© Koch Media / Iko Uwais als Rama in Gareth Evans “The Raid”
In „Star Trek“ fordern sich regelmäßig Offiziere der Sternenflotte zu einer Partie Schach heraus, die in der Zukunft über fünf Ebenen nach oben gespielt wird. Das nennt sich dann Science-Fiction. Regisseur Gareth Evans erweitert sein Spiel auf 15 Ebenen und nennt das Action. Zu Recht. Sein Schachspiel inszeniert er zwischen einem Hochhauskomplex von Verbrechern und Abschaum und einem 20 Kopf starken S.W.A.T.-Team. Ihre Könige sind der Drogenbaron Tama und Lieutenant Wahyu, der Mann mit den grauen Haaren, der als einziger Polizist ohne Helm in die Schlacht zieht – ein frühes Anzeichen des entmachteten Königs, der ohne Krone daherkommt. Aber ganz gleich wer am Ende die Partie gewonnen haben wird – klar auszumachen ist das sowieso nicht – der Zuschauer steht als großer Sieger über allem. Denn mit seinen prachtvollen Action Choreographien wird „The Raid“ zum Kinnlade herunterrutschenden Genre-Erlebnis.
Iko Uwais
Die wertvollste Figur in diesem Spiel ist erneut der Newcomer Iko Uwais, der von Regisseur Evans in Indonesien entdeckt wurde und 2009 in dessen Film „Merantau“ debütierte. Und schon hat er sich weiter entwickelt: Denn für „The Raid“ durfte der Silat-Kampfsport-Spezialist gemeinsam mit Kollege Yayan Ruhian die Planung und Durchführung der Stunt Choreographien übernehmen. Im Film selbst ist er Rama, Mitglied eines verdeckt operierenden Sondereinsatzkommandos, das einen brutalen Drogenbaron in dessen heruntergekommenen fünfzehnstöckigen Apartmentblock stellen und dingfest machen soll. Aber der Kopf des Kartells, Tama, hat offenbar längst auf die Angreifer gewartet und ist gewappnet. Seine Wachen lassen die Operation bereits früh auffliegen, woraufhin in dem Gebäude die Hölle losbricht. Tama bietet jedem Killer, Gangster und Dieb lebenslanges, kostenfreies Wohnrecht im Austausch gegen die Köpfe der Polizisten. Ramas Truppe wird daraufhin zunehmend dezimiert, bis nur noch wenige seiner Einheit einer gegnerischen Übermacht gegenüberstehen. Es bleibt ihnen dennoch nichts anderes übrig, als sich Stockwerk um Stockwerk und Raum um Raum nach oben zu kämpfen um die Mission zu beenden und mit dem Leben davon zu kommen.
Der Inhalt verrät bereits, dass hier die Action klar im Vordergrund steht. Aber so dermaßen actionreich ist es lange nicht im Kino zugegangen, selbst Vergleiche zu Liam Neesons harten Auftritt in „96 Hours“, Matt Damon als Jason Bourne oder der Altherrenriege um Silvester Stallone in „The Expendables“ haben dem indonesischen Film nicht viel entgegen zu setzen. Der Zuschauer bekommt zahlreiche und abwechslungsreiche Kampfsituationen präsentiert, die immer vor einer liebevoll eingerichteten Raumkulisse stattfinden. Am Anfang sind es noch große Gruppen die sich gegenseitig mit Maschinengewehren belagern, dann werden zunehmend diverse Größen von Kampfmessern eingesetzt, am Ende wird zum bloßen Faustkampf übergegangen. Ganz gleich welche Form des Kampfes gewählt wird, die Geräuschkulisse bleibt immer ohrenbetäubend: Mal ist es der Kugelhagel, dann die aufeinander prallenden Klingen oder die harten Schläge, immer begleitet von den entschlossenen Schmerzensschreien der Darsteller, bei denen man sich immer wieder fragen muss, wie viel Schaden der menschliche Körper im Stande ist auszuhalten – Schauspiel hin oder her.
Mad Dog (Yayan Ruhian) mag eigentlich keine Waffen
Auch hier beweist sich Iko Uwais als einmalige Entdeckung des Regisseurs. Mit Verrenkungen die ihresgleichen suchen, zaubert er kämpferische Moves aus seinem Repertoire hervor, die – so ungesehen sie bisher auf der Leinwand sind – weder verraten werden wollen noch wirklich beschrieben werden können. Es ist Action, die gesehen, nicht wiedergegeben werden will. Im finalen Faustkampf-Showdown schlägt man dann so oft aufeinander ein, dass jeder ausgeführte Schlag auch den Zuschauer bis ins Mark erschüttert. Schlag auf Schlag auf Schlag, hier hört man das Aufeinanderprallen der Knochen, die Schreie der Schauspieler wirken emotional mitnehmend. Und dabei schafft Regisseur Evans den Kniff, niemals in ein banales Actiongeballer zu verfallen. So geht es zwar zu, aber die Wirkung kann an keiner Stelle als stumpf abgestempelt werden. Die einzelnen Spielfiguren werden sinnvoll platziert und eingesetzt. Die Guten sind nicht alle gut, die Bösen aber auch nicht böse. In einer kurzen Eingangssequenz wird Rama mit seiner schwangeren Frau und seinem Vater gezeigt, dem er verspricht „ihn“ dort heraus zu holen. Damit wird es für den Hauptprotagonisten nicht nur zu einem hochbrisanten Polizeieinsatz, sondern auch zu einer persönlichen Geschichte, die sich im Verlauf der fünfzehn Stockwerke auch immer weiter entwickelt.
Derweil stehen auf der anderen Seite der Drogenboss Tama, gespielt von Ray Sahetapy, der den Gebäudekomplex – mit Kameras an jeder Ecke ausgestattet – über eine Monitorwand immer im Auge behält. Die Finger macht sich der König, der hoch oben im höchsten Stockwerk thront, nicht schmutzig. Hierfür hat er seine beiden Handlanger Mad Dog (Yayan Ruhian) und Andi (Donny Alamsyah). Der eine ein brutaler Kämpfer, der den Gebrauch von Feuerwaffen als langweilig ansieht und seine Opfer lieber unter dem Einsatz seiner eigenen zwei Hände und Füße tötet. Der andere, eher ein Mann der für die Hirnarbeit im Team zuständig ist und Polizisten lieber besticht als sie niederzumetzeln. Das Trio Infernal sowie ein Verräter in den Reihen des Einsatzkommandos sorgen für reichlich erinnerungswürdige Kampfpartner, die nicht in der großen Masse an Kanonenfutter – gleich welcher Seite – unterzugehen drohen.
Bei „The Raid“ bekommt man keinen Hollywood Actionblockbuster, sondern ein kleines indonesisches Filmchen, gedreht mich geringen Budget und größtenteils unbekannten Gesichtern. Und es funktioniert dennoch hervorragend. Nach „Merantau“ empfiehlt sich das Gespann Gareth Evans und Iko Uwais auch für „The Raid“ als Action-Dream-Team, das mit „Berantau“ bereits den nächsten Film in der Produktion stecken hat. Und hier freut man sich wirklich, dass es sich um zwei frische, junge Filmbegeisterte handelt, der eine hinter der Kamera, der andere davor, noch lange nicht erschöpft, mit noch vielen fantasievollen Action-Choreographien in ihren Köpfen. Sehr zum Wohlwollen der Kinogänger.
Denis Sasse
“The Raid“