Acta ist nur ein besonders dreister Fall für undemokratische internationale Normsetzung. Es ist an der Zeit, das Monopol der Regierungen über zwischenstaatliche Verhandlungen in Frage zu stellen
Das sogenannte Handelsübereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie ACTA ist endlich
Von den meisten beteiligten Regierungen sowie von der Europäischen Union wurde es schon unterzeichnet. Am 26. Januar gab es dafür in Tokio eine große Zeremonie. Jetzt steht die Ratifizierung an, also die Zustimmung durch die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament. Das Abkommen (PDF) tritt für diejenigen Vertragspartner in Kraft, die ihre Ratifikationsurkunde hinterlegen. Benötigt werden mindestens sechs. Aufgrund der durch den Vertrag von Lissabon gestärkten Rechte des Europäischen Parlaments müsste dieses für die EU ebenfalls zustimmen.
Ein missratenes Abkommen
Die Proteste gegen ACTA drehen sich von der Materie her vor allem um die schwammigen Regelungen zur "Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld", wie es im Vertrag heißt. Das Misstrauen ist riesig, denn die Verhandlungen sind von den USA, Kanada, Japan, der EU und den anderen beteiligten Regierungen seit 2008 unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden.
Aus den Verhandlungszimmern drangen immer wieder Gerüchte nach draußen. Das eine oder andere Verhandlungsdokument und der eine oder andere Entwurf gelangte an die Öffentlichkeit, ohne allerdings dass die Echtheit immer zweifelsfrei bestätigt werden konnte. Das Schlimmste war zu befürchten. Alles schien um Pflichten, Durchsetzung, Strafen, aber ganz gewiss nicht um die Rechte der Nutzer zu gehen.
Es hieß zum Beispiel, das "three strikes"-Modell solle in dem Vertrag zum internationalen Standard gemacht werden. Demzufolge würde der Internetzugang eines Nutzers beim dritten Verstoß gegen das Urheberrecht im Internet gekappt werden. Ein Vertreter der Motion Picture Association of America (MPAA), des Lobbyverbands der amerikanischen Filmindustrie, soll bei einer ACTA-Verhandlungsrunde in Mexiko angeblich den Aufbau einer Zensurinfrastruktur für das Internet nahegelegt haben, die dann auch dazu genutzt werden könne, um "gefährliche Websites wie Wikileaks" vom Netz abzunabeln. Das Beispiel, so wurde spekuliert, sei vom MPAA-Vertreter angeführt worden, um die Idee den Regierungen besonders schmackhaft machen.
Zu solchen Bestimmungen ist es im Vertrag nicht gekommen. Der Text sei vorsichtshalber weichgespült worden, sagen Kritiker. Mit dem Abkommen würde allerdings ein "ACTA-Ausschuss" eingesetzt, der "Empfehlungen zur Umsetzung und Durchführung" des Übereinkommens abgeben und "Leitlinien für vorbildliche Verfahren" verabschieden soll.
Ohne Zweifel ist ACTA ein missratenes und unausgeglichenes, vielleicht ein potentiell grundrechtsverletzendes Machwerk von gesichtslosen Regierungstechnokraten, die sich irgendwo in den federführenden Ministerien verstecken. Schon allein aufgrund der skandalösen Art und Weise, wie ACTA verhandelt wurde, sollte der Vertrag von den nationalen Parlamenten und dem Europaparlament abgelehnt werden.
via ACTA: Geheimdiplomatie im Zeitalter der Globalisierung | Telepolis.