allem in grandiosen Zusammenstellungen flanieren. Männer wie Frauen halten sich die Waage in ihrer Begeisterung für diese Kunst-Epoche, die das Beste, Verspielteste und Interessanteste aus dem viktorianischen und wilhelminischen Zeitalter herausholt.
Die Künstler kamen bis aus den USA und sogar dem weit entfernten Chile. Von den Ausstellern dürften wir diejenigen mit der weitesten Anreise gewesen sein; manche wohnen nur wenige Gehminuten entfernt, die auch Mitglieder des Fördervereins für die Festung sind und dafür sorgen, dass diese tolle Location für solche Veranstaltungen weiterhin zur Verfügung steht.
Ich habe auch den Eindruck, dass das Festival gut besucht war, sogar am Sonntag ab 11 Uhr, obwohl da das Wetter nicht mehr so üppig war (immerhin hat’s so gut wie nicht geregnet), kamen schon die Familien hereinspaziert.
Am Montag ging es dann zurück bei Nieselregen, angekommen sind wir aber im besten Frühlingswetter. Die Fahrt war genau wie die Anreise auch völlig ruhig und staufrei; nur einmal waren wir etwas verwundert, als ich zur Tankstelle fuhr und anstehen musste, und dann fuhr auf einmal die Gaszapfstelle an mir vorbei … das war wohl nichts.
In einen sind wir sicher: Nächstes Mal reisen wir einen Tag früher an, um das entzückende Stade genauer in Augenschein zu nehmen und natürlich das Alte Land. Man hat uns zwar gewarnt, dass die Leute hier teilweise derb seien, aber das macht nix, Bayern sind das auch.
Fazit: Wir haben ein supertolles Wochenende verbracht, freuen uns schon riesig auf das SteamArt-Festival in Wilhelmshaven im Juli und sind nächstes Jahr beim Aethercircus bestimmt wieder mit dabei!