Adolf Hitlers ‚gläubiger’ Antisemitismus

Von Renajacob @renajacob

Antisemitismus ist wahrlich keine ‚Erfindung’ Adolf Hitlers, denn diesen gibt es seit Jahrtausenden, mal stärker, mal schwächer auflodernd. Die Geschichte des Antisemitismus füllt ganze Bücherregale, doch hier soll einzig auf den Antisemitismus der Nationalsozialisten eingegangen werden, da er doch Besonderheiten aufweist, die sich so geballt in der Geschichte nicht finden. Bereits am 16. September 1919 verfasste Hitler für Adolf Gemlich, einem Teilnehmer der Lechfelder ‚Aufklärungskurse’ zur deutschnationalen ‚Umerziehung’ von Reichswehrsoldaten, die angeblich von Bolschewismus und Spartakismus ‚verseuchte’ waren, ein ‚Gutachten zum Antisemitismus’: Darin betonte er, dass das Judentum eine Rasse und keine Religion sei, und weiter schrieb er: „Dem Juden seien Religion, Sozialismus, Demokratie […] nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker. Daher müsse der  >>Antisemitismus der Vernunft<< seine Vorrechte planmäßig und gesetzmäßig bekämpfen und beseitigen. Sein letztes Ziel aber muss unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein. Zu beidem ist nur fähig eine Regierung nationaler Kraft […] nur durch rücksichtslosen Einsatz national gesinnter Führerpersönlichkeiten mit innerlichem Verantwortungsgefühl.“ Zum einen griff Hitler die antijüdische Stimmung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg auf, die in ganz Europa ihren Ausdruck fand, auch vermischte er Thesen von anderen Antisemiten, doch der ganz persönliche Ton, die Politisierung, die zur Glaubensvorstellung hochstilisiert wurde, brachte einen ganz eigenen, neuen Stil hervor. Hitler wiederholte unerbittlich seine Geschichte von dem durch Juden verursachten Untergang und von der Erlösung durch einen Sieg über die Juden. Obwohl Hitler vorgab, eine historische Analyse zu liefern, wurde der Jude in seiner Beschreibung enthistorisiert und in ein abstraktes Prinzip des Bösen verwandelt. Das Ergebnis entsprach eher religiöser Begriffe, wie denen von Verdammnis und Erlösung. Hitlers Vision des jüdischen Feindes hatte noch eine weitere Ebene, nämlich die übermenschliche Kraft des Juden, die Völker dieser Welt ins Verderben zu führen und das durch ‚Ansteckung’, ‚Zerfall’ und ‚Tod’. Die Völker, Hitler nannte sie die ‚Wirtsvölker’ der Juden, stellte er als hilfloses Vieh dar, das von hohnlachenden Juden gemeuchelt wird. Filmisch wurde diese ‚Vision’ in dem Film ‚Der ewige Jude’ von 1940, unter Aufsicht Josef Goebbels, aufbereitet und verbreitet. Mit Logik ist solcher ‚gläubigen’ Vehemenz nicht beizukommen, denn sonst hätten sich die frühen Anhänger Hitlers fragen müssen, warum sich die Völker gegen solch ein ‚Treiben’ der Juden denn nicht erwehren, sind sie doch in der Mehrzahl. Doch, wie gesagt, mit Rationalität ist solch einer ‚Glaubenssache’ nicht beizukommen, denn er bediente sich bei dem ‚Sektengefühl’ der ‚Religiosität’ von Gemeinschaft, hier der Deutschen. Dies ‚Gemeinschaftsgefühl’ fiel nach dem verlorenen Krieg und der von nur wenigen geliebten Weimarer Republik auf äußerst fruchtbaren Boden.   Für Hitler war der Kampf gegen die Juden die unveränderliche Basis und der zwanghafte Kern seines Verständnisses von Geschichte, Politik und politischem Handeln. Aber er wusste auch andere gesellschaftliche Schichten mit seinen abstrusen Gedanken anzusprechen, in einer Rede vom 18. Dezember 1926 in München sagte er: „… gerade für den Nationalsozialismus hat das Weihnachtsfest erhöhte Bedeutung, denn Christus ist der größte Vorkämpfer im Kampfe gegen den jüdischen Weltfeind gewesen. Christus ist nicht der Friedensapostel gewesen, den erst die Kirchen aus ihm gemacht haben, sondern er ist die größte Kampfnatur gewesen, die je gelebt hat. Die Lehre Christi ist für Jahrtausende grundlegend gewesen für den Kampf gegen den Juden als Feind der Menschheit. Das Werk, welches Christus angefangen hat, aber nicht beenden konnte, werde ich (Hitler) zu Ende führen. Der Nationalsozialismus ist nichts anderes als eine praktische Befolgung der Lehre Christi.“ In dem Polizeibericht über diese Rede Hitlers steht nichts darüber, dass Zuhörer den Kopf schüttelten, denn vielen musste doch bewusst gewesen sein, dass Jesus von dem hier die Rede war, ein Jude gewesen ist; aber wie schon erwähnt, Hitler agierte auf der Klaviatur der Emotionen, nicht der Logik und der Fakten. Er vertrat damit einen radikalen ‚Erlösungsantisemitismus’, den er bis zu seinem Suizid unverändert beibehielt und immer wieder als Kern seines Denkens hervorhob. Doch Hitlers antijüdische Agitation ging weiter und wurde oft auch immer deutlicher. Ebenfalls in München, der Stadt der Bewegung, wie Hitler die Gründung der NSDAP nannte, sagte er folgendes am 31. August 1928: “Wir sehen, dass in Deutschland die Verjudung fortschreitet in der Literatur, beim Theater, in der Musik und im Film, dass unsere Ärzteschaft verjudet, unser Richterstand, dass an unseren Universitäten immer mehr und mehr Juden auftreten, und es wundert mich nicht, dass ein Prolet hergeht und sagt ‚Was kümmert das mich?’ Verwunderlich ist es, dass es aber national bürgerliche Menschen gibt, die sagen ‚Das interessiert mich nicht, diesen Antisemitismus verstehe ich nicht.’ (nun brüllend) Sie werden ihn verstehen, wenn ihre Kinder unter der Knute des jüdischen Aufsichtsbeamten schmachten.“ Nach Hitlers Interpretation waren die Juden so mächtig, unterstützt von der ‚verjudeten’ Wallstreet dass jedes Volk vom ‚Weltjudentum’ unterjocht werden wird. Gleichzeitig waren die die Juden ‚Untermenschen’, Parasiten, die ohne ihre ‚Wirtsvölker’ nicht existieren konnten. Widersprüchliche Aussagen vom ‚übermächtigen’ Juden zum nicht allein existierenden Juden?, nein,  Widersprüchlichkeiten scherten Hitler weniger, wenn er seinem Hass freien Lauf lassen konnte. Denn er sprach im Volk nicht die Verstandesebene an, sondern ausschließlich die niedrigsten Instinkte. Der Fanatismus, der Hitler eigen war, was auch in anderen Bereichen später sichtbar wurde, gepaart mit der blinden Wut gegen das Judentum, zelebrierte nicht nur einen Antisemitismus der bis dahin bereits bekannt war, nein, er verdichtete den Hass auf die Juden und stilisierte diese Gefühlsgemengelage zum pseudoreligiösen Anliegen. Es war nicht das Kalkül der Zaren, die Pogrome anzettelten um vom eigenen Versagen abzulenken. Es war nicht der Antisemitismus Österreichs oder anderer europäischen Länder, die einen nebulösen ‚Schuldigen’ für den verlorenen Krieg suchten. Es war auch nicht der Antisemitismus der Christen, die den Juden die Schuld für die Kreuzigung ihres ‚Herren’ gaben. Nein, Hitlers Antisemitismus war immer zielgerichtet auf die Vernichtung des ‚Weltjudentums’ und es war ein Konglomerat aus geschichtlichen Interpretationen, Gerüchten und tiefen Hassgefühlen, eine Lebensaufgabe, eine Erfüllung, eine 'Religion'. In einer Randbemerkung äußerte sich Hitler über deutsche Juden im Ersten Weltkrieg: „Hätte man zu Kriegsbeginn und während des Krieges einmal zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten, wie Hunderttausende unserer allerbesten deutschen Arbeiter aus allen Schichten und Berufen es im Felde erdulden mussten, dann wäre das Millionenopfer der Front nicht vergeblich gewesen. Im Gegenteil: Zwölftausend Schurken zur rechten Zeit beseitigt, hätten vielleicht einer Million ordentlicher, für die Zukunft wertvoller Deutschen das Leben gerettet.“ Mit der Machtübergabe an Hitler am 30. Januar 1933 durch Hindenburg konnten seine Ideen, vorher nur Gedankenkonstrukte, in die Tat umgesetzt werden. Hitler schwebte schon 1933 eine konsequente Ghettoisierung der Juden und ihre räumliche Ausgrenzung vor, in einem Tischgespräch äußerte er: „Sie müssen heraus aus allen Berufen […], eingesperrt in ein Territorium, wo sie sich ergehen können […], während das deutsche Volk zusieht, wie man wilde Tiere sich ansieht“. In diesem Terminus ziehen sich der Antisemitismus Hitlers durch alle Reden und Gesetze seiner Zeit. Am 25. Oktober 1940 kam Hitler vor Vertrauten auf seine Ankündigung vom 30. Januar 1939 zurück, die Juden im Fall eines neuen Weltkriegs als Vergeltung für die deutschen Kriegsopfer zu vernichten: „Diese Verbrecherrasse hat die zwei Millionen Toten des Weltkrieges auf dem Gewissen, jetzt wieder Hunderttausende. Sage mir keiner: Wir können sie doch nicht in den Morast schicken! […] Es ist gut, wenn uns der Schrecken vorangeht, dass wir das Judentum ausrotten.“

Wie diese ‚gläubigen Visionen’ Hitlers, seiner Helfer und ‚Zujubler’ für Millionen von europäischen Juden endete ist (hoffentlich) bekannt. Aber erkennen müssen wir auch, dass mit dem Untergang der Nationalsozialisten und dem Verdammen ihres Antisemitismus, dieser in den Menschen nicht ausgemerzt ist, in immer neuem Gewand, entsprechend des Zeitgeists, kommt der Antisemitismus daher und allem Anschein nach, ist die ‚Ansteckungsgefahr’ groß. Diesem sich immer wieder entgegenzustellen ist die Verantwortung, die wir aus der Geschichte heraus zu tragen haben, immer und immer wieder; damit ein ‚NIE WIEDER’ Realität bleibt.  

Weiterlesen:

Antisemitismus • Versuch einer Definition

darüber hinaus:

➼ Wie alles begann: Grundstein für ein Terrorregime

➼ 30. Januar 1933 • Beginn eines Terrorregimes

➼ Machtübergabe►30. Januar 1933►Und Heute: 30. Januar 2013

Bild 1: Redner Adolf Hitler  · Bild 2: Blechschild Antisemitismus – beide Bilder Quelle: wikimedia.com