Irgendwann in diesem Frühjahr sah ich in “Monitor” einen Beitrag, in dem es um Korruption Lobbyismus in unserem Land und der EU ging. Zum Ende der Sendung resp. des Beitrages wurde das Buch “Der gekaufte Staat” von Sascha Adamek und Kim Otto vorgestellt. Es dauerte geraume Zeit bis ich das Buch dann endlich im Handel fand.
Die Autoren wurden für die Recherche an diesem Buch und den Monitor-Beitrag mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Das muss nicht unbedingt immer etwas Positives bedeuten; in diesem Falle aber ist dieser Preis verdient.
Mehr als hundert Vertreter deutscher Großkonzerne haben in den Bundesministerien eigene Schreibtische bezogen. Bezahlt werden sie von den Unternehmen. Sie arbeiten an Gesetzen mit und sind politisch immer am Ball. aus dem Klappentext des Buches
So recherchierten Adamek und Otto in diversen Ministerien und fanden heraus, weshalb z.B. das Lärmschutzgesetz des Frankfurter Flughafens erst in Kraft tritt, wenn die Baumaßnahmen dort abgeschlossen sind: Das entsprechende Gesetz (Lex Fraport) schrieben die Betreiber des Flughafens.
Die Autoren erklären und beweisen, weshalb Strom und Gas in Deutschland immer teuerer werden – obwohl es doch offiziell einen “freien” Wettbewerb auf den Märkten geben soll. Auch über die Gründe, weshalb die Gesundheitsversorgung Deutschlands immer teurer (und zum Teil schlechter) wird, wissen zu berichten.
Ein Kapitel heißt – gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise hochaktuell – Warum dürfen Heuschrecken Deutschland abgrasen?
Ich zitiere aus diesem Kapitel hier sehr ausführlich:
Offenbar saßen im Bundesfinanziministerium [2003 unter Hans Eichel] eingefleischte Fans des Glückspiels. … Legalisiert wurde auch eine im angelsäschsichen Raum schon länger beliebte Kasinoe Methode der Gewinnmaximierung: Ein Hedgefonds leiht sich bei einer Bank ein Aktienpaket eines Konzerns… Diese geliehenen Aktien verkauft er auf einen Schlag an der Börse, was zur Folge hat, dass der Aktienkurs des betroffenen Unternehmens fällt. Zu dem neuen, niedrigeren Kurs kaum der Fonds nun das Aktienpaket wieder an und gibt es der Bank zurück. Die Kursdifferenz streicht der Fonds als Reingewinn ein, und auch die Banken erhalten ihre “Leihgebühr”. So lassen sich auf dem Rücken von stabilen Unternehmen und ihren Belegschaften Milliardengewinne einfahren, denn natürlich erhöht jeder Kurssturz den Druck auf das Management, Kosten zu senken und Personal einzusparen. Seite 91
Und das wurde vor den ersten Bankenzusammenbrüchen geschrieben! Die Autoren zeigen deutlich auf, dass die rot-grün-neoliberale Bundesregierung den “Heuschrecken” Tür und Tor geöffnet hat:
Eigentlich erstaunlich, dass ein solches Gesetz [Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investvermögen] ausgerechnet von der rot-grünen Bundesregierung eingebracht wurde. Noch erstaunlicher, dass im August 2003 … anders als sonst der Aufschrei der Finanzlobby ausblieb. … Im Gegenteil. Der Lobbyverband BVI applaudierte dem Bundeskabinett… Diese erstaunliche Eintracht zwischen BVI und Finanzministerium wird erst erklärlich, wenn man weiß … dass das Gesetz von einer Angestellten des Lobbyverbandes [gemeint ist der BVI] mitformuliert worden war. Seite 91/92
Allein schon diese Seiten machen das Buch lesenswert – obwohl ich danach zu zweifeln begann, wie sich dieses zweifelsfrei verbrecherische Verfahren mit dem Begriff der “Demokratie” vertragen soll, den das Grundgesetz festschreibt:
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Artikel 20, Absatz 1
Leider bin ich inzwischen viel zu pessimistisch, als das ich glauben könnte, dass irgendjemand aus der derzeitigen und neoliberal selbstgemachten Wirtschaftskrise etwas lernt. Und ändert.
Aber hoffen darf ich.
Nic