18.1.2012 – Nie waren die Voraussetzungen so gut und nie war die Notwendigkeit so groß für eine starke Linke in Deutschland. Erhebliche Zweifel am Segen des Kapitalismus, an der „marktkonformen Demokratie“ und an der Alternativlosigkeit schwarz-gelb-rot-grüner Politik haben längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Immer mehr Menschen sehnen sich nach einem Politik-, viele sogar nach einem Systemwechsel.
Und was macht DIE LINKE? In der öffentlichen Wahrnehmung mehr oder weniger nichts. Sieht man einmal von Diskussionen über künftige Vorsitzende, Mitgliederentscheide in Personalangelegenheiten, Kontroversen über Appelle in Sachen Iran und Syrien oder die Stasi-Vergangenheit von Landtagsmitgliedern ab, dann ist es verdächtig still in der Partei und um sie herum.
Alarm: Freundliche Medien
Statements von linken Politikern erscheinen plötzlich wie selbstverständlich in den Nachrichtensendungen der Öffentlich-Rechtlichen, auffällig viele Veröffentlichungen in den Medien kommen ohne die üblichen Ressentiments, Verdächtigungen und Diffamierungen aus und immer mehr Kommentatoren der Presse behandeln DIE LINKE fast schon wie eine ganz normale Partei
Diese Entwicklung wirkt nur auf den ersten Blick positiv. Denn sie ist auch und vor allem ein deutliches Zeichen dafür, dass kaum ein Beobachter die Linkspartei im Moment für gefährlich hält. Und warum sollte man auch? Die Umfragewerte, wie immer man deren Relevanz auch bewerten mag, verharren auf einem Rekordtief. Die Partei diskutiert, trotz stetiger Mahnungen an sich selber, hauptsächlich über Interna und insgesamt hat man den Eindruck, dass DIE LINKE noch nicht aus der Weihnachtspause zurückgekehrt ist.
Während um uns herum die Republik brennt, das soziale Klima kälter und der Arbeitsmarkt prekärer wird, während immer mehr Jugendliche, Arbeitslose, Geringverdiener und Rentner auf der Strecke bleiben, die etablierten Parteien und ihre Vertreter, bis hin zum Staatsoberhaupt, im intransparenten Sumpf von Korruption, Vorteilsnahme und Machtansprüchen versinken, gelingt es der Linkspartei nicht, den Menschen klar zu machen, dass sie eine Alternative zu dem ist, was uns bedrängt, besorgt und belastet.
Was wir wollen steht links
Auf der einen Seite stehen Menschen, die spüren, dass System und Politik nicht in ihrem Sinne agieren. Auf der anderen Seite steht DIE LINKE, deren Programm Lösungen anbietet, die geeignet sind, die drängendsten und dringendsten Probleme überzeugend zu lösen. Doch trotz aller Kongruenz und trotz steigendem Leidensdruck finden beide Seiten nicht zueinander.
Zugegeben: Die Linkspartei hat es nicht leicht. In den vergangenen Jahren musste sie nicht nur gegen den traditionellen, westdeutschen Antikommunismus und die stetigen Diffamierungsversuche durch andere Parteien und Konzernmedien ankämpfen. Sie musste sich aus den Fängen ihrer SED-Vergangenheit befreien und die grinsende Häme aushalten, die sich beeilte, jeden Vorschlag, jeden Vorstoß und jede Position mit einem „Das sind doch die mit der Mauer“ zu quittieren.
Mit den Mitteln der Lobbys, der wirtschaftsnahen Institute und der namhaften Stiftungen wurde in der Gesellschaft der Hang zu einem neoliberalen Lifestyle geschaffen, der das Recht der Starken und Erfolgreichen in den Mittelpunkt stellt und den Schwachen und Benachteiligten die Schuld an ihrer Misere selber zuschreibt.
Wer es in Deutschland geschafft hat, der schmückt sich mit den Insignien des Erfolges. Er sitzt im Hybrid-Fahrzeug, telefoniert mit dem iPhone, ernährt sich ökologisch, kleidet sich unbedenklich und tummelt sich in angesagten Clubs und Kulturtempeln. Wer es nicht geschafft hat, der fällt aus der öffentlichen Wahrnehmung heraus, wird zum Bestandteil geschönter Statistiken und trägt den Makel, nicht zu den Leistungsträgern zu gehören.
