Adele: Zuviel des Guten

Adele: Zuviel des GutenAdele
„25“
(XL Recordings)
Am Ende des Albums wissen wir alle dann mit Sicherheit, was vorher eigentlich schon bekannt war: Adele Laurie Blue Adkins hat eine sagenhafte, eine tolle Stimme. Warum man aber dennoch Bauchschmerzen hat? Nun, eigenartigerweise ist es nicht die große Traurigkeit, die fast alle Songs des neuen Albums durchzieht – gegen jugendliche n Weltschmerz ist nichts einzuwenden und Anlässe dazu gibt es, wie man hört (und vorher schon liest), auch in Adeles Leben genug. Sie zieht hier im Übrigen mit ihrer zwei Jahre älteren schwedischen Kollegin Lykke Li gleich, die ebenso gern viel Schwermut in ihre Lieder packt – auch deren letztes Album „I Never Learn“ war beileibe keine einfache Kost und trotzdem recht eindrucksvoll. Nein, es krankt an anderer Stelle: Irgendwie scheint jeder der so zahlreichen wie namhaften Produzenten und Co-Writer ihres Albums – wir reden hier immerhin von Schwergewichten wie Paul Epworth, Mark Ronson, Greg Kurstin, Bruno Mars und Danger Mouse – der Künstlerin denselben Tipp gegeben zu haben, und unablässig alle Welt davon zu überzeugen, wie toll doch eben jene Stimme ist und dass dieses Stilmittel unbedingt ihr wichtigstes sein und bleiben müsse. Über diesem Diktat haben die Herren dann aber leider vergessen, der Stimme auch ein paar wirklich gute, meint abwechslungsreiche Songs zu schreiben oder Adele wenigstens darauf hinzuweisen, dass Trübsal und Trauer auf Dauer auch ziemlich anstrengend sein können.
So ist „Hello“ zweifellos ein bemerkenswerter Song mit viel Leidenschaft und wunderbarer Melodie, leider folgen auf diesen aber noch einige andere, die in dieselbe Kerbe hauen, nicht halb so gut sind und doch auf Pathos und Bombast nicht verzichten wollen. Viel Piano also, Streicher, Backgroundchöre, getragenes Largo plus barmendes Lamento und über allem ihre Stimme, die in verheißungsvollen Schattierungen beginnt und die Songs doch allzu oft, man muß es leider so sagen, mit Dominanz und Lautstärke erdrückt. „Send My Love“, mit funkigem, minimalistischem Unterton gestartet, stellt da als weltmusikalisches Jauchzen, zu dem es später wird, eher die Ausnahme, diese Leichtigkeit wird keinem der restlichen Stücke mehr vergönnt. Kaum zarte Momente, hübsche Soundideen wie die schleppenden Beats bei „Water Under The Bridge“ geraten früher oder später unter die Räder des anbefohlenen Balladenzwangs, man hat das Gefühl, sie wolle mit „Remedy“ oder „All I Ask“ nach Möglichkeit die Leerstelle füllen, die Whitney Houston hinterlassen hat. Es gibt nebenbei eine weitere Parallele zu Lykke Li, deren frühere Alben ebenfalls etwas mutiger und weniger eindimensional klangen und die vielleicht einen Ausweg aufzeigen kann: Beide haben zu unterschiedlicher Zeit einen ihrer Songs jemanden an die Hand gegeben, der ohne Vorbehalt und mit ein paar klugen Kniffen Reizvolle(re)s daraus zauberte – Beck bei „Get Some“ und Jamie xx für „Rolling In The Deep“. Ob nun also respektvolles Schulterzucken oder bedauernde Hochachtung, Adele wäre gut beraten, für ihre nächste Platte etwas verwegener zu Werke zu gehen – auf ihre Stimme, soviel ist sicher, kann sie sich ohnehin verlassen. http://adele.com/

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