In der Folge steht ein bedeutender Teil unserer Gesellschaft verschämt an deren Rand und beurteilt sich selber nach den absurden Maßstäben der Leistungsprediger. Statt selbstbewusst ihre Rechte einzufordern und ein Bewusstsein für die eigene, bedrängte Klasse und die Ursachen ihres Elends zu entwickeln, finden sie sich mit ihren bedrückenden Lebensumständen ab. Eine unglückliche Mischung aus „Ich trage selber die Schuld“ und „Die machen ja doch, was sie wollen“ bestimmt zunehmend die Selbstwahrnehmung derjenigen, die an den harten Regeln der Gesellschaft scheitern.
Diesen Menschen muss sich die Linkspartei konsequenter zuwenden. Ihnen zeigen, dass sie mit der Partei ihren eigenen „Lobbyverband“ haben, dass sie viele sind und dass sie es verdient haben und es schaffen werden, aus dem Schatten der Gesellschaft in deren Mitte zu treten und dort selbstbewusst für ihre Rechte zu streiten.
Schnappt Euch die Öffentlichkeit
DIE LINKE beschäftigt sich zu viel mit sich selber. In Sitzungen, Gremien und Konferenzen ermahnt man sich gegenseitig zu weniger internen Diskussionen und mehr öffentlicher Teilhabe. Noch immer fühlt man sich verpflichtet, auf jeden Vorwurf von außen in epischer Breite zu reagieren und die Spielbälle der anderen Parteien und der Medien willig aufzunehmen und zurückzuspielen.
Das lenkt von den wichtigen Inhalten ab und schafft Distanz zu denjenigen, die sich von der Partei überzeugend vertreten fühlen würden, wenn sie nur einmal die Oberfläche durchdringen und zu den eigentlichen Inhalten gelangen könnten. DIE LINKE wird auf den Straßen und Plätzen gebraucht, an den Orten, an denen unzufriedene Menschen auf der Suche nach neuen Konzepten zusammentreffen und überall dort, wo man Solidarität, Hilfe und Lösungen dringend benötigt.
Die Partei muss ihre zu eng gewordenen Strukturen überwinden und sich in der Gesellschaft breit vernetzen. Sie muss enge und erkennbare Bündnisse mit Organisationen eingehen, die soziale Kälte und zunehmende Verelendung mit Untersuchungen und Studien greifbar und messbar machen und sich in Bündnisse einbringen, die Ungerechtigkeit und Ausgrenzung den Kampf angesagt haben.
Und DIE LINKE muss konsequent zeitgemäße Kommunikationskanäle nutzen, um die Öffentlichkeit, unabhängig von den Massen- und Konzernmedien, zu erreichen. Wer nur selbstmitleidig und traurig darauf wartet, auch einmal lobend von den Vertretern der etablierten Medien erwähnt zu werden, der hat den Kampf um die öffentliche Wahrnehmung bereits verloren. Stattdessen muss die Devise lauten, selber Gegenöffentlichkeit herzustellen.
Ein Blick auf die Online-Kommunikation der Partei legt den Schluss nahe, dass es dort an Fachleuten für diese Aufgaben mangelt. Statische Webseiten, langweilige Newsletter oder gelegentliche Postings in den sozialen Netzen können diese Aufgabe nicht überzeugend und wirksam erfüllen. Hier braucht es stattdessen schlüssige Konzepte und eine konsequente Umsetzung.
Unzählige linke Blogger, engagierte Publizisten und Fachleute für Internet-Kommunikation stehen bereit, um ihre Kompetenz und ihre Überzeugung einzubringen. Sie warten nur darauf, dass die internen Kämpfe endlich zum Abschluss kommen, damit sie, vernetzt mit der Linkspartei, das tun können, was nötig ist: Unter Einbeziehung der Öffentlichkeit aktiv Politik gestalten